Töging/Altötting – Auf das aufregendste Jahr ihrer Karriere blickt Alexandra Burghardt zurück. Die Sprinterin von der LG Gendorf Wacker Burghausen war schnell wie nie und stürmte bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio im August zum elften Platz über 100 Meter sowie zu Rang fünf mit der 4×100-Meter-Staffel des DLV. Doch das soll es für die 27-Jährige in Sachen Olympia noch nicht gewesen sein. Sie liebäugelt vielmehr mit einem Start im Februar 2022 bei den Winterspielen von Peking – diesmal im Bob. Damit wäre Burghardt eine von wenigen Aktiven, die bei Olympischen Spielen im Sommer wie im Winter dabei ist – und das innerhalb eines halben Jahres.
Die Bobfahrer hätten schon seit Jahren bei ihr angefragt, erzählt Burghardt, wie sie überhaupt auf diese Sportart gekommen ist. Bisher hätten die Umstände aufgrund ihrer schwankenden Leistungen und Verletzungen dagegen gesprochen, so die Leichtathletin, aber nach dieser „super Saison“ hätte sie „Lust verspürt, das zu probieren“. Und der erste Test, den die aktuell schnellste Frau Deutschlands vor Kurzem in Oberhof absolviert hat, verlief schon mal äußerst vielversprechend. Mit dem 105 kg schweren Anschubgerät erzielte die Tögingerin, die in Altötting lebt, hinter Deborah Levi (BSC Winterberg) den zweitbesten Wert – und überrumpelte damit die Arrivierten dieser Sportart.
„Der Kontakt zu Alexandra lief zum einen über ihren Trainer Patrick Saile, der schon lange mit Bobsportlern zusammenarbeitet, und zum anderen über unseren bayerischen Stützpunkttrainer Stephan Bosch. Beide haben Gespräche mit ihr geführt und sie nicht überredet, sondern überzeugt, es mal zu versuchen“, erklärt Bob-Bundestrainer René Spies und fügt an: „Jetzt geht es darum, einen für alle sinnvollen Fahrplan zu erstellen, um sie vielleicht bis zu den Olympischen Spielen und auf einen der Schlitten zu bringen. Wichtig ist, zu wissen, dass sie in ihrer ersten Saison nicht alles fahren kann, dann würde die Leistung in den Keller gehen. Da müssen wir aufpassen.“
Ihr gutes Abschneiden bei diesem Leistungstest im Thüringer Wald, wo sie auf dem Weg zu ihrem 100-m-Rennen beim ISTAF in Berlin Station machte, überraschte Burghardt nicht. „Ich bin derzeit die Schnellste und die Technik kann man trainieren“, sieht sie in der für sie neuen Sportart keine Probleme. Die Idee, mit dem Bob Richtung Olympia zu steuern, sei „sehr reizvoll“, so die Sprint-Queen, deshalb wolle sie das „auf alle Fälle weiterverfolgen“. Im November oder Dezember sind erste Probefahrten mit der antrittsschnellen Wahl-Altöttingerin als Anschieberin im Eiskanal geplant, danach sehe man weiter: „Ich mache das alles Schritt für Schritt, aber mit minimalem Aufwand. Ich werde sicher nicht alle Weltcups fahren.“
Auch wenn Burghardt noch so gerne wieder bei Olympia dabei wäre, betont sie: „Die Leichtathletik hat zu 100 Prozent Priorität und soll nicht darunter leiden.“ Schließlich steigt eine Woche nach den Spielen in Peking bereits die deutsche Hallenmeisterschaft und da will die aktuelle Landesmeisterin über 100 und 200 Meter auf jeden Fall aus dem Startblock schnellen. Und dann hält die neue Saison mit der WM im Juli in Eugene (USA) und der Heim-EM im August in München noch zwei absolute Highlights parat. Für beide Großereignisse ist die 1,81 Meter große Sportlerin bereits fix qualifiziert. Immerhin ist sie heuer in 14 ihrer 15 Rennen über 100 Meter unter ihrer alten Bestzeit von 11,32 Sekunden geblieben, ließ es nur im Vorlauf bei der „Deutschen“ mit 11,36 austrudeln. Mit 11,01 steht zudem eine starke neue Marke. Damit fällt im kommenden Sommer der Druck weg, noch Normen erfüllen zu müssen und es bleibt Zeit und Muße, sich mit neuen sportlichen Herausforderungen zu beschäftigen – wie der eines Olympia-Starts im Winter. fa