Kiefersfelden – „Da habe ich noch eine Rechnung offen“, gibt sich Manuel Lettenbichler nur kurz nach seinem wohl größten Erfolg weiterhin ehrgeizig. Der Kiefersfeldener hat sich mit einem Sieg im letzten Rennen in Spanien zum Hard Enduro Weltmeister gekürt – und das, obwohl die Saison alles andere als perfekt gestartet ist. Trotz des Titels ist der Hunger nach Erfolgen beim 24-Jährigen noch nicht gestillt und auch Ziele für die nächste Saison hat er bereits ausgegeben: Die Titelverteidigung – und in einem für ihn ganz besonderen Rennen Revanche zu nehmen.
Glückwunsch zum Titel. Wie fühlt es sich an, Weltmeister zu sein?
Es ist schon krass. Ich bin noch sprachlos. Ich habe am Anfang des Jahres nie erwartet, dass sich der Titel heuer ausgeht, weil ich mit einer Knieverletzung in das Jahr gestartet bin. Deswegen ist es immer noch ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist Wahnsinn, wie gut wir an den Wochenenden abgeschlossen und am Ende auch das letzte Rennen gewonnen haben.
Wie stark hat Sie diese Knieverletzung beeinflusst?
Ich habe mir meinen Meniskus richten lassen. Ich hatte mir den vor fünf Jahren schon gerissen und es ist immer schlechter geworden, deshalb habe ich im November gesagt, dass ich ihn richten lassen muss. Ich hab ihn dann am 4. Januar operieren lassen. Gott sei Dank ist das alles so ausgegangen. Am Anfang war geplant, dass man nur ein Stück rausschneidet, dann war er aber so zersetzt, dass er komplett genäht und rekonstruiert werden musste. Das war dann eine Geschichte von fast fünf Monaten. Ich bin bis Ende April nicht Motorrad gefahren. Das war am Anfang natürlich ein Schock, aber letztlich war es die richtige Entscheidung, es im Winter machen zu lassen. Ich habe das erste Rennen verpasst, weil ich noch nicht so weit war. Da dachte ich mir, dass das heuer sowieso nix wird, deshalb war das jetzt auch so spannend.
Wie schwierig war es, danach wieder in den Wettkampfrhythmus zu kommen?
Das hat mich gewundert. Ich bin zum zweiten WM-Lauf wieder an den Start gegangen und habe den auch gleich gewonnen. Es war aber eigentlich mein Plan, in die Top-Ten zu fahren oder überhaupt ins Ziel zu kommen. Ich war zwölf Wochen im Red Bull Performance Center auf Reha und habe mir da wirklich den Arsch abgearbeitet, es hat mich aber trotzdem gewundert, weil ich davor nicht viel Motorrad gefahren bin. Da sind wir auf einer hohen Note in die Saison gestartet.
Es kam dann dennoch auf das letzte Rennen an. Wie war Ihr Gefühl vor dem Start?
Ich war sehr nervös. Ich würde sagen: Ein Championship-Day ist immer anders als ein normaler Renntag. Ich bin bei jedem Rennen nervös, das gehört schon dazu. Wenn man das nicht hat, fehlt bei einem Sportler was, aber diesmal war die Nervosität sehr hoch. Ich hab aber gemerkt, dass ich sehr bei mir war und war froh, als es dann losgegangen ist.
Haben Sie sich auf Ihren Rivalen Mario Roman fokussiert?
Nein, der Fokus war nur bei mir. Ich wollte das Rennen einfach gut beenden. Ich wusste, dass es reicht, wenn ich Zweiter werde. Ich habe am Anfang des Rennens gleich einmal einen guten Vorsprung rausgefahren, das hat gepasst und dann haben wir geschaut, dass wir uns den Sieg noch holen. Ich habe schon gewusst, wo Roman ist, weil er als zweiter Fahrer hinter mir war, aber der Fokus war nur bei mir.
Hat Ihnen der Fakt, dass Sie auch Zweiter hätten werden können, während des Rennens Sicherheit gegeben?
Ich glaube, dass es mir ein bisschen Sicherheit gegeben hat. Natürlich will man dann aber auch noch einmal aufzeigen, warum man den Titel verdient hat, deswegen war mir der Sieg schon wichtig.
Was war denn letztlich das Erfolgsrezept für diesen Titel?
Gute Frage. Ich glaube, dass ich es in diesem Jahr einfach genossen habe, zu den Rennen zu gehen und dabei zu sein. Nach so einer langen Rennpause – das war eine meiner stressigsten Zeiten – war es cool, wieder Rennen zu fahren. Dadurch, dass ich den ersten Lauf verpasst habe, habe ich eher Rennen für Rennen gesehen und nicht das Ganze und war so bis zum letzten Rennen relativ entspannt. Ich dachte mir: „Ich habe ein Rennen verpasst. Wenn ich heuer nicht Weltmeister werde, stresst mich das auch nicht.“ Ich hatte so viele tolle Momente und diese Lockerheit hat mir die Sicherheit gegeben. Das war, glaube ich, das Erfolgsrezept.
