Rosenheim – Männer sind das stärkere Geschlecht? Franziska Höger ist das perfekte Beispiel dagegen. Die 29-Jährige ist professionelle CrossFit-Athletin und gilt als eine der stärksten Frauen Deutschlands. Dies hat sie nun auch wieder im Halbfinale der CrossFit-Games in Berlin bewiesen. Dort musste die Rohrdorferin sieben verschiedene Workouts absolvieren, für die sie Punkte bekam. Letztlich belegte die Rohrdorferin den 34. Platz – und war somit die drittbeste deutsche Athletin.
Wie zufrieden waren Sie mit Ihrem Ergebnis?
Rückblickend bin ich doch relativ zufrieden. Klar gibt es in jedem Workout Verbesserungspotenzial, dass man noch eine Sekunde schneller hätte sein können, was natürlich auch schnell die Plätze ausmacht, aber insgesamt bin ich mit meinem Einsatz schon zufrieden.
Bei welchen Workouts wäre noch mehr möglich gewesen?
Beim Kraftworkout, das ist eigentlich meine absolute Stärke, hatte ich Angst, dass ich zu schnell mache oder die Wiederholungen dann nicht mehr schaffe. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass ich noch mehr riskieren hätte können. Das ist mir in dem Moment nicht gelungen. Dennoch war ich stolz auf mich, dass ich meinen Plan umsetzen konnte. Das gilt dann als Motivation für den nächsten Wettkampf.
Sie sind in den Wettkämpfen eher auf Nummer sicher gegangen?
Ja, genau. Wir wussten die Tests bereits ein paar Wochen zuvor, das ist nicht immer üblich bei solchen Wettkämpfen. Deswegen konnten wir uns perfekt vorbereiten und je nach Stärken und Schwächen jeder seinen eigenen Plan aufstellen. Ich habe mich da manchmal zu sehr an meinen Plan gehalten und bin auf Sicherheit gegangen, da hätte ich vielleicht noch ein paar Plätze gutmachen können. Ich bin trotzdem sehr froh, weil ich gesundheitsbedingt zwei Jahre lang nicht auf der Wettkampfbühne gestanden bin und es deshalb auch eine solide Leistung war.
Im vergangenen Jahr waren Sie im Viertelfinale noch dabei, haben dann aber das Halbfinale verpasst. Wieso?
Ich musste leider kurz vorher absagen, weil ich gesundheitlich sehr angeschlagen und mit Long Covid zu kämpfen hatte. Ich konnte nicht die Leistung abrufen, die ich mir gewünscht hatte. Der Ehrgeiz ist natürlich immer da, deswegen war es eine sehr schwere Entscheidung, aber ich war so schlau und habe gesagt, dass ich nur den einen Körper habe und ihn nicht verheizen mag. Das war die einzig kluge Entscheidung.
Sie haben die Tests bereits vorher gewusst. Wie sah Ihre Vorbereitung auf den Wettkampf aus?
Wir wollen immer die Bestform zum Wettkampf haben. Das heißt, wir trainieren normalerweise mit viel Volumen, doch dann wird die Intensität höher und das Volumen runtergeschraubt, damit wir nicht vor dem Wettkampf schon körperlich gegen die Wand gefahren sind. Es ist natürlich schwierig, das perfekt zu timen, weil das bei jedem individuell ist. Das ist uns aber sehr gut gelungen. Zusätzlich haben wir alle Tests mindestens einmal durchgemacht und geschaut, welche Sachen mehr Aufmerksamkeit brauchen. Wir mussten zum Beispiel auf den Händen laufen, uns einmal drehen und dann weiterlaufen. Das haben wir nochmal spezifisch geübt.
Wie sieht die Ernährung in der Vorbereitung aus?
