Rosenheim – Miriam Schnitzer war früher professionelle Tennisspielerin, hat bei Grand Slams mitgespielt und das Viertelfinale der German Open erreicht. Das Ganze ist nun schon mehr als 20 Jahre her und mittlerweile wohnt sie mit ihrer Familie in Rosenheim.
Im OVB-Exklusiv-Interview erzählt die 46-jährige Schnitzer, die lange in Ingolstadt gelebt hat, dass sie Tennis nie ganz losgelassen hat.
Ihr größter sportlicher Erfolg war das Viertelfinale der German Open. Wie war das für Sie damals?
Das Erlebnis war schon außergewöhnlich. Da liegt in der Hotellobby die Bild-Zeitung und man sieht einen großen Artikel mit seinem Bild neben dem von Venus Williams. Das war für mich alles neu und das passiert auch nicht alle Tage. Im Viertelfinale habe ich dann gegen Justine Henin gespielt, die hatte zuvor Venus Williams besiegt. Ich hätte allerdings auch gerne gegen Venus Williams gespielt, muss ich sagen, weil der Name schon mächtig ist.
Ein Jahr nach dem Erreichen des Viertelfinales beendeten Sie als 25-Jährige Ihre Tenniskarriere. Was war der ausschlaggebende Punkt? Hatten Sie Ihr Ziel schon erreicht?
Mein Ziel war die Top 100. Viele sagen, das hätte ich auch schaffen können. Aufgehört habe ich damals teilweise aus privaten Gründen. Ich war schon lange mit einem Freund zusammen. Dazu kam dann noch das Reisen. Das war für mich Fluch und Segen zugleich. Es ist schön, keine Frage, wenn man so viel erleben kann. Aber es gibt natürlich auch schwierige Erlebnisse, wo man bei einer Gastfamilie wohnen muss, weil das Hotel voll oder falsch gebucht war. Das ist dann nicht unbedingt ein schönes, gewohntes Umfeld. Da bist du dann auch mal im achten Stock und musst deine Sachen hoch schleppen, weil der Aufzug kaputt ist. Das war eine Erfahrung außerhalb von dem Luxus, den man sonst bei Tennisturnieren hat. Aber für diesen Luxus muss man sich auch erst einmal in der Tenniswelt etablieren. Das heißt, man muss jeden Tag, jedes Jahr wieder den Titel und Rang verteidigen. Man muss sich jede Woche neu beweisen und besser werden, das sollte das Ziel sein. Aber es ist nicht so einfach.
Das Reisen war für Sie also ein ausschlaggebender Punkt, um mit Tennis aufzuhören. Hat Einsamkeit da auch mit rein gespielt?
Tennis ist ein Einzelsport. Das heißt, man kämpft für sich alleine. Ich habe die Erfahrungen machen müssen, dass ich auf der Tribüne nicht unbedingt Freunde hatte, auch wenn sie mal geklatscht haben. Man wusste nie, ob es ehrliches Klatschen ist. Aber das gehört dazu, das ist der Sport. Man hat wenig Freunde. Bei einem Grand Slam ist das was anderes, weil da die Männer auch mit dabei sind. Dann macht es ein bisschen mehr Spaß. Zum Beispiel in Wimbledon, da wollte Goran Ivaniševic meiner Mutter und mir Schachspiel beibringen. Das war ganz witzig. Da lernt man eine andere Seite vom Tennis kennen, aber am Ende ist man dennoch allein. Vor allem wenn man jung ist. Da hat man nicht gleich einen Masseur oder Trainer dabei, weil das Geld kostet, das man am Anfang nicht so zur Verfügung hat. Das heißt, du musst alleine fliegen. Ich weiß, wenn ich zu den Australian Open geflogen bin, da habe ich dazwischen, ob das Hongkong oder Dubai war, auf dem Flughafen einfach viel geweint. Ich wollte wieder nach Hause. Im Nachhinein eigentlich bescheuert, weil man in den jungen Jahren so viel hätte sehen können. Aber für mich selbst war es einfach nur meine Arbeit. Ich musste da Erfolge einfahren. Aber man beißt sich dann da durch und wenn man dann Erfolg hat, zehrt man sehr lange davon.
Sie haben sich also häufig unwohl gefühlt. Hat es dann überhaupt Spaß gemacht?
