Rosenheim – Mit erst 20 Jahren hat Markus Kempf den wohl größten Erfolg seiner Eishockey-Karriere gefeiert: den Aufstieg in die 1. Liga mit dem Sportbund Rosenheim, heute Starbulls Rosenheim. 30 Jahre später hat der Rosenheimer seine Schlittschuhe schon längst an den Nagel gehängt, ist aber weiterhin sportlich aktiv. Der 49-Jährige hat die Kufen gegen Laufschuhe getauscht und ist seit einigen Jahren als Triathlet unterwegs. Nun hat Kempf sogar beim Ironman in Hawaii, dem wohl wichtigsten Rennen der Welt, teilgenommen und diesen in zehn Stunden und neun Minuten beendet. Dafür qualifiziert hat er sich durch einen sechsten Platz in seiner Altersklasse beim Ironman Austria-Kärnten 2021.
Christian Vordermayer, ein Mitkonkurrent aus Traunstein, hat nach dem Rennen gesagt, das Finish auf Hawaii sei das Größte, was er je gemacht habe. Können Sie dieser Aussage auch zustimmen?
Ja, der Aussage kann ich auch zustimmen. Hawaii ist das Größte, was man, wenn man den Sport Triathlon macht, erreichen und machen kann. Als ich mit Triathlon angefangen habe, habe ich nur Hawaii gekannt. Ich hatte aber nie das Ziel, da hinzukommen. Für mich war Triathlon immer viele Verrückte. Ich wusste, dass es da was auf Hawaii gibt und die Athleten da den ganzen Tag unterwegs sind, ich wusste aber nicht, wie man so etwas machen soll.
Was macht Hawaii besonders?
Um Hawaii ist immer so ein gewisser Mythos, weil es die Geburtsstätte dieser noch jungen Sportart ist. Da ist der Sport erfunden worden und jeder, der Triathlon macht, verfolgt ganz genau, was da jedes Jahr auf Hawaii passiert.
Ihr Ziel war es nie, nach Hawaii zu kommen. War die Qualifikation überraschend?
Ja, war es. Ich habe vor der Qualifikation auch schon ein paar Rennen gemacht und habe gesehen, dass nicht viel fehlen würde. Es ist aber schwer, man wird älter und dann muss man nochmals schneller werden. Es hat mich überrascht, weil ich auch einer der älteren Starter in meiner Altersklasse war.
Wie haben Sie sich auf Hawaii vorbereitet?
Wenn ich so einen Langdistanz-Triathlon mache, dann ist das mein Hauptwettkampf für das Jahr und das überlegt man sich schon ein Jahr davor. Man muss sich zeitnah anmelden, weil die Startplätze auch schnell weg sind. Ich fange dann acht bis zehn Monate vorher mit einem leichten Training an, ganz nach Lust und Laune. Es wird dann aber im Laufe der Saison schon ernsthafter, das Entscheidende sind immer die letzten zwölf Wochen. Da habe ich mit meiner Familie auch einen Deal, dass ich da mehr trainieren darf, und versuche, richtig in Form zu kommen. Es ist aber ein langer Zeitraum, wenn man es wirklich herunterbricht, sind es ungefähr neun Monate.
Läuft die Vorbereitung bei jedem Teilnehmer so ab?
Das muss nicht so sein. Wenn man nur das Ziel hat, ins Ziel zu kommen, dann geht es auch in einem kürzeren Zeitraum. Immer vorausgesetzt, dass man schon Ausdauersport macht. Ich empfehle niemandem, der erst mit Ausdauersport anfängt, innerhalb von einem Jahr einen Ironman zu machen. Das wäre für Körper und Geist nicht sehr gut. Wenn man aber schon ein paar Jahre Sport auf dem Buckel hat und ein bestimmtes Ziel erreichen will, dann ist so ein strukturierter Aufbau schon hilfreich.
Hatten Sie denn ein bestimmtes Ziel?
In meinem Qualifikationsrennen hatte ich schon ein bestimmtes Ziel. Da wollte ich unter zehn Stunden in das Ziel kommen und das habe ich dann auch geschafft. Auf Hawaii selbst habe ich mir kein Ziel gesetzt, das war quasi nur die Kür für mich. Da wollte ich einfach mal dabei sein, das genießen und nebenbei auch einen schönen Urlaub mit der Familie machen. Ich habe in den ersten paar Tagen, in denen wir da waren, auch festgestellt, dass es nicht um eine persönliche Bestzeit geht, weil die Bedingungen einfach komplett anders sind als in Europa. Man hat da Wellen, Wind, Hitze und eine hohe Luftfeuchtigkeit, das ist alles viel herausfordernder als bei uns zu Hause.
