Bad Endorf – Es gibt wahrlich schwierigere Termine für Dirk Schimmelpfennig. Bei der Ehrung der Olympia-Sportler der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf war der Vorstand Leistungssport des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) einer der Redner, er konnte loben und gratulieren und den Medaillengewinnern Präsente überreichen. Ansonsten ist der Nordrhein-Westfale, der bei den letzten vier Olympischen Spielen Chef de Mission des deutschen Teams war, derzeit aber mächtig gefordert. Die Pandemie sorgt für neue Herausforderungen, die Olympischen Spiele haben an Wertschätzung verloren und etliche Sportarten schwächeln. Im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion spricht der 60-Jährige, der als Diplom-Sportlehrer, Nachwuchstrainer und späterer Tischtennis-Bundestrainer den Sport von der Basis her kennt, über diese Themen.
Wie wichtig ist die Bundespolizeisportschule Bad Endorf für das deutsche Sportsystem?
Die überragende Bilanz macht deutlich, dass es ein sehr, sehr gutes und optimales Zusammenspiel von Leistungssport und Ausbildung sowie beruflicher Zukunft über die Karriere hinaus ist. Die Sportler sind sicher, können sich auf den Sport konzentrieren und brauchen sich über ihre Zukunft keine Sorgen zu machen. Das macht für die Sportler sehr viel aus und ist für mich ein wesentlicher Grund, dass die Athleten gerade hier in Bad Endorf so erfolgreich sind.
Nun gibt es in Bad Endorf ja die Möglichkeit zum verkürzten Aufstieg in den gehobenen Dienst. Auch das ist für die Sportler ein interessanter Zukunftsaspekt, oder?
Ohne Frage. Das gibt den Sportlern die Möglichkeit, auch noch eine Karriere im gehobenen Dienst der Bundespolizei anzustreben. Für leistungsorientierte Menschen, wie es Leistungssportler eben sind, ist das dann auch für die Bundespolizei eine interessante Konstellation.
Wenn dann top-dekorierte Sportler verkünden, dass sie gerne nach der Karriere bleiben wollen, ist das wohl das größte Kompliment!
Absolut. Das bekommen wir auch wieder von den Athleten gesagt. Das ist authentisch und die Athleten sind dankbar für die Möglichkeit, die sie im Zusammenspiel zwischen Bundespolizei und Leistungssport haben, und geben das für unser Land und Team D bei Olympischen Spielen mehr als zurück.
In Bad Endorf sind viele Wintersportarten präsent. Gerade im Wintersport haben zuletzt Sportler nachgelassen, die früher wahre Medaillenlieferanten waren, beispielsweise Eisschnelllauf. Wie kann man den Negativtrend stoppen?
Das ist ein Verband, der seit Jahren im Abwärtstrend ist, auch das Ergebnis bei den Olympischen Spielen war kein gutes. Da wird es für die Trendwende wichtig, dass man entsprechende Schritte geht, in diesem Fall auch erst einmal kleine. Die Schwimmer haben das ja auch gezeigt, als sie erst einmal über die Freiwasserstrecke erfolgreich waren. So muss man es auch im Eisschnelllauf machen: Schauen, wo es Medaillenpotenzial gibt, vielleicht im Teamwettbewerb. Aus meiner Sicht noch wichtiger ist aber, dass wir etwas im Bereich der Nachwuchsathleten und der Trainer für den Nachwuchsbereich tun. Da sind wir auch gefordert, müssen die Rahmenbedingungen verbessern und sehen, dass wir mehr Nachwuchstrainer in die Ausbildung bringen.
Der Skilanglauf hat ja auch gezeigt, dass es anders gehen kann!
Das ist ein sehr gutes Beispiel, weil man hier vor den Winterspielen schon sehen konnte, dass hier eine gute Generation von den Bundestrainern Peter Schlickenrieder und Axel Teichmann aufgebaut worden ist. Man war ein bisschen überrascht, dass sie in Peking schon so weit waren, Medaillen zu gewinnen. Aber das ist wirklich eine Generation, die im nächsten Olympia-Zyklus und hoffentlich dann bei den Spielen in Mailand und Cortina in der Weltspitze sein kann.