Generell geht es darum, so unverarbeitet wie möglich und genug zu essen. Es ist gar nicht so leicht für Frauen, aber es ist wirklich wichtig, ausreichend zu essen, damit man hormonell stabil ist und performen kann. Das ist auch ein Prozess, in den ich erst reinwachsen musste. Vor einem Wettkampf esse ich viele Kohlenhydrate, um meine Speicher aufzufüllen. Während des Wettkampfes ist die Ernährung eher ungesünder, weil man schnelle Energie braucht. Fett und viele Ballaststoffe lässt man weg, weil das einfach viel Verdauungsarbeit benötigt. Im Alltag ist es wichtig, viel Gemüse zu essen, damit man Nährstoffe bekommt. Magnesium, Kalium und Omega3 sind super wichtig.
Wie viel Hilfe bekommen Sie von Trainern?
Ich habe einen Remote Coach, das heißt, ich werde individuell gecoacht, aber nicht vor Ort. Ich bin aber vor Wettkämpfen natürlich noch enger in Kontakt mit meinem Trainer, als sonst. Um alles Weitere, also Ernährung und so, muss ich mich selbst kümmern. Das ist dann auch ein finanzieller Aspekt. Ich bilde mich aber auch selbst fort, weil mich das interessiert. Die Branche ist groß und kostet viel Geld, da ist es wichtig zu wissen, was ich wirklich brauche. Da habe ich auch über vier Monate eine Ausbildung bei einem Arzt gemacht, der über sowas aufklärt.
Also fehlen Ihnen einfach auch die Sponsoren…
Genau. In Deutschland ist die Sportart recht langsam auf dem Vormarsch. Ich war vor Kurzem erst im Trainingslager in Finnland, da ist der Sport viel weiter verbreitet. Da wissen die Leute auch sofort, was man macht, wenn man sagt, man macht CrossFit. In Deutschland werde ich oft gefragt, ob ich Fußball spiele oder Kämpfer bin. Wenn ich sage, dass ich CrossFit mache, wissen die Leute meistens gar nichts damit anzufangen. Da sieht man auch, wie träge der Sport sich entwickelt. Dementsprechend ist es in Verhandlungen mit Sponsoren auch schwierig, zu zeigen, wie facettenreich dieser Sport ist.
Ein Hilfsmittel könnte Social Media sein…
Total. Das ist ein bisschen Segen und Fluch. Es ist die perfekte Seite für einen Athleten. Wenn man da viel liefert, ist es natürlich auch attraktiv für Sponsoren. Die Kehrseite ist leider, dass oftmals dann gar nicht die Leistung zählt, sondern wie gut man sich selbst vermarkten kann. Ich finde das narzisstisch, wenn man sich deshalb so präsentiert. Oftmals werden dann Leute unterstützt, die in der Rangliste weit von mir entfernt sind. Man muss in diesem Spiel gut sein, um davon zu profitieren. Ich trainiere vier bis sechs Stunden am Tag, da ist es schwierig, nebenbei noch sein eigener Videograf und Content Creator zu sein.
Wie wollen Sie dieses Thema in Zukunft angehen?
Ich versuche, meinen Weg zu finden und möglichst authentisch zu bleiben. Ich habe gemerkt, dass die sozialen Medien jemanden auch verändern. Man findet sich selbst nicht mehr so toll und hat gar nicht mehr die Fähigkeit, im normalen Alltag einen Austausch mit Leuten zu haben, weil man sich viel über die eigenen Abonnenten definiert. Ich möchte Instagram als positives Tool benutzen, die Leute in meinen Alltag mitnehmen und viel von den guten Seiten zu profitieren. Meine Community ist nicht so groß, aber super unterstützend, das gibt mir auch einiges zurück. Auf dieser Welle versuche ich weiter zu surfen und nicht die Schattenseite zu sehen. Im individuellen Sport vergleicht man sich schnell mit anderen Leuten und landet in einer Negativspirale, deshalb versuche ich, sehr intelligent mit Instagram umzugehen.
Haben Sie im Alltag oder in den Medien auch schon negative Erfahrungen gemacht?