Wenn es mir nicht Spaß gemacht hätte, hätte ich aufgehört. Ich hatte da auch meinen Papa, der voll hinter mir stand und gesagt hat, wir ziehen das durch, da es mir Spaß macht. Ohne die Unterstützung der Eltern geht das alles gar nicht. Ich kann mich erinnern, als ich mit meinem Papa aufs erste Turnier gefahren bin. Da waren Tschechen dabei und die wohnten in einem Wohnwagen. Die haben teilweise ihre Existenzen dafür hergegeben, also ihre Häuser verkauft, dass sie es sich leisten konnten, mit ihren Kindern auf der Tour mitzureisen. Das ist natürlich schon Wahnsinn, was die aufgegeben haben.
Sie haben erwähnt, dass Ihr Vater Sie sehr unterstützt hat. Wie war er als Trainer?
Mein Papa hat mir immer viele Freiheiten gelassen. Aber es gab auch Situationen, wo er klare Ansagen gemacht hat. Als ich sieben, acht Jahre alt war, hatte ich schon fünf- bis sechsmal die Woche Training, neben Schwimmen, Konditionstraining und allen anderen möglichen Sachen. Wenn ich dann bei den Nachbarn mit den anderen Kindern im Pool war, hat am Nachmittag mein Papa gerufen, dass wir zum Training müssen. Da musste ich dann, ob ich wollte oder nicht, aus dem Pool, mich umziehen und dann auf den Tennisplatz. Das war der Preis, den ich zahlen musste, und die anderen Kinder durften weiter planschen. Deswegen habe ich meinen Papa trotzdem wahnsinnig lieb gehabt und heute bin ich ihm noch sehr dankbar dafür, denn er hat sein Leben für mich komplett geopfert.
Sie sind jetzt keine Profi-Tennisspielerin mehr. Was machen Sie stattdessen beruflich?
Ich bin staatlich geprüfte Tennis-Trainerin und bin bei der Tennisschule Goodball in Bad Aibling angestellt. Außerdem arbeite ich einen Tag die Woche im Modeladen Sego Concept Store. Das ist ein toller Ausgleich für mich, ich liebe Mode, den Laden, die Umgebung und die Leute. Mit meinen zwei Jobs bin ich jetzt komplett angekommen.
Allgemein hat Tennis jetzt wieder einen Platz in Ihrem Leben. Bereuen Sie Ihre Profikarriere, wenn Sie zurückblicken?
Bereuen nicht, sie war Fluch und Segen zugleich. Es war Wahnsinn, weil mein Leben anders verlaufen ist wie bei vielen anderen Jugendlichen. Ich kannte keine Discos. Ich kannte es nicht mit meiner Mutter in der Küche Plätzchen zu backen, denn in der Weihnachtszeit war ich bereits in Australien. Freunde zu haben war auch schwierig, weil sich Leute häufig profilieren wollten. Aber Tennis ist immer noch ein großer Teil meines Lebens und es wird es auch immer bleiben. Ich habe mein Hobby zu meinem Beruf gemacht.
Wie gefällt Ihnen Ihr Beruf als Tennistrainerin? Spielen Sie auch wieder regelmäßig?
Als Trainerin will ich den Kindern, die gut werden wollen, was beibringen. Das ist jetzt im Winter aber schwierig, da wir in Bad Aibling dringend eine Halle benötigen. Ich merke schon, dass bei den guten Schülern mein Ehrgeiz wieder raus kommt, also dass ich die ein bisschen drille, wenn sie es wollen. Aber in erster Linie sollte es den Kindern Spaß machen und Freude bereiten. Als Tennistrainerin spiele ich auch wieder. Ich schaue auch Tennis wieder wahnsinnig gerne, aber spiele höchstens mal zum Spaß. Zum Beispiel mit meinem langjährigen Freund Django Asül, dem Kabarettisten. Zu der Zeit habe ich in Florida auch Otto Waalkes kennengelernt und mit ihm Tennis gespielt. Jetzt spiele ich mit Django vor manchen seiner Auftritte ein bisschen Tennis und am Abend gehe ich mit meiner Familie zu seiner Show. Die nächste ist im Januar in Ingolstadt, da spiele ich mit Kabarettisten Tennis und die treten dann am Abend auf.