Schlickenrieder und Teichmann waren selbst Olympia-Medaillengewinner. Ist diese Konstellation ein Vorbild für andere Sportarten?
Ohne Frage. Das ist eine sehr gute Mischung. Sehr erfolgreiche Athleten, die im Sportsystem bleiben – und das ganze auch noch untersetzt mit einer Diplom-Trainerausbildung. Von daher hat man da noch einmal den wissenschaftlichen und methodischen Hintergrund plus die Praxiserfahrung. Wenn man dann eben die Leidenschaft, die man als Sportler hat, auch als Trainer besitzt, dann kann das zu einem solchen Erfolg führen.
Hier in der Region gibt es viele Weltcup-Sportstätten in Inzell, Ruhpolding, Reit im Winkl und am Königssee. Gerade im Eiskanal hat es zuletzt Medaillen geregnet. Wie sind die Aussichten für die bei der Flut zerstörte Bahn?
Die Gespräche laufen gerade. Dazu braucht es mindestens drei Beteiligungen, Kommune, Land und Bund. Das wird natürlich auch ein Stück strategisch gesehen, weil es eine von vier Bahnen in Deutschland ist. Aber es besteht kein Zweifel, dass es auch für die Region und für den Aufbau im Nachwuchs hier ganz wichtig ist, diese Option wieder zu schaffen.
Die Spiele in München jähren sich zum 50. Mal. Es gibt von den Sportstätten her wohl keine nachhaltigeren. Glauben Sie, dass das IOC nach den vielen umstrittenen Vergaben mit den künftigen Spielen in Paris, Mailand/Cortina und Los Angeles wieder auf dem richtigen Weg ist?
Ich denke ja. Ich glaube, dass man mit den Kandidaten, die man nun ausgewählt hat, im Sommersport kommt ja auch noch Brisbane 2032 hinzu, genau auf dem richtigen Weg ist. Wir müssen in der Gesellschaft Überzeugungsarbeit für unseren Sport leisten, gerade was den Leistungssport und die Olympischen Spiele betrifft. Die Gesellschaft muss auch die Wertigkeit kennenlernen. Ich glaube, dass wir jetzt Spiele in Europa erleben, die zelebriert werden, und nach denen man wieder mehr motiviert ist, diese im eigenen Land zu erleben. Die Konstellation mit Sotchi, Pyeongchang und Peking im Wintersport sowie Tokio unter Pandemiebedingungen war keine Werbung für Olympische Spiele.
Der Funke muss ja auch auf die Kinder hierzulande überspringen. Die Basis krankt. Was plant der deutsche Sport, um Kinder wieder zu begeistern?
Gerade durch die Pandemie ist die Bewegungsarmut noch größer geworden. Nach Corona haben wir ein Re-Start-Programm gestartet und mit der Politik ist ein Bewegungsgipfel angesetzt. Hier müssen wir die Weichen stellen, um mehr Sportangebote für die Kinder und Jugendlichen in unserem Kindergarten-/Schul- und Vereinssystem zu unterstützen. Das wird ein wichtiger Aspekt für unsere Gesellschaft in Sachen Gesundheit, gesellschaftspolitisch und in letzter Konsequenz auch für den Leistungssport.
Sie kommen ja vom Tischtennis. Hier in der Region ist mit Kolbermoor ein Bundesligist am Start, der auch schon deutscher Meister und Pokalsieger war. Wie haben Sie Kolbermoor wahrgenommen?
Ich habe den Aufstieg von Kolbermoor noch in meiner Funktion für den Deutschen Tischtennis-Bund wahrgenommen und habe das als unfassbar gute Entwicklung gesehen. Wenn ich heute draufschaue, dann ist Kolbermoor immer noch da und immer noch erfolgreich. Diese Konstanz spricht für den Verein, denn es ist im Bereich der Damen-Bundesliga nicht so einfach, so kontinuierlich erfolgreich zu arbeiten.