Der Traum von Edelmetall lebt

von Redaktion

SERIE Heimische Olympiastarter, Teil 3: Eis – Pilot, Anschieber, Eisflitzer und Teamplayer

Rosenheim/Peking – Die Bilanzen der jüngsten Olympischen Winterspiele beweisen: Die größten Medaillenchancen für Deutschland liegen im Eiskanal! Auf dem Schlitten – auch kopfüber – oder im Bob gehen die deutschen Teams immer wieder favorisiert in die Bewerbe. Da trifft es sich gut, dass die Region gleich mit vier Athleten im Eiskanal vertreten ist!

Kurioserweise ist aber nur ein Sportler des regionalen halben Dutzends auf dem Eis bislang mit einer Medaille dekoriert – und der ist auf dem Eishockeyfeld daheim. Patrick Hager, Angreifer beim EHC Red Bull München, war schon Mitglied des 2018er-Aufgebots, das im Finale bereits eine Hand an der Goldmedaille hatte, um dann doch Russland in der Verlängerung zu unterliegen. Silber war aber ein verdienter Lohn für den großartigen Erfolg, der mit viel Herz und Teamgeist errungen wurde – und mit einem Lied: „Three little birds“ von Bob Marley begleitete das deutsche Team damals durch Olympia. Man darf gespannt sein, welches Lied den 33-jährigen Hager, der den kompletten Nachwuchs der Starbulls Rosenheim durchlaufen hat, und seine Teamkollegen diesmal durch die Spiele führt. In der Vorrunde trifft die DEB-Auswahl aus Kanada, die USA und Gastgeber China.

Dass die Bobpiloten ihre Anschieber aus der Leichtathletik rekrutieren, ist keineswegs neu. Das war schon in den 70er-Jahren so, als der Rosenheimer Fritz Ohlwärter als Anschieber im Bob des Neubeurers Georg Heibl bei den Olympischen Spielen in Innsbruck startete. Jüngstes Beispiel: Alexandra Burghardt, derzeit beste deutsche Sprinterin. Im Sommer lief sie noch bei Olympia in Tokio auf der Tartanbahn, nun schiebt sie in Peking die Titelverteidigerin Mariana Jamanka in die Spur – allerdings wird die Sportlerin der LG Gendorf/Wacker Burghausen nach der Wintersaison wieder auf den Tartanbelag zurückwechseln. Die ersten Weltcup-Einsätze auf Eis verliefen schon sehr ordentlich, sodass eine Medaille auch möglich ist – etwas, das in Tokio mit dem fünften Rang in der Sprintstaffel noch nicht geglückt ist.

Ein klarer Medaillenanwärter ist auch Florian Bauer aus Töging. Der Anschieber von Johannes Lochner will bei seiner Olympia-Premiere Edelmetall mit nach Hause nehmen. Immerhin gab es in dieser Saison schon mal Bronze bei der EM im Zweier – und das, obwohl Bauer in der Vorbereitung hartnäckig mit Wadenproblemen zu kämpfen hatte. Aber der 27-Jährige, der in Peking Geburtstag feiert, hatte gut gearbeitet und präsentierte sich im Weltcup stark in Form.

Tobias Schneider war Leichtathlet in Mittelfranken, als er auf der Bahn am Königssee eine Schnupperfahrt im Bob unternahm. „Ich hätte Geld gezahlt, dass ich noch einmal fahren darf“, beschreibt der 29-Jährige die Gefühle hinterher. Mittlerweile braucht er nicht für weitere Fahrten zu bezahlen, sondern ist Vereinskollege und Anschieber im Team von Pilot Christoph Hafer aus Bad Feilnbach. Hafer setzte sich in der deutschen Vorausscheidung gegen Richard Oelsner durch und durfte damit auch seine erste komplette Weltcup-Saison bestreiten, die er mit Schneider im Zweierbob auf dem sechsten Rang beendete. „Wir sind zufrieden. Wir waren mit auf dem Podest. Im Vierer sind wir zweimal knapp gescheitert, da ging es um Hundertstel“, beschreibt Hafer den bisherigen Saisonverlauf. Seine Schlüsse daraus: „Wir gehen gut gerüstet zu den Spielen. Dort wollen wir den bestmöglichen Wettkampf zeigen – und dann schauen wir, was dabei rumkommt.“