Sie haben die schwierigen Bedingungen angesprochen: Ist das Rennen auf Hawaii mental oder körperlich anspruchsvoller?
Körperlich machen einem die Hitze und die Luftfeuchtigkeit zu schaffen, das kann man im Vorfeld auch echt schwer trainieren. Wir hatten an dem Tag sogar ganz gute Bedingungen mit Wolken und nur leichtem Wind, da hatten wir Glück. Beim Laufen war es aber ziemlich heiß. Die Strecke in Hawaii ist sehr monoton, man verbringt die meiste Zeit auf einer geraden Autobahn. Man ist da sehr einsam unterwegs, deswegen würde ich das Mentale als größere Herausforderung sehen.
Bei großer Hitze ist die Flüssigkeitszufuhr elementar wichtig. Wie lief das ab?
Es gab beim Radfahren alle 20 und beim Laufen alle zwei Kilometer Verpflegungsstellen. Beim Ironman ist die Verpflegung das A und O, da muss man sich vorher eine Strategie überlegen, wie man es macht. Ich habe geschaut, dass ich auf dem Rad jede Stunde 100 Gramm Kohlenhydrate und zwei Liter Flüssigkeit einnehme. Es ist wichtig, dass die Speicher nach dem Radfahren noch voll sind.
Ein Triathlon ist in drei Disziplinen unterteilt: Welche liegt Ihnen am meisten?
Meine Lieblingsdisziplin ist das Laufen. Da bin ich auch am stärksten. Das ist aber nur dann möglich, wenn ich mit genügend Energie versorgt bin. Wenn ich mich beim Radfahren schon verausgabe, wird der Marathon zum Wandertag.
Dann ist so ein Rennen ja auch sehr taktisch.
Ja, man muss sich vorher einen Plan zurechtlegen, muss aber auch einen Plan B haben. Triathlon ist ein Fehlervermeidungssport. Ich habe im Laufe der Jahre herausgefunden, was für mich passt. Beim Schwimmen versuche ich immer, Vollgas zu geben, weil ich die Arme danach nicht mehr brauche. Wenn ich auf das Rad steige, versuche ich, dass ich die ersten zwei Stunden locker angehe und wenn es sich gut anfühlt, danach mehr Gas zu geben. Aber das alles ist trotzdem kontrolliert.
Sie haben diesen Mythos Hawaii nun einmal erlebt: Würden Sie den Ironman noch einmal machen?
Es ist nicht geplant. Mir macht der Sport aber nach wie vor sehr viel Spaß, ehrlicherweise macht es auch ein bisschen süchtig. Wenn man es dann so sieht, ist Ironman mein Drogendealer und ich muss schauen, dass ich davon wegkomme. Nächstes Jahr mache ist erst einmal gar nichts und wenn der Spaß von alleine wieder zurückkommt, werde ich es vielleicht noch einmal anpacken.
Ihr sportlicher Weg ist ziemlich ungewöhnlich. Wie wird man vom Eishockeyspieler zum Triathleten?
Ich war bis Mitte 30 Eishockeyspieler und bin dann für drei Jahre komplett weg vom Sport. Ich war ausgebrannt, was das Thema angeht, und wollte mich darauf konzentrieren, in einem normalen Beruf Fuß zu fassen. Ich habe dann aber gemerkt, dass irgendetwas fehlt. Ich habe einen Bürojob und da sitze ich jeden Tag acht Stunden. Deshalb habe ich dann wieder langsam mit Laufen und Radfahren angefangen. So im Laufe der Zeit trifft man dann neue Leute und da sind auch zwei dabei, die Triathlon gemacht haben. Über diese Kollegen bin ich dann ganz langsam da reingeschlittert.
Wie haben Sie gemerkt, dass Triathlon ihre Sportart ist?
Das war nach meinem ersten Triathlon, den ich nur zum Spaß mitgemacht habe. Da wurde mir klar, dass ich das öfter probieren könnte. Diese Kombination ist komisch: In der einen Sekunde schwimmt man, dann sitzt man auf dem Rad und macht komplett etwas anderes und zum Schluss läuft man noch einmal. Das sind ganz aufregende Erlebnisse, die man innerhalb von einem Wettkampf hat und das zu kombinieren, macht einfach Spaß. Sport ist meine Freizeit und das bereitet mir Freude.
Eishockey und Triathlon sind verschiedene Belastungen. Wie schwer war diese Umstellung?
