Rosenheim – „One hundred and eighty“– wenn Russ Bray, der bekannteste Caller (Schiedsrichter) des Dartsports, mit seiner rauchigen und extrem markanten Stimme diese Worte ins Mikrofon ruft, dann hat einer der Weltklassespieler bei der Weltmeisterschaft wieder einmal alle drei Darts in die Triple 20 gesetzt. Im legendären Dart-Mekka Ally Pally in London lief noch bis Dienstag die WM mit dem Endspiel als Höhepunkt. Bis zum Montag sorgte der Deutsche Gabriel „Gaga“ Clemens für eine bisher noch nie dagewesene Dart-Euphorie in Deutschland und auch in Rosenheim.
Beim 1. Billard- und Steeldartverein in der Klepperstraße 18b wurde das Montagsturnier um ein paar Stunden vorverlegt, damit man sich die Live-Übertragung des Halbfinales gegen den Engländer Michael Smith anschauen konnte.
„Wir sind jetzt jahrelang vor dem Fernseher gesessen und waren froh, wenn ein deutscher Spieler wenigstens eine Runde weitergekommen ist. Jetzt ist man natürlich total stolz, dass ein deutscher Darter wie Gabriel Clemens das Halbfinale erreicht hat. Das gibt unserem Sport definitiv einen Aufschwung‘‘, erklärte Matthias „Hirs“ Preiß, Sportwart Dart beim 1. BSDV Rosenheim.
An Gabriel Clemens begeistert Preiß vor allem, „wie unglaublich stark er mental war. Er hat den Weltranglistenersten Gerwyn Price im Viertelfinale soweit gebracht, dass er ,Gaga‘ mit dem Tragen von Kopfhörern aus der Ruhe bringen wollte, doch das war in diesem Spiel nicht möglich.“ Am Ende siegte Clemens mit 5:1
Nicht nur beim Dartverein in Rosenheim war die Begeisterung groß, sondern in ganz Deutschland waren die Einschaltquoten hoch wie nie zuvor. Auch Bayern-Star Thomas Müller outete sich als großer Fan des „German Giant‘‘, wie der 1,91 Meter große Clemens auch genannt wird.
Auch wenn Clemens das Halbfinale trotz guter Leistung relativ klar verlor, war die Stimmung in der Rosenheimer Spielstätte gut. „Der Bully Boy Michael Smith war einfach besser“, so die faire Einschätzung der Dartfans.
Selbst gehe man jetzt noch motivierter in die nächsten Ligaspiele. Die Rosenheimer spielen mit zwei Mannschaften im Ligabetrieb, der laut Matthias Preiß eine ähnliche Ligenstruktur wie beim Fußball aufweist: „Da geht es von der Bundesliga bis zur Kreisklasse.“
Die Rosenheimer spielen in der Bezirksoberliga, die aktuell vom SV Vagen Darts angeführt wird. Vagen ist einer der ersten reinen Steeldarts-Vereine im Mangfalltal und vermutlich der einzige Dartverein in der Region, der als Sparte eines großen, traditionsreichen Sportvereins mit einigen 100 Mitgliedern und fast 40-jähriger Geschichte organisiert ist.
Im Vergleich zum Dartsport in England steckt die Sportart in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen, wobei sich in den letzten Jahren doch einiges getan hat. Und nach dem bisher größten Erfolg eines deutschen Darters wird das Interesse sicher noch größer.
Vielleicht gibt es ja auch bald einen deutschen Weltmeister. Da würden die Rosenheimer Darter natürlich gerne dabei sein. Im Ally Pally in London.
„Bis jetzt waren wir noch nie dort, dafür sind wir aber regelmäßig in München. Das ist unser kleines Ally Pally. Da fahren wir mit dem Verein Anfang April auch wieder hin. Mit circa 25 Leuten, alle kostümiert und dann geht die Post ab. Immerhin spielt da auch ein Großteil der weltbesten Spieler,“ weiß Matthias Preiß, nimmt seine Darts und macht selbst beim Montagsturnier mit. Da ruft zwar keiner „One hundred and eighty“, aber Spaß macht es trotzdem.