Die Bob-Mannschaften waren Ende des vergangenen Jahres bereits in China, um die Strecke kennenzulernen. „Das ist eine sehr interessante Bahn“, meint Hafer, „wenig sturzgefährdend“. Er sieht aber auch die Tücke: „Es sind drei, vier Passagen dabei, die man sehr genau treffen muss – wenn nicht, dann werden Zehntelsekunden weggeworfen, was bei uns sehr viel ist.“ Auch der Töginger Bauer war angetan von der Bahn: „Das kannst du dir gar nicht vorstellen, wie groß die ist!“ Und Hafers Hintermann Schneider meinte: „Mir hat‘s wahnsinnig Spaß gemacht.“ Er fand „den Startbereich sehr anspruchsvoll“. Es geht für rund acht Meter flach, dann steil nach unten. „So etwas gab‘s noch nie“, meinte der gebürtige Franke. Beim Einstieg nach 35 bis 40 Metern hat man dann etwa 40 Stundenkilometer drauf.

Steil nach unten geht es für Joel Dufter auf dem Eisoval nicht. Aber der Eisschnellläufer vom DEC Inzell muss auch explosiv starten, denn er ist für die kurzen Strecken über 500 und 1000 Meter nominiert. Er bestreitet seine zweiten Olympischen Spiele, musste diesmal aber lange zittern, um die Qualifikation unter Dach und Fach zu bringen. Erst beim letzten Weltcup in Calgary hatte er die Norm in der Tasche – und das, obwohl er zuvor in Salt Lake City einen deutschen Rekord gelaufen war. Bei der EM lieferte er aber mit den Rängen sieben und fünf bereits gute Platzierungen ab und ist auch in Peking für Top-Ten-Ränge gut – wenn der 26-Jährige, der seit dieser Saison im norwegischen Sprintteam des ehemaligen kanadischen Top-Läufer Jeremy Wotherspoon startet, den Trubel um einen nicht-eindeutigen Corona-Test gut verdaut.

Einstige und aktuelle Leichtathleten, ein Pilot, ein Fast-Schreiner und eine Kämpfernatur

Florian Bauer wurde am 11. Februar 1994 in Altötting geboren. Der Töginger, 1,90 m groß und 99 kg schwer, fährt für den BRC Ohlstadt als Anschieber im Bob von Johannes Lochner. Das Hobby des früheren Leichtathleten ist Gitarre spielen, die bislang größten Erfolge sind WM-Silber im Viererbob sowie zwei EM-Titel.

Alexandra Burghardt wurde am 28. April 1994 in Mühldorf geboren. Die 1,82 m große Tögingerin startete im Sommer in Tokio bei den Olympischen Spielen über 100 m und mit der Staffel, mit der sie Fünfte wurde. Die schnellste Sprinterin Deutschlands wird den Bob von Olympiasiegerin Mariana Jamanka anschieben.

Joel Dufter wurde am 18. März 1995 in Traunstein geboren, ist 1,87 m groß und 84 kg schwer. Der Eisschnellläufer vom DEC Inzell ist zum zweiten Mal bei Olympia. Sein bislang größter Erfolg war EM-Bronze im Sprint-Mehrkampf im Jahr 2021. Wenn Dufter nicht zum Profisport gekommen wäre, „dann wäre ich Schreiner geworden“.

Christoph Hafer wurde am 14. April 1994 in Bad Aibling geboren, ist 1,96 m groß und 105 kg schwer. Der einstige Junioren-Weltmeister fährt für den BC Bad Feilnbach, trainiert am Olympia-Stützpunkt in Wiesbaden und bestreitet seine erste Olympiade.

Patrick Hager wurde am 8. September 1988 in Stuttgart geboren, ist 1,78 m groß und 84 kg schwer. Den gesamten Nachwuchs bestritt Hager in Rosenheim, aktuell spielt er für den EHC Red Bull München. Er war bereits Teil des deutschen Silberteams 2018. In einem Fragebogen bezeichnete er sich als „Kämpfernatur, Nervenbündel, Hundeliebhaber und Kopfmensch.“

Tobias Schneider ist am 2. Juli 1992 im mittelfränkischen Roth geboren. Der 1,86 m große und 97 kg schwere Anschieber fährt im Bob von Christoph Hafer und ist erstmals bei Olympia am Start. Der ehemalige Leichtathlet vom TV Eckersmühlen fährt für den BC Bad Feilnbach.

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