Rosenheim – Miriam Kauer ist eine der schnellsten Leichtathletinnen in Bayern und hat sich auch schon in Deutschlands Spitze etabliert. Sie wird am 18. September 20 Jahre jung, ihren Geburtstag feiert die Sprinterin des TSV 1860 Rosenheim allerdings nicht mehr in der Heimat, sondern schon in den USA, wo sie ein Stipendium erhalten hat. Was sie von ihrem Studium in der University of Louisiana erwartet, wie sie trotz intensivem Training ihre fantastische Abiturnote erreicht, was sie in Zukunft erreichen will, wann die Bahn Wellen schlägt und das Gras neongrün wird, erzählte sie zusammen mit ihrem Trainer Hans Buchner, Abteilungsleiter der Sechziger-Leichtathleten, in einem Gespräch der OVB-Sportredaktion. Miriam Kauer über…
…den Zufall, wie sie zur Leichtathletik gekommen ist: Als ich klein war, habe ich geturnt, aber das habe ich dann aufgehört, als ich ins Gymnasium ging. Dann habe ich ein Jahr lang nichts gemacht und bin bei den Bundesjugendspielen von meinem Sportlehrer Tom Onischke angesprochen worden, dass ich unbedingt in den Stützpunkt kommen soll. Von da ging es dann zur Leichtathletikabteilung des TSV 1860 Rosenheim.
…ihren Wechsel von den Sprungdisziplinen auf ihre Spezialdisziplin 400 Meter: Ich habe relativ viele Sprungdisziplinen gemacht, mochte das auch sehr gerne, aber mein Knie hat das nicht mehr mitgemacht. Deshalb wechselte ich zu den Laufdisziplinen. Jetzt laufe ich alles von 100 bis 400 und sogar auch 800 Meter, aber die laufe ich tatsächlich nur, wenn ich muss.
…über die Qualen nach den längeren Läufen: Ich finde die 800 Meter noch anstrengender, als die 400. Nach 800 Metern ist man anders tot. Auf der Strecke merkt man eigentlich schon nach 400 Metern, dass man nicht mehr kann. Man muss aber noch einmal dieselbe Strecke schaffen. Die 400-Meter-Strecke ist eine Sprintdisziplin und das Problem ist, dass man auf den letzten 100 Metern eine extreme Sauerstoffschuld hat. Da sieht man plötzlich erstaunliche Veränderungen: Die Bahn schlägt Wellen, das Gras wird neongrün. Manchmal kommt die schlimme Phase erst ein paar Minuten nach dem Rennen.
…das Training bei 1860 Rosenheim: Ich bin normalerweise viermal in der Woche auf der Bahn, manchmal auch fünfmal und dann kommen noch ein- bis zweimal die Woche Krafttraining dazu. Nicht nur Beine, sondern das Gesamtpaket, weil man ja zum Laufen auch die Schultern braucht und auch die Stabilität sehr wichtig ist.
…einen Spruch von Fußballtrainer Felix Magath, dass Qualität von Qual kommt: Das ist definitiv so. Manchmal sitze ich im Training da und denke mir: Warum mache ich das überhaupt. Am liebsten würde ich das nie mehr wieder tun und fünf Minuten später laufe ich schon wieder.
…ihre starken schulischen Leistungen und den fantastischen Abiturschnitt von 0,9: Auf dem Papier ist das aber eine 1,0. Ich hatte jetzt nicht wirklich das Gefühl, dass mir etwas entgangen ist. Ich bin jetzt auch nicht der Mensch, der abends fünf Stunden feiert. Das gibt mir einfach nichts. Das ist dann wahrscheinlich auch die Zeit, die ich rausgeholt habe, um im Sport und in der Schule gute Leistungen zu bringen. In der Schule hatte ich sogar noch Zeit für Chor, Orchester und Theater.
…das in Kürze beginnende Studium in die USA: Ich bin letztes Jahr nach einigen Wettkämpfen angeschrieben worden, dass ich vermittelt werden könnte. Irgendwann habe ich mir das dann genauer angeschaut und mir gedacht, dass das natürlich interessant ist, weil die Förderung im Sport neben dem Studium viel besser ist. Wenn ich bei uns studiere und gleichzeitig Sport mache, dann leidet letztendlich beides darunter und das ist in den USA deutlich besser. Dann habe ich mich dazu entschlossen, mir das genauer anzuschauen, und habe eine Uni in Louisiana gefunden, an der ich mein Physikstudium weiterführen kann. Zuletzt war ich mit dem ganzen Bewerbungsprozess gut beschäftigt. Jetzt fliege ich Anfang August in die USA und dann schauen wir mal, was dabei rauskommt.
