Rosenheim – Das Spiel war lang, dafür war die Nacht umso kürzer. Und, wie es sich gehört, hat der Kapitän abgeschlossen und die Wertsachen verwahrt. Gegen halb zehn Uhr hat Dominik Daxlberger am Samstagvormittag die Kabine der Starbulls Rosenheim im Rofa-Stadion verlassen. Mit dabei: der Pokal für den Meister der Eishockey-Oberliga.
Daxlberger hat ihn sich daheim neben das Bett gestellt, als er sich kurz ausruhte. „Es war dann auch das Erste, was ich nach dem Aufwachen wieder gesehen habe“, erzählt der Starbulls-Mannschaftsführer – und ergänzt: „Ein schöner Anblick“.
Sicherlich genauso schön war der Anblick etliche Stunden davor. Es war offiziell 22.52 Uhr, als die letzte Entscheidung im deutschen Eishockey für die Saison 2022/23 gefallen war. Brad McGowan hatte zum Solo angesetzt, die Weidener Defensive stehen gelassen und dann die Lücke zwischen den Schonern von Tormann Jaroslav Hübl erspäht. Mit einer Hand beförderte er den Puck durch die Lücke und über die Linie – das 2:1 in der 82. Minute eines einmal mehr sehenswerten Duells zweier herausragender Oberliga-Mannschaften.
„Ich habe keine Ahnung, wie das Tor gefallen ist. Ich bin dann einfach aufs Eis zum Feiern“, erzählt Verteidiger Florian Krumpe. „Jeder ist durchgedreht, als ich das Tor geschossen habe“, staunte McGowan. Und wie Stefan Reiter, der beim Solo mitgelaufen war und am langen Pfosten einschussbereit auftauchte, erklärte: „Handschuhe weg, Helm weg – und einfach ausrasten!“
„Die Sehnsucht vom Aufstieg war so groß“
Kapitän Daxlberger fand auch am Tag danach kaum Worte, was allerdings nicht an der angekratzten Stimme lag: „Es war der Wahnsinn, was dann los war, alleine der Lärm beim Siegtreffer!“ Gerade für ihn als gebürtigen Rosenheimer hat dieser Erfolg eine besondere Bedeutung. Schließlich hat er die vielen erfolglosen Versuche in Richtung Aufstieg miterlebt. „Die Sehnsucht war so groß“, bekennt er. Gerade deshalb sei es für ihn auch erst einmal Erleichterung gewesen, die nach dem Triumph abgefallen ist.
Meistertrainer Jari Pasanen, der erst seit vergangenem Sommer im Amt ist, schlug in dieselbe Kerbe: „Der Vorstand hat sechs, sieben Jahre dafür gearbeitet – und jetzt sind wir da!“ An diese Zeit dachte auch Vorstand Christian Hötzendorfer, der teilweise abseits der Feierlichkeiten übers Eis marschierte, um die vielen Gedanken zu ordnen. „Mir geht durch den Kopf, was zuletzt mit der Stadt passiert ist. Mich freut ungemein, wie wir gemeinsam die Menschen bewegt haben. Es sind alle da, ob Jung oder Alt, männlich oder weiblich, Fans, Familien und Unternehmer. Jeder hat über Eishockey geredet und man hat gemerkt, wie die Menschen dabei sind – das ist unglaublich schön.“
Für diesen neuen Hype hatten die Starbulls-Verantwortlichen auch einiges getan. „Die Arbeit von uns allen, Stadt, Mannschaft, das Team dahinter und die Geschäftsstelle – es ist Wahnsinn, was unsere Organisation da leistet“, so Hötzendorfer. Und er lobte die Mannschaft, die sich in der entscheidenden Phase der Saison äußerst zielgerichtet präsentierte. „Es ist dann dieses Gefühl, das keiner beschreiben kann. Dieses Gefühl hat die Mannschaft und uns bis hierher getragen.“ Ein Gefühl zwischen Sicherheit und Unerschütterlichkeit. Das sich durch bestimmte Situationen ergibt. Und so konnte die Starbulls auch nicht aus der Ruhe bringen, dass sie im siebten Play-off-Heimspiel hintereinander wieder mit 0:1 in Rückstand gerieten.
„Wir waren gegen Hannover 0:3 hinten. Wir haben nie aufgegeben, immer weitergemacht“, sagt Daxlberger. „Irgendwer musste dann das Tor schießen. Es war schon erleichternd, dass wir den Torwart geknackt haben“, meinte Tim-Lucca Krüger, Schütze des 1:1-Ausgleichs. So ein Gefühl innerhalb des Teams und in der Kabine führt dann auch dazu, nie die Nerven zu verlieren. „Wir haben viel Geduld bewiesen und das Ding dann erneut gezogen“, erklärte Norman Hauner die neuerliche Aufholjagd mit dem „Charakter der Mannschaft“.
Dass es diesmal mit dem Titel geklappt hat, war aber auch der Zusammenstellung des Kaders zu verdanken. Erfahrene Spieler, Akteure, die sehr mannschaftsdienlich agierten, und gelungene Nachkäufe wie Siegtorschütze McGowan, Topscorer MVP Norman Hauner oder Goalie Tomas Pöpperle, der gerade im letzten Saisonspiel einen blitzsauberen Eindruck hinterließ und damit die Einschätzung bestätigte, dass er das entscheidende Zünglein an der Waage im Titelkampf sein kann.
Gerade die Nachjustierungen auf dem Transfermarkt verschärften noch einmal die Sinne im Team und Umfeld. Der Fokus war klar auf Titelgewinn und Aufstieg in die DEL2 ausgerichtet. „Wir hatten den Auftrag, aufzusteigen“, erklärte Hauner. „Sie sagten von Anfang an, dass sie Meister werden wollten – und, hey, wir haben es geschafft. Das fühlt sich überragend an“, meinte Travis Oleksuk. Er und McGowan sorgten mit ihren Siegtoren in der Verlängerung in Weiden sowie im Heimspiel dafür, dass die Serie der Rosenheimer Siege in der Overtime in Play-off-Finalserien weiterhin Bestand hat.
McGowan vollendete damit eine Ansage von Coach Pasanen, wie Hötzendorfer verrät. „Als wir zur zweiten Verlängerung aus der Kabine rausgegangen sind, hat Jari zu mir gesagt: ,It ends now‘.“ 103 Sekunden später war es dann so weit. Auf finnisch würde Pasanen wohl verkünden: meillä on kuppi (Wir haben den Pokal). Fehlt nur noch der kurze Zusatz von Max Vollmayer: „Nie mehr Oberliga! Endlich!“