Das sind komplett unterschiedliche Sportarten. Beim Eishockey ist es wichtig, Schnellkraft und Explosivität zu haben. Es ist auch eine sehr technische Sportart. Triathlon ist genau das Gegenteil: Es geht um Ausdauer – und Technik ist nur beim Schwimmen wichtig. Wir hatten beim Eishockey immer unsere Leistungstests im Sommer und schon da habe ich festgestellt, dass ich bei Lauftests ganz vorne dabei bin. Umgekehrt: Bei allem, was im Kraftraum passiert ist, war ich immer eines der Schlusslichter. Ich dachte mir dann: Wenn ich beim Eishockey schon immer eine gute Ausdauer hatte, könnte Triathlon die richtige Sportart sein.
Sie haben Ihre Eishockey-Karriere vor 15 Jahren beendet: Wie verbunden sind Sie noch mit dem Sport?
Ich war ein paar Jahre komplett weg. Ich habe die Starbulls Rosenheim natürlich weiter verfolgt und auch ab und zu zugeschaut. Seit wenigen Jahren bin ich wieder stärker verbunden, weil mein Sohn bei der U15 in Rosenheim spielt und ich dann am Wochenende auch noch Co-Trainer mache, um auch bisschen etwas zurückzugeben. Ich habe damals in Rosenheim viel gelernt und habe dem Verein auch meine Karriere zu verdanken.
Wie viel Talent hat der eigene Sohn vom Vater mitbekommen?
Ich glaube, dass er auf jeden Fall mehr Talent hat als ich. Allerdings hat sich der Sport auch komplett geändert, von den Jungs wird viel mehr verlangt als von uns damals. Das Wichtigste ist, dass er Spaß hat und es gerne macht.
Haben Sie dann auch mitbekommen, was in den letzten Jahren im Rosenheimer Eishockey passiert ist?
Also bei der ersten Mannschaft bin ich nicht wirklich gut informiert. Ich weiß, dass sie heuer gut dastehen und ich wünsche ihnen auch, dass der Aufstieg klappt.
Dann bleiben wir lieber bei Ihrer Karriere. Haben Sie noch Kontakt zu alten Mitspielern?
Ich habe noch Kontakt zu einigen Kollegen, ein paar sind selbst aktive Läufer und Radfahrer. Auf der anderen Seite natürlich auch die Jungs, die dem Sport erhalten geblieben sind. Ich habe früher mit Martin Reichel zusammengespielt, der jetzt meinen Sohn in der U15 trainiert, aber auch bei anderen Vereinen bin ich immer wieder überrascht, dass ich da ehemalige Kollegen treffe, die jetzt Trainer sind.
Hatten Sie damals einen Lieblingsmitspieler?
Ja, Gabriel Krüger. Er war und ist ein Kumpel von mir, mit dem ich den ganzen Nachwuchs durchlaufen habe und dann auch später im Profibereich immer wieder zusammengespielt habe. Wir hatten den gleichen Spielerberater, der vermittelt natürlich oft an die gleichen Vereine. Er hilft, genauso wie ich, auch oft noch im Nachwuchs mit, weil sein Sohn genauso alt ist wie meiner und sie in einer Mannschaft spielen. Das ist so mein Dauergefährte.
Gibt es eine Erinnerung, an die Sie besonders gerne zurückdenken?
Ja, das war mein erstes Profijahr. Rosenheim ist damals aus der 1. Liga abgestiegen und wir waren Nachwuchsspieler bei den Junioren. Zehn Jungs haben dann die Chance bekommen, in die erste Mannschaft hochzurücken, weil Rosenheim erst einmal auf kleinerer Flamme begonnen hat. Wir hätten eigentlich in der 3. Liga anfangen sollen, sind aber in die 2. Liga reingerutscht und sofort wieder aufgestiegen. Das war natürlich ein Wahnsinnserlebnis, das ich so später nicht mehr erlebt habe. Da hat keiner mit gerechnet.
Dann war dieses Jahr sicher das prägendste Ihrer Karriere…
Es war auf jeden Fall das Highlight. Es war aber Fluch und Segen zugleich. Ich war damals 19 Jahre alt und wenn man dann in seinem ersten Profijahr so ein Jahr erlebt, dann denkt man in seinem jugendlichen Wahnsinn, dass es immer so weiter geht. Man muss dann erst einmal feststellen, dass es nicht so ist und man eigentlich mehr verliert, als gewinnt. Es gibt neben solchen Höhenflügen auch absolute Tiefpunkte, das lernt man dann erst nach und nach.