München – Die Chiemsee-Region war leistungs- und zahlenmäßig bestens vertreten bei der Meisterehrung des Bayerischen Seglerverbandes (BSV) in München: Nicht nur Tina Lutz vom Chiemsee Yacht Club (CYC) in Prien, Olympia-Silber-Gewinnerin von 2021 in der 49er FX-Klasse, wurde für ihren grandiosen Erfolg gewürdigt (wir berichteten), es gab auch weitere heimische Segler, die im „Haus des Sports“ vom BSV-Präsidium um Sibylle Merk (Füssen) ausgezeichnet wurden.
Dank der Moderation von Axel Robert Müller wurden neben Lutz vor allem auch zahlreiche junge Segler ins Rampenlicht gerückt. Allzu frühe Erfolge des Nachwuchses sieht Landestrainer Tom Loewen (Tutzing) jedoch nicht nur mit einem lachenden, sondern auch mit einem weinenden Auge: „In die ambitionierten jungen Leute wird viel investiert nach dem Motto, das sind die Olympiasiger von morgen. Das beäuge ich jedoch auch kritisch, weil wir einen hohen Dropout haben und die Kinder ihrem Sport den Rücken kehren. Es ist sehr schade, wenn die Nachhaltigkeit fehlt.“ Probleme, mit denen natürlich auch andere Sportarten in ähnlichem Maße konfrontiert sind.
Auch aus leistungsmäßigen Gründen kann es übrigens eine Lösung sein, dass man „über die Grenzen von Bundesländern hinausschaut, um ein Team zu bilden“, so Loewen, was durch das erfolgreiche 420er-Duo Benedikt Knapp (Seeshaupt)/Riccardo Honold (Überlingen/Baden-Württemberg) eindrucksvoll demonstriert wird.
Markus Reger (Breitbrunn), seines Zeichens BSV-Vizepräsident, zeigte sich dennoch begeistert von den Erfolgen der (jungen) Chiemseer – und erklärte: „Neben unseren ganz jungen Seglern sind einige weitere besonders interessant: Sabine und Jens Kroker im Inklusionssegeln und Moritz Schleicher im Surfen – er hat in seiner Altersklasse U13 sowohl EM als auch WM gewonnen.“ Auch Regers Sohn Maximilian ist im Übrigen ein großes Talent: Bei der internationalen deutschen Meisterschaft 2022 wurde der CYC-Athlet Dritter in der U18, bei der Junioren-Weltmeisterschaft in derselben Altersklasse Achter in der ILCA 7-Klasse (ehemals Laser).
Schleicher lebt aktuell in Athen, wo sein Vater arbeitet, „und dort findet Moritz optimale Trainingsbedingungen vor“, betont Reger. Schleicher (Schwimmflöhe Bad Endorf) gewann im Jahr 2022 die Techno-293-WM in Limassol (Zypern) ebenso wie die EM auf Sardinien. Höchst beachtlich auch die Leistung des Ehepaars Kroker, das in der Inklusionsklasse RS Venture sowohl 2021 als auch 2022 Vizeweltmeister wurde. Beide starten übrigens für den SC Prien Chiemsee (SCPC). Auch die weiteren geehrten Chiemseer boten hochkarätige Leistungen. Im Einzelnen waren das Levi Sümmchen (Optimist/Ränge eins und drei bei der „Bayerischen“) und Jannis Sümmchen (420er/Junioren-Weltmeister und Deutscher Meister). Beide kommen ebenso vom CYC wie Severin Gericke und Xaver Schwarz, die in der 420er-Klasse die U17-WM 2022 am Balaton für sich entscheiden konnten, aber auch weitere Erfolge wie der sechste EM-Platz in Formia (2021) oder der Sieg bei den German Open 2022 in Warnemünde zu Buche stehen haben.
Vorzüglich setzten sich auch die Hamm-Zwillinge Moritz und Lucas (CYC) in Szene, die ihren Jahrgang 2008 im Optimist großartig vertraten: Moritz wurde unter anderem Schweizer Meister, deutscher Meister und EM-Fünfter, jeweils im Team Race, und feierte weitere internationale Erfolge wie die WM-Teilnahme in Riva del Garda. Zudem war er Zweiter der DODV-Rangliste 2021 (Deutsche Optimist-Dinghy-Vereinigung).
Lucas Hamm gewann sowohl die bayerische, als auch die österreichische Meisterschaft 2020 und wurde im darauf folgenden Jahr starker Zweiter bei der internationalen Schweizer Meisterschaft. Doch damit nicht genug: Die DODV-Rangliste 2021 dominierte er als Klassement-Leader.
„Es gibt für die Meisterehrung, die wir ja pandemiebedingt nun sogar für drei Jahre durchgeführt haben, eine Ehrenordnung, die man auf unserer Internetseite findet – auch wenn sie dort leider ein bisschen versteckt ist“, schmunzelte BSV-Vize Reger. Das Präsidium habe die Kriterien abgeklopft und versucht, „eine gerechte Einteilung zu finden“.
Den Höhepunkt bildete freilich die Auszeichnung für Tina Lutz, die Olympia-Silbermedaillengewinnerin von Tokio 2021. Sie riet dem Nachwuchs, Sport und Ausbildung zu verbinden. „Ich habe auch den Bachelor und den Master nebenbei gemacht“, sagte die 32-Jährige, die mit 15 Jahren als Opti-Weltmeisterin so richtig losgelegt hatte. Heute arbeitet sie in Tirol in der Personalabteilung von Novartis Pharma, dennoch plant sie ein Comeback beim Womens America’s Cup 2024 in Barcelona − zwei Jahre, nachdem sie ihre Karriere offiziell beendet hat. Der eine oder andere im Saal fasste die Comeback-Absichten von Lutz als kleinen Scherz auf, doch tatsächlich möchte die Holzhauserin (Landkreis Traunstein) mit dem Team des Norddeutschen Regatta-Vereins bei diesem Highlight dabei sein.
Passend zur Neuausrichtung des BSV präsentierte sich die Meisterehrung, die erstmals nach vielen Jahren wieder im „Haus des Sports“ über die Bühne ging, in neuem Glanz. Es gab kulinarische Köstlichkeiten aus Foodtrucks sowie eine lässige Party mit DJ Gerhard vom Chiemsee. An diesem gelungenen Abend, der von Dorothea Weigold aus Breitbrunn maßgeblich mitorganisiert wurde, hatte übrigens niemand das Gefühl, dass das Segeln eher eine Randsportart ist…cs