Aubenhausen/Tokio – Die Spannung in der Piazza von Aubenhausen war förmlich mit den Händen zu greifen. Jessica von Bredow-Werndl, Deutschlands aktuell beste Dressurreiterin, konnte als Schlussreiterin die Goldmedaille für das deutsche Team bei den Olympischen Spielen in Tokio klarmachen. Ihre Teamkolleginnen Dorothee Schneider und Isabell Werth hatten gut vorgelegt, aber finalisieren musste die Aubenhausenerin. Sie musste quasi den letzten Elfmeter verwandeln. Schaffte sie das nicht, wäre Gold weg gewesen. Der Druck war enorm.
Rund 50 Familienmitglieder, Freunde und Angestellte der Reitanlage Aubenhausen fieberten mit Jessica von Bredow-Werndl und ihrer Stute TSF Dalera BB mit. Drückten alle Daumen, die sie hatten. Nach der grandiosen Vorstellung von Reiterin und Pferd bejubelten die Anwesenden den Gewinn der Goldmedaille, allen voran Jessicas Bruder Benjamin Werndl, der Minuten vorher noch gebannt vor der großen Leinwand saß und sagte: „Ich bin so nervös, ich halte das kaum aus“.
Höchste Anerkennung
vom Bruder
Er wusste also genau, welchem Druck seine Schwester ausgesetzt war. Sie musste als Schlussreiterin der deutschen Equipe den Goldtraum verwirklichen. „Wie sie mit diesem Druck umgegangen ist, wie sie den einen kleinen Fehler ihrer Kür zusammen mit Dalera weggesteckt hat und sofort wieder auf Topniveau geritten ist, verdient höchste Anerkennung. Und wie hat Oliver Kahn gesagt: Ich spüre gar keinen Druck vor lauter Druck. Und das sagen wir auch immer. Konzentration auf den nächsten Schritt und das hat sie super gemacht“, sagte Benjamin Werndl erleichtert und lobte seine Schwester weiter: „Sie hat von der ersten bis zur letzten Sekunde alles richtig gemacht. Das Gesamtpaket ist einfach so gut und sie hat auch hervorragend reagiert, als Dalera vor den Einer-Wechseln misten musste. Da muss man erst einmal die Nerven haben, das in dem Moment so zu händeln. Ich bin sehr stolz auf die Jessi.“
Mutter Micaela Werndl, die nicht nach Tokio mitfuhr, sondern sich zu Hause um ihren dreijährigen Enkel Moritz kümmerte, freute sich natürlich riesig: „Das ist noch einmal eine Nummer größer als der Weltmeistertitel. Wir sind so unheimlich stolz auf Jessica.“ Auf die Frage was ihre Tochter besonders gut gemacht habe, sagte Micaela Werndl: „Es war alles sehr harmonisch und alles ineinander übergehend. Es hat einfach auch zeitlich perfekt auf die Musik gepasst.“
Jetzt fiebert natürlich ganz Aubenhausen auf die Einzel-Entscheidung in der Dressur am Mittwoch hin. Weil Jessica von Bredow-Werndl von allen Reiterinnen und Reitern im Mannschaftswettbewerb die beste Leistung bot, die zu Hause noch einmal ganz besonders bejubelt wurde, zählt sie jetzt zu den ganz heißen Gold-Anwärterinnen. Gut möglich, dass dabei die größte Konkurrentin mit Isabell Werth aus der eigenen Mannschaft kommt. Werth hat allerdings bei ihren bisher sechs Olympia-Auftritten vor Tokio noch nie Gold im Einzel gewonnen. Trotzdem ist sie die erfolgreichste Reiterin der Welt mit jetzt siebenmal Gold und viermal Silber. Aber: Deutschlands aktuell beste Dressurreiterin ist Jessica von Bredow-Werndl. Es könnte spannend werden…