Ja, vor allem im Sommer, wenn man sich im Bikini zeigt. Da hört man die Leute dann schon reden und merkt, dass man extrem lange angeschaut wird. Vor allem am Anfang war es nicht so leicht für mich, damit umzugehen. Beim CrossFit ist es ganz normal, so auszusehen, doch im Alltag wird einem schnell bewusst, dass es doch nicht so normal ist. Man bekommt dann auch Kommentare, auch anonym, in den sozialen Medien, dass da bestimmt chemische Substanzen im Spiel sind. Mittlerweile habe ich aber gelernt, damit umzugehen. Im CrossFit geht es auch nicht darum, wie man aussieht, sondern was man leisten kann. Deshalb bin ich auch stolz darauf, wie ich aussehe.
Gibt es auch positive Beispiele?
Ja. Manchmal bekomme ich Nachrichten, in denen Leute sagen, dass ich Vorbild bin, das ist schon krass. Auch bei der EM haben sich so viele Leute Urlaub genommen, um mit mir nach Berlin zu fahren. Wir waren über 30 Leute, die mich laut angefeuert haben. Das berührt mich dann schon sehr.
Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass es Leute gibt, die Sie als Vorbild sehen?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe es immer nur für mich gemacht. Ich sehe aber, wie unterschiedlich die Leute trainieren und wie sehr sich das Mindset von mir unterscheidet. Bei mir hat sich nie die Frage gestellt, ob ich ins Training gehe oder es ausfallen lasse und Party mache. Ich habe das stumpf abgearbeitet, dadurch konnte ich auch so schnell Fortschritt machen. Es ist aber interessant, so viele Menschen zu treffen und zu merken, wie anders man ist.
Wie sind Sie zu diesem Sport gekommen?
Ich habe in meinem Studium mit diesem Sport angefangen. Ich habe damals ein Video auf Youtube gesehen, da wurde eine Box – so heißt das, wo wir trainieren – und die Gemeinschaft dahinter gezeigt und das hat mich so fasziniert. Ich komme ursprünglich vom Triathlon und immer ein Einzelkämpfer zu sein, hat mich auch gelangweilt und gestresst. Im CrossFit macht zwar jeder sein eigenes Workout, doch eigentlich trainiert man in einer Gruppe zusammen, sodass wir nebeneinander leiden. Das hat mich fasziniert. Zudem bin ich von zu Hause weggezogen und war bisschen verloren. Deshalb war es für mich wichtig, in einer unterstützenden Gemeinschaft zu sein. Dadurch dass ich mich so wohl gefühlt habe, bin ich auch sehr oft dort gewesen. Ich habe dann gemerkt, dass ich schneller Fortschritte mache als andere Leute. Es ist wirklich wichtig, dann konstant zu sein und durchzuziehen, dadurch bin ich dann auch so erfolgreich geworden.
Hilft Ihnen beim CrossFit auch Ihr Beruf?
Ich bin Physiotherapeutin und Trainerin. Ich trainiere also auch andere Leute und versuche sie, nach Verletzungen, zurück zum Sport zu bringen. Oftmals sind Leute sehr unsicher und da bin ich dann das Bindeglied zwischen Reha und der Sportart. Ich sehe mich selbst auch als Experiment. Ich habe auch mal Schmerzen, merke aber, dass ich mit bestimmten Übungen aus diesem Schmerz rauskomme. Immer in Bewegung zu bleiben hilft mir körperlich und seelisch. Trainieren ist für mich mittlerweile wie Zähneputzen und gehört zu meiner festen Routine.
Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die mit dem Sport anfangen wollen?
Ich würde ihnen raten, erst einmal eine schöne Location zu finden und die Kurse zu machen. Dadurch ist man nie alleine und es ist immer ein Trainer dabei, der mithilft. Wenn man dann langfristig Lust hat, auch an Wettkämpfen teilzunehmen, würde ich einen eigenen Coach empfehlen, mit dem man spezifisch an den eigenen Schwächen arbeiten kann.