„Ich trainiere was der Körper hergibt“

von Redaktion

Ulrich Richter ist Europameister und mit 87 Jahren noch immer motiviert

Wasserburg – Der gebürtige Wasserburger Ulrich Richter ist schon immer der Leichtathletik treu verbunden. Jüngst feierte er zwei riesige Erfolge bei den Senioren-Europameisterschaften im italienischen Pescara.

Mit der Leichtathletik begann er mit 18 Jahren. Im Jahr 1954 ging er damals zum TSV Wasserburg – und ist übrigens seit dieser Zeit – ganze 69 Jahre – noch immer Mitglied beim Traditionsverein der Inn-Stadt. Und im kommenden Jahr 2024 ist er dann bereits ganze 70 Jahre dabei. „Ich habe dem Verein einfach so viel zu verdanken, dass ich mein ganzes Leben dabei sein will“, erzählt Richter stolz. Im Verein war sein erster Förderer der damalige Rektor der Volksschule am Gries, Willi Schuhbeck, ebenso wie später auch Rudi Gerer. Der Sportplatz befand sich damals am Gries in der Nähe des heute stationierten Wasserburger Bauhofs. „Wir Leichtathleten hatten damals eine stadionrunde Aschenbahn gebaut, die wir immerhin auf knapp 380 Meter Länge brachten“, verriet der einst in der Dekra berufstätige Sachverständige. „Allerdings wurde die Anlage damals noch oft vom Inn überflutet.“

Gründungsmitglied der Basketballer

Als Wasserburger Athlet startete Richter als Sprinter und Springer seine Karriere. „Ich war damals schon sehr vielseitig“, weiß der Routinier, der in seiner Zeit bei zahlreichen bayerischen und oberbayerischen Meisterschaften am Start war. Knapp 25 Zehnkämpfe und 15 internationale Fünfkämpfe absolvierte er zugleich erfolgreich im Wasserburger Trikot.

Im Jahr 1959 zog es ihn nach München zu einem Maschinen- und Fahrzeugbau-Studium, doch nach Wasserburg pendelte er zu dieser Zeit immer wieder. Parallel entstand nämlich zu dieser Zeit auch die Wasserburger Basketball-Abteilung, wo Ulrich Richter sogar ein Gründungsmitglied ist.

„Damals zog Joe Brandl von München nach Wasserburg und er hat uns gezeigt wie das mit dem Basketball so funktioniert“, so der 87-Jährige. Brandl als damaliger Spieler von Jahn München formte damals auch eine Bezirksliga-Mannschaft, wo auch Ulrich Richter knapp zehn Jahre aktiv mitspielte, doch „mit der Leichtathletik habe ich nie aufgehört“. In der langjährigen ruhmreichen Zeit und im Zuge der deutschen Titel der Wasserburger Basketball-Frauen wurde Richter deshalb oft in den Zuschauerrängen bei den Bundesliga-Spielen gesehen. Bis heute ist Ulrich Richter der Leichtathletik im Trikot des TSV Unterhaching treu geblieben. „Früher war ich eben Läufer und Springer, später habe ich im Alter dann auf den Wurf umgerüstet“, so der stets faire Sportler. „Ich trainiere immer noch was der Körper hergibt und würde am liebsten täglich Sport machen“, so der Ingenieur.

„Täglich geht nun allerdings nicht mehr, denn ein alter Körper braucht länger, um sich zu erholen.“ Sein Training absolviert er zum einen auf der Vereinsanlage in Unterhaching und zum anderen fährt er auch zum Hammerwerfen nach Moosach, denn „als Hammerwerfer bist du nie gerne gesehen, weil du oft den Platz ein wenig zu stark mit dem Wurfgerät beanspruchst und Löcher in die Wiese produzierst.“

