Raubling – Cian Uijtdebroeks und Luis-Joe Lührs sind seit Anfang des Jahres Profis beim Raublinger Radsportteam Bora-hansgrohe, das zuletzt beim Giro d’Italia einen denkwürdigen Gesamtsieg durch den Australier Jai Hindley feierte. Der 1,85 Meter große Belgier Cian Uijtdebroeks (19 Jahre) dominierte im Vorjahr im Bora-Farmteam Auto Eder die Rennen zusammen mit Luis-Joe Lührs (1,79 Meter/19 Jahre) fast nach Belieben. Der Sprung ins Profiteam war vorgezeichnet, doch jetzt wartet eine ganz andere Radsportwelt auf die beiden Nachwuchsfahrer.
Wie die ersten Monate waren, welche Ziele sie haben und wie sich zum Beispiel das Training verändert hat, erzählen die Radsportprofis im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion.
Wie muss man sich eine Verpflichtung durch das Team Bora-hansgrohe vorstellen, wie kam der Kontakt zustande?
Luis-Joe Lührs: Ich war ja schon im U19 Team Auto Eder unter Vertrag. Von da her ist man am Profiteam nah dran und quasi immer unter Beobachtung. Gegen Ende der Saison gab es dann erste Signale, dass es für einen Vertrag bei Bora-hansgrohe reichen könnte.
Cian Uijtdebroeks: Bei mir war das etwas anders. Ich hatte schon einen Profivertrag in der Tasche, als ich bei Team Auto Eder unterschrieben habe. Ich habe mich genau darum für Bora-hansgrohe entschieden, weil es mit dem Team Auto Eder eben auch ein Nachwuchsteam in der U19 gibt.
Welche Aufgaben haben Sie im Team?
Lührs: Für mich geht es einfach darum, zu lernen. Einerseits muss sich der Körper an das viel höhere Niveau und die neuen Belastungen anpassen, andererseits laufen die Rennen auch taktisch ganz anders. Ich will da einfach zum Erfolg des Teams beitragen.
Uijtdebroeks: Grundsätzlich ist das bei mir gleich. Aber ich durfte schon beim einen oder anderen Rennen auf Ergebnis fahren. Mit meinem 16. Rang bei der Tour of the Alps war ich zum Beispiel sehr zufrieden.
Wie haben sich die Trainingsumfänge oder -inhalte seit dem Wechsel verändert?
Lührs: Die Trainingsumfänge sind circa 20 Prozent höher geworden. Die Inhalte selbst sind sehr ähnlich. Dazu kommen dann noch die Rennen, die natürlich viel länger als in der U19 sind.
Uijtdebroeks: Das ist bei mir ähnlich.
Wie viele Kilometer müssen Sie im Training und bei den Rennen in der Saison abstrampeln?
Lührs: In diesem Jahr werden es circa 20000 Trainingskilometer und 6000 Rennkilometer sein.
Uijtdebroeks: Bei mir sind es etwas mehr Trainingskilometer, die Rennkilometer sind auch in etwa 6000.
Wie sieht Ihre normale Trainingswoche aus?
Lührs: Das hängt davon ab, ob Wettkämpfe waren oder anstehen. Aber wenn man von einem Rennen nach Hause kommt, dann stehen mal zwei bis drei Tage lockeres Training an. So ein bis zwei Stunden. Dann trainieren wir in Blöcken, meistens drei Tage am Stück so vier bis fünf Stunden mit unterschiedlichen Intensitäten. Und dann hat man noch zwei Tage lockerere Einheiten mit der Vorbereitung auf den Wettkampf.
Müssen Sie auf eine spezielle Ernährung achten?
Lührs: Natürlich. Es ist wichtig, sich sehr gesund zu ernähren, aber auch darauf zu achten, dass man dem Körper genügend Energie zuführt. Wir haben da ein eigenes Programm, bei dem wir je nach Trainingsintensität Kalorienvorgaben bekommen.
Hatten Sie in Ihrer Laufbahn einen Plan B, falls es nicht zum Profi reicht?
Lührs: Ich habe Abitur gemacht, das war Vorgabe meiner Eltern. Und im Augenblick studiere ich nebenbei BWL. Aber der Fokus gilt zu 100 Prozent dem Radsport.
Uijtdebroeks: Bei mir ist das auch so. Letztes Jahr musste ich die Schule fertigmachen. Das wollten meine Eltern so. Ich studiere nun auch nebenbei Psychologie.
Bereuen Sie es manchmal, Radrennfahrer geworden zu sein?
Lührs: Nein auf keinen Fall. Klar, man hat Respekt vor Stürzen, aber die Leidenschaft überwiegt.
Uijtdebroeks: Für mich es auch das Schönste überhaupt meinen Traum leben zu dürfen. Klar, es gibt Rückschläge. Aber das gehört eben dazu.
Dachten Sie schon mal ans Aufgeben?
Lührs: Harte Momente gibt es, da muss man durch, sonst schafft man es nicht. Das unterscheidet vielleicht auch die richtig Guten, die sich durchsetzen, von denen, die es nicht schaffen.