…ihr Physikstudium und was sie später machen will: Mit einem Abschluss bin ich Physikerin mit einem Bachelor of Science. Damit kann ich zum Beispiel in die Forschung gehen oder auch als Quereinsteigerin Lehrerin werden. Tatsächlich haben Absolventen des Physikstudiums eine so hohe Frustrationstoleranz im normalen Leben, dass sie quasi überall reinkommen.
…ihr Vollstipendium und ihre Erwartungen: Ich bekomme die Unterkunft, die Verpflegung und ganz viele Sportsachen gestellt. Zum Beispiel fünf Paar Schuhe pro Jahr. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich damit machen soll. Selbst übernehmen muss ich die Krankenversicherung und die Flüge. Wie ich mich in der Leichtathletik entwickle, kann ich jetzt noch gar nicht genau sagen. Ich weiß nicht, wie mir das Klima taugt, wie das Training dort ist. Ich kann also jetzt nicht sagen, dass ich erwarte, drei Sekunden schneller zu laufen. Aber ich gehe schon davon aus, dass man das Training im Laufe der Zeit deutlich merkt. Ich werde fünfmal die Woche trainieren und auch auf wirklich guten Wettkämpfen sein und deshalb bin ich da schon sehr hoffnungsvoll. Mein Trainer Hans Buchner traut mir über die 400 Meter auf alle Fälle eine 53er-Zeit zu.
…ihre Ernährung: Darauf werde ich tatsächlich immer wieder angesprochen. Ich mache da gar nichts, ich esse eigentlich immer, worauf ich Lust habe und es ist nicht so, dass ich Kalorien zähle oder ich möglichst viele Proteine oder Salat esse. Wenn ich Defizite habe, dann habe ich auch Lust darauf das zu essen und so funktioniert das zumindest bei mir ziemlich gut.
…die Ziele für die nächsten Monate und Jahre: Ich habe das für mich gar nicht so festgelegt. Ich will eigentlich nur wissen, was ich alles erreichen kann. Ich mag das jetzt nicht an internationalen Erfolgen oder an einer Olympia-Teilnahme festmachen. Natürlich wäre es cool, mal bei einer Europameisterschaft zu laufen. Das ist schon so ein kleiner Traum von mir.
…eventuelle Vorbilder: Ich war bei der letzten EM als Zuschauerin dabei und das ist natürlich schon sehr beeindruckend, was da zum Beispiel eine Alexandra Burghardt leistete. Ein richtiges Vorbild habe ich nicht, aber es ist schon toll, wenn man sieht, dass es Menschen gibt, die das mit noch mehr Herzblut machen als ich.
…die Möglichkeit wie Alexandra Burghardt, einen Bob anzuschieben: Erstens bin ich sehr kälteempfindlich und mein Startpotenzial ist jetzt nicht so gut, dass ich einen Bob schnell anschieben könnte. Meine Priorität liegt eindeutig bei der Leichtathletik. Das ist einfach die Sportart, mit der ich mich identifizieren kann und die mir einfach super viel Spaß macht.
…ihre anderen Talente in der Leichtathletik: Ich bin im Dreisprung sogar mal bayerische Meisterin geworden. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass bei den 100 Metern etwas fehlt, dass es bei den 200 Metern deutlich besser ist und die 400 Meter für mich am besten passen. Ich habe schnell die Qualifikation für die bayerische Meisterschaft geschafft und ein Jahr später habe ich mich auf der Strecke schon um drei Sekunden verbessert.
…Erfolge, an die sie sich sofort erinnert: Ich habe vier bayerische Meistertitel gewonnen und natürlich bleibt der Endlauf bei der deutschen Meisterschaft hängen. Etwas ganz Besonderes war es für mich, als ich das erste Mal an die 56,0 rangelaufen bin. Als dann erstmals die 55 auf der Anzeigentafel stand, war ich erst einmal zwei Wochen lang glücklich.