Ein typischer Tag in seinem Sportprogramm beginnt am Morgen mit einem Krafttraining und später geht es noch auf den Sportplatz zum Werfen. „Ich bin oft alleine und dies ist auch nicht schlimm, da ich im Training ja nicht zum Ratschen bin, sondern etwas machen will“, weiß Richter. „Die Corona-Verbote im Sport und die verbundenen Sperren der Anlagen haben uns Senioren sehr geschadet, denn im Alter benötigt man in der Leichtathletik vor allem Krafttraining.“ „Mein Arzt hat auch schon festgestellt, dass mein biologisches Alter weit unter dem ist als das, was im Ausweis steht.“ In der Leichtathletik sind in seiner Altersklasse der Senioren M85 natürlich nicht mehr extrem viele Sportler aktiv, dennoch hat er sich ein Ziel gesetzt:

„Ich will mit meiner Leistung vor allem selbst zufrieden sein, deshalb spielt die Platzierung eigentlich für mich keine Rolle und da bin ich deshalb schon sehr kritisch mit dem was ich leiste“, sagt der dennoch sehr erfolgreiche Sportler über sich selbst. Dennoch weiß er auch ganz genau: „Der Sport hält einen länger fit und jünger ebenso bist du reaktionsfähiger und wenn du ein Ziel hast, bringt es dich weiter.“ Dabei gilt es, dass „über Wehwehchen nicht gejammert wird und auch nicht auf die guten alten Zeiten zurückgeblickt wird.“

Auch seine Wettkampffahrten unternimmt er meist selbstständig mit dem Auto. Trotz seines hohen Alters ist Ulrich Richter nach wie vor motiviert: „Ich fühle mich noch nicht alt und der Sport hält einen ja fit – sowohl den Körper als auch den Kopf.“

Wichtig ist für ihn beim Sport auch, dass alle Muskeln beansprucht werden müssen. „Wenn ich mal keine Lust habe, dann treibt mich meine Frau Martina zum Sport an“, witzelt der Athlet, denn neben der Leichtathletik ist er gerne mit seinem Hund Peppino unterwegs, geht gerne ins Theater und in die Oper, isst gerne gut, ebenso zählen Wandern und Radfahren zu seinen Hobbys.

„Mein absoluter Saisonhöhepunkt“

Bei den Senioren-Europameisterschaften in Pescara feierte Ulrich Richter jüngst zwei riesige Erfolge, denn „dies war ja auch mein absoluter Saisonhöhepunkt.“ Überlegener Europameister wurde der 87-Jährige im Wurffünfkampf der Senioren M85. Mit ausgezeichneten 2900 Punkten gewann er Gold vor Marko Sluga aus Slowenien mit 2452 Zählern und dem Italiener Daniele Lotti (3./1659 P.). Mit 24,59 Meter im Hammerwurf, 7,19 Meter im Kugelstoßen, 21,45 Meter im Diskuswurf, 22,20 Meter im Speerwurf und 10,33 Meter im Gewichtwurf distanzierte er sich immer mehr von seinen Gegnern. Die wertvolle Bronzemedaille sicherte er sich zugleich im Diskuswurf:

Mit 22,18 Meter musste er nur dem Norweger Herman Kristoffer Henriksen mit 25,86 Meter (1.) und Hubert Scheuer von der TG Würzburg mit 22,84 Meter (2.) den Vortritt lassen. Dabei witzelte Richter: „Dem Scheuer habe ich als langjährigen Kameraden zwei Schokobohnen im Wettkampf geschenkt, deshalb hatte er dann wohl so viel Kraft für ein paar mehr Zentimeter, um mich zu schlagen.“ „Wir haben die EM mit einem familiären Badeurlaub verbunden, denn dabei waren meine Frau, meine Tochter mit Familie und zwei Hunde.“ Wichtig war für ihn bei seinem Wettkampfauftritt, dass er es auf das begehrte Stockerl schafft und auch viele alte Freunde seiner langen Wettkampfzeit wieder trifft. Trotz seiner Erfolge möchte der erfahrene Athlet künftig ein wenig ruhiger treten. „Großveranstaltungen sind einfach stressig und zu reglementiert“, weiß der Athlet, der in seiner Karriere schon unzählige nationale und internationale Medaillen und Titel gewann und oft vor Ort mit einem kleinen Wagen seine knapp 15 Kilogramm schweren Wurfgeräte über den Sportplatz ziehen muss. „Bei nicht so weit entfernten Ereignissen werde ich sicher schon noch starten.“

Artikel 1 von 11