Wie sind Sie eigentlich zum Rennradfahren gekommen?
Lührs: In meiner Familie waren alle sportlich. Meine Mutter hat dann zufällig im Fitnessstudio den Trainer des örtlichen Radclubs kennengelernt. Da habe ich dann begonnen, Mountainbike zu fahren und bin später auf die Straße gewechselt.
Uijtdebroeks: Bei mir war das irgendwie total spielerisch. Ich bin im Garten immer mit einem Go-Kart Rennen gefahren, auf Kursen sie ich mir selber gesteckt hatte. Irgendwann war ich für das Go-Kart zu groß und bin auf das Fahrrad umgestiegen. So hat sich die Lust am Rennfahren entwickelt.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um Radsport-Profi zu werden?
Lührs: Ich glaube, man muss einfach sehr konsequent sein. Das ist wichtiger als Talent. Wobei ganz ohne Talent klappt es natürlich auch nicht.
Uijtdebroeks: Genau, man muss bereit sein hart zu arbeiten.
Gibt es Vorbilder oder Fahrer an denen Sie sich orientiert?
Lührs: Für mich war das zu Beginn meiner Laufbahn Marcel Kittel. Da hab ich immer die Tour de France im Fernsehen verfolgt und mitgezittert.
Uijtdebroeks: Nicht so richtig. Ich wollte schon immer meinen eigenen Weg gehen.
Was läuft im Profi-Radsport anders, als man es sich als Laie vorstellt?
Lührs: Ich würde sagen, die Rennen sind viel taktischer als man sich als Laie denkt. Man gewinnt nicht nur, weil man viele Watt tritt, da gehört viel mehr dazu.
Uijtdebroeks: Alleine die ganzen Positionskämpfe im Feld. Ich muss da so viel Energie aufwenden, um vor dem Anstieg vorne zu sein, dass ich schon etwas platt bin, wenn es losgeht. Ich glaube auch, dass man sich das von Außen kaum vorstellen kann, was da abgeht.
Was macht Sie besser, als andere junge Fahrer? Was zeichnet Sie aus?
Lührs: Bei mir ist das sicherlich das Auge für Rennsituationen. Ich kann Rennen gut lesen und setze meine Kraft dann im richtigen Moment ein.
Uijtdebroeks: Das ist schwer zu sagen. Ich kann einfach sehr viele Watt treten für mein Alter.
Wo müssen Sie sich unbedingt verbessern, um noch bessere Fahrer zu werden?
Lührs: Man muss sich in Ruhe entwickeln. Das braucht Zeit, die ich bei Bora-hansgrohe zum Glück habe. Im Grunde muss ich in allen Bereichen besser werden und das geht eben nur Schritt für Schritt.
Uijtdebroeks: Körperlich ist das bei mir genauso. Aber ich muss sicherlich auch noch taktisch viel lernen und mich besser im Feld behaupten. Da liegen im Moment meine Schwächen.
Was sind Ihre Ziele für die neue Saison? Wie lange läuft Ihr Vertrag?
Lührs: Mein Vertrag läuft bis Ende 2024. Im Moment ist die Lernphase. Im nächsten Jahr würde ich mich natürlich freuen, wenn ich mal selbst bei einem kleinen Rennen auf Resultat fahren könnte.
Uijtdebroeks: Mein großes Ziel dieses Jahr ist die Tour de l’Avenir. Darauf bereite ich mich vor. Das Rennen ist in der U23-Klasse, und da möchte ich natürlich ganz vorne dabei sein.
Wie oft sind Sie zuhause und gibt es überhaupt freie Tage? Wo wohnen Sie, wenn Sie nicht bei Rennen unterwegs sind?
Lührs: Freie Tage gibt es wenig. Ich wohne noch bei meinen Eltern zuhause. Wenn ich mal nicht mit Radsport beschäftigt bin, dann kümmere ich mich um mein Studium.
Uijtdebroeks: Das ist bei mir genau gleich.
Wie verbringen Sie am liebsten einen freien Tag?
Lührs: Um ehrlich zu sein, schaue ich dann am liebsten Rennen im TV und drücke meinen Kollegen die Daumen.
Uijtdebroeks: Ich bin am liebsten in der Natur bei den Tieren. Wir haben Hühner, aber auch Pferde und Schweine. Da finde ich meine Ruhe und habe viel Spaß.
Können Sie eigentlich auch mal mit Freunden abhängen, eine Party feiern?
Lührs: Abhängen kann mal schon mal. Aber so richtig feiern tue ich eigentlich nur im Herbst, wenn meine Saisonpause ist. Da kann man auch mal Spaß haben, ohne an morgen zu denken.
Uijtdebroeks: Das stimmt. Bei mir dreht sich generell alles um den Radsport oder eben die Zeit in der Natur. Party feiern ist nicht so mein Ding.
Intereview von Hans-Jürgen ZiegleR, Leon Simeth und Marinus Obermaier