Gab es auch während der Saison mal einen schwierigen Moment für Sie?
Die Saison ist wirklich relativ gut gelaufen. Ich hatte einmal Bike-Probleme bei einem Rennen, das war ein bisschen ärgerlich. Da habe ich dann zwei Stunden Zeitstrafe bekommen, weil ich Teile aus einem anderen Motorrad bei mir eingebaut habe. Sonst hätte es wirklich nicht besser laufen können.
Sie haben die Zeitstrafe bei den Romaniacs schon angesprochen. Nach dieser Strafe gab es noch einen Protest, der erst am letzten Saisonwochenende abgelehnt wurde. Wie haben Sie das miterlebt?
Beim Romaniacs-Wochenende wurde am ersten Tag Protest eingelegt, wodurch ich diese Zeitstrafe bekommen habe. Am letzten Tag ist dann wieder Protest eingereicht worden, weil die Leute nicht erwartet haben, dass ich vom 17. wieder auf den sechsten Platz vorfahre. Normalerweise muss man diesen Protest gleich machen und nicht Tage später. Ich habe es nicht ändern können, ich habe versucht, mich an die Regeln zu halten, aber es ist nicht leicht, irgendwo im Wald eine Kupplung zu finden. Des- wegen habe ich die einfach aus einem anderen Motorrad ausbauen müssen. Mich hat es aber gar nicht so gestresst, weil ich meiner Meinung nach nichts falsch gemacht habe und ich ja schon für zwei Stunden bestraft worden bin. Die Regeln sagen, dass diese Aktion von einer 30-Sekunden-Strafe bis zu einer Disqualifikation führen kann, ich glaube, da waren zwei Stunden sehr gerechtfertigt.
Ihr Vater Andi war auch Enduro-Fahrer. Wie viel Einfluss hat er auf Sie?
Er ist einer der wichtigsten Personen, die mich auf meinem Weg begleiten. Er ist bei den Rennen auch mein Haupt-Mechaniker und kümmert sich komplett um das Bike, und es ist natürlich cool, ihn dabei zu haben. Er hat auch sehr viel Erfahrung und es ist toll, wenn man da sein eigenes kleines Team in den Sport bringen kann.
Ist es ein Vorteil, dass Sie durch Ihren Vater so viel Erfahrung im Team haben?
Schlussendlich hat jeder Fahrer schon Erfahrungen. Mein Vater hat sehr viel davon, aber unter dem Rennen werden die Entscheidungen vom Fahrer getroffen.
Wie geht es für Sie weiter? Sie drehen gerade in Portugal, richtig?
Ja, ich bin jetzt beim Filmen für Red Bull. Am Freitag komme ich mal wieder nach Hause. Da freue ich mich wirklich darauf, weil das Jahr wirklich stressig war. Dann geht es im November schon wieder weiter nach Südafrika zur „Roof of Africa“-Rallye, einem der ältesten Hard-Enduro-Rennen der Welt. Dann ist es schon November, vielleicht fahre ich noch ein Rennen – und dann geht es nächstes Jahr wieder los mit trainieren und wir machen hoffentlich das Gleiche wieder.
Wirklich viel Pause gibt es also nicht?
Nicht wirklich. Die Rennen finden nicht an jedem Wochenende statt, das ist das Gute, dass man sich unter dem Jahr bisschen die Zeit rausnehmen kann, aber eine wirkliche Off-Season geht ab, deshalb muss man das ein bisschen planen. Ich möchte in diesem Jahr noch in den Urlaub fahren, ich weiß aber noch nicht, wann.
Den Weltmeistertitel haben Sie jetzt. Was ist Ihr Ziel für nächstes Jahr?
Ziel ist die Titelverteidigung und hoffentlich wieder ein paar coole Rennen dabei zu haben. Das Erzbergrodeo zu gewinnen war natürlich ein Highlight. Wir werden versuchen, erneut ein ähnlich gutes Jahr zu haben.
Gibt es noch eine Strecke, die Sie unbedingt gewinnen wollen?
In diesem Jahr habe ich es schon ganz schön gekillt, das muss ich zugeben. Ich würde gerne die Romaniacs noch einmal gewinnen. Da war heuer das Problem mit dem technischen Defekt. Das ist eines meiner stärksten Rennen, das habe ich die drei Jahre davor immer gewonnen, deshalb ist mir das schon wichtig, da noch einen Sieg zu erfahren. Da habe ich noch eine Rechnung offen.