Ruhpolding – Noch vor zehn Jahren kämpfte Theresa Jost mit Franziska Preuß (SC Haag) und Marion Wiesensarter (ehemals Deigentesch/SV Oberteisendorf) um die Podestplätze in der Gesamtwertung des Biathlon-Deutschlandpokals in der Jugend II (J18 und J19). Doch während Preuß ein fester Bestandteil des deutschen Weltcup-Teams ist und Deigentesch auch schon zahlreiche internationale Einsätze hinter sich hat, ging Jost einen anderen Weg: Die ehemalige Junioren-WM-Teilnehmerin absolvierte zunächst ein Studium (Sportökonomie) in Bayreuth und ist bereits seit gut vier Jahren beim Biathlon-Weltverband IBU aktiv.
Für diesen organisierte sie zuletzt auch ein IBU-Camp in der Ruhpoldinger Chiemgau-Arena. „Ich bin für alle die Ansprechpartnerin. Ich schaue, dass alle wissen, wo jeder sein muss.“ Zudem „habe ich das Trainingsprogramm mit Martina Seidl und Matthias Ahrens abgesprochen“. Die Staffel-Olympiasiegerin von 1998, Seidl, und der langjährige Coach der kanadischen Nationalmannschaft, Ahrens, leiteten dabei sowohl Sportler als auch Trainer der beteiligten 16 Verbände an.
Je ein Trainer und zwei Athleten pro Verband konnten teilnehmen, die Kosten übernahm fast komplett die IBU mit dem IOC – wobei der Biathlon-Weltverband aber einen höheren Anteil zahlt. Allerdings: Für die Anreise gab es eine Pauschale, „und bei Teams mit weiter Anreise kann es sein, dass die Kosten da nicht vollständig gedeckt sind“, erklärt Jost.
Zu Gast waren vor allem Vertreter aus schwächeren Verbänden. Denn der Weltverband möchte, dass möglichst viele Nationen auch auf höchster Ebene konkurrenzfähig sind. „Es lief alles sehr gut“, freut sich Jost. „Allgemein betreue ich Projekte im Entwicklungsbereich, aber auch Themen wie Nachhaltigkeit und Geschlechter-Gerechtigkeit“, fasst sie ihr breit gefächertes Aufgabengebiet zusammen.
Die Bayerisch Gmainerin – die inzwischen in Traunstein lebt – beendete ihre aktive Karriere als Biathletin bereits in jungen Jahren. „Ich habe leider die Motivation ein wenig verloren“, erinnert sie sich. Sie gehörte zum ersten Jahrgang, der am CJD in Berchtesgaden in der Biathlon-Gruppe mitmachte. Das damalige Konzept sah vor, dass die Aktiven jede zweite Woche komplett in Ruhpolding zum Training verbrachten – und dann den Schulstoff in ihrer freien Zeit selbstständig nachholen mussten. Nach drei Jahren war das Abitur geschafft, aber „es gab nur Schule und Sport und nichts außenrum“. Das führte bei Jost dazu, dass sie an Motivation verlor. „Und dann kannst du keine Leistung bringen“, war ihr klar.
So entschloss sie sich zum Studium. Der damalige IBU-Sportdirektor Felix Bitterling fragte bei ihr an, als eine Stelle im Verband frei wurde. Nach einem Bewerbungsgespräch mit der damaligen Generalsekretärin bekam Jost die Stelle. „Es ist ein Vorteil, wenn man selbst Biathlon betrieben hat.“ Schließlich kenne man so auch besser die Wünsche und Ansprüche der Aktiven.
Unterstützung für
nationale Verbände
Im ersten Jahr in der IBU durchlief sie praktisch alle Abteilungen. Als 2020 die Entwicklungsabteilung gegründet wurde, begann sie dort mit ihrer Chefin. „Wir wollen die nationalen Verbände unterstützen und ihnen helfen, Strukturen aufzubauen. Ein weiteres Ziel ist es, mehr Kinder in den Sport zu bringen. Wir helfen auch beim Kauf von Lasergewehren und Luftgewehren.“ Hinzu kommt jährlich im Rahmen des Weltcups in Hochfilzen eine Materialausgabe – zum Beispiel Skistöcke, Schuhe, Munition, Sportkleidung – an Entwicklungsverbände im Wert von fast einer Million Euro.
Ebenso wichtig ist das Thema Nachhaltigkeit. 2020 wurde vom Weltverband eine Strategie entworfen, „bis 2030 wollen wir möglichst klimaneutral werden. Das heißt, wir wollen die Emissionen um gut 50 Prozent reduzieren, der Rest soll durch Offset-Credits (CO2-Ausgleiche) erreicht werden.“ Einmal jährlich gibt es ein „Snow-Network“, bei dem Fachleute der OK’s neben externen Experten wichtige Tipps zur Schneeproduktion und zur Lagerung geben.
Zuletzt wurden auch Flour-Wachse komplett verboten. Auch Blei in der Munition – schädlich für die Menschen und die Umwelt – ist ein wichtiges Thema. Gemeinsam mit der Europäischen Chemikalien-Agentur ECHA – einer Einrichtung der EU – werden hier Lösungen gesucht. Klar ist: „Die meisten Emissionen entstehen aber bei Reisen von Teams und Fans zu Events. Die OK’s müssen ihre Emissionen berechnen und versuchen, sie zu reduzieren.“ Ganz vermeiden könne man die Reisen nicht: „Der Sport soll ja international bleiben, daher sind das oft komplexe Entscheidungen.“
Es ist also ein vielseitiges Aufgabengebiet, das Jost – die im Mai befördert wurde und nun IBU Development Project Coordinator ist – zu bewältigen hat. Vielseitiger geworden sind auch die Aufgaben der IBU. „Als ich angefangen habe, waren wir ungefähr ein Dutzend Leute. Jetzt sind wir in etwa 30, die da arbeiten“, weiß Jost, die besonders die familiäre Atmosphäre im IBU-Hauptquartier in Anif bei Salzburg genießt. Dort verbringt sie „rund 90 Prozent“ ihrer Arbeitszeit. „Auswärtige“ Aufenthalte wie beim Camp in Ruhpolding sind für sie eher die Ausnahme.
Sie selbst ist sportlich noch sehr aktiv: „Ja, ich habe noch genügend Zeit zum Langlaufen, Radeln oder für Skitouren. Nur Biathlon geht leider nicht – denn das gibt es ja nicht als Breitensport…“ Aber zumindest kann sie sich für ihren Lieblingssport einsetzen und dazu beitragen, dass ihre ehemaligen Teamkolleginnen wie Preuß und Wiesensarter möglichst gute Bedingungen bei den Wettkämpfen vorfinden…who