Rosenheim – Auf dem Leistungsniveau der Profis entscheiden oft die kleinen Dinge über Sieg oder Niederlage, über „Maillot Jaune“ oder „Lanterne Rouge“. Auch wenn Radrennen und Eishockey unterschiedlicher nicht sein könnten, die Vertreter der beiden Sportarten teilen sich dieselbe Geheimwaffe. Wer besser schläft, hat im Training und im Wettkampf die Nase vorn. Jeder von uns tut es jeden Tag, doch die Profis auf ihre eigene Art.
Nicht nur körperlich, auch mental wird den Akteuren alles abverlangt. Dabei ist nicht nur die Länge der Ruhepausen von Bedeutung. Vor allem ist die Qualität des Schlafs der entscheidende Faktor. Denn Forschungen haben gezeigt, dass in der Tiefschlafphase die meisten Reparaturprozesse im Körper stattfinden. Es genügt daher nicht einfach, eine bestimmte Anzahl von Stunden zu schlafen, sondern es gilt darauf zu achten, dass „die Tiefschlafphase ausreichend lang ist, um optimale Regenerationsprozesse zu ermöglichen“, so Dan Lorang, Head of Performance vom Radsportteams Bora-hansgrohe aus Raubling. „Äußere Faktoren wie Raumtemperatur und Matratzenbeschaffenheit beeinflussen den Schlaf der Fahrer erheblich. Im Sommer kühlen wir die Zimmer vor dem Schlafengehen auf optimale 18 bis 19 Grad, um Klimaanlagen nachts zu vermeiden. Für Allergiker verwenden wir spezielle Matratzenbezüge, und manche Teams tauschen sogar die kompletten Matratzen aus. Zusätzlich bringen Fahrer ihre eigenen Kopfkissen mit, um eine vertraute Schlafumgebung zu schaffen und die Schlafqualität zu verbessern“, ergänzt Lorang. Zahlreiche Etappensiege bei allen Grand Tours sowie Gesamtsiege beim Giro d´Italia (2022) und dem prestigeträchtigen Paris-Roubaix (2018) sprechen für die aufwendigen Maßnahmen.
Die Faktoren für eine gute Schlafqualität sind für die meisten Menschen dieselben. Individuell sind hingegen die Schlafmuster. In der Schlafwissenschaft spricht man von sogenannten „Eulen“ und „Lerchen“. Besser gesagt: Morgenmensch und Nachteule. Diese Präferenzen sind laut Lorang „nichts, was sich jemand antrainiert hat, sondern das ist wirklich so. Das gibt es wirklich.“ Diesen Rhythmus anzupassen ist eine Herausforderung.
„Ich habe meine
Matratze dabei“
Im Radsport beginnen die Wettkämpfe meistens am späten Vormittag oder mittags. Die Anspielzeiten im Eishockey dagegen sind meistens am Abend. Vielen Spielern bereiten Abendspiele Schwierigkeiten, wenn es um die Erholung geht. So auch Sebastian Streu, Stürmer der Starbulls Rosenheim in der zweiten Deutschen Eishockey-Liga (DEL2): „Nach dem Spiel kann ich gar nicht schlafen, meistens komme ich auf drei bis vier Stunden Schlaf, weil mein Körper einfach noch voll aufgedreht ist. Da komme ich einfach nicht zur Ruhe.“ Der 24-Jährige hat mittlerweile seine eigenen Schlaf-Routinen etabliert: „Am Montag und Dienstag habe ich meistens meinen Mittagsschlaf, wenn ich nach dem Sonntagsspiel kein Auge zubekomme. Und vor dem Spiel, denn sonst bin ich mental einfach durcheinander.“ Auch bei Auswärtsfahrten darf die Routine im Mannschaftsbus nicht fehlen: „Ich habe immer meine Matratze und meine Augenklappe dabei, dass die Sonne mich nicht stört. Und sogar wenn ich nicht müde bin, mache ich meine Augen zu und irgendwann schlafe ich dann auch ein.“
Studien zeigen, dass der menschliche Körper nach etwa 30 bis 40 Minuten in die Tiefschlafphase übergeht. Deshalb empfehlen Experten, einen Mittagsschlaf von etwa 90 Minuten, um tagsüber die bestmögliche Regeneration zu erzielen. Mehr Schlaf kann sich sogar kontraproduktiv auswirken und Müdigkeit auslösen. „Ich schaue immer, dass ich mindestens meine achteinhalb Stunden in der Nacht hinkriege. Tagsüber versuche ich fast zwei Stunden zu schaffen. Viele machen meistens so 20, 30 oder 40 Minuten. Ich fühle mich aber immer besser, wenn ich dieses ausgeschlafene Gefühl habe“, erzählt Streu. Zu welchem Zeitpunkt sich der Körper des Athleten in der Tiefschlafphase befindet, lässt sich messen. Das machen sich sowohl Streu als auch das Bora-hansgrohe-Team zunutze. „Die Körpertemperatur sinkt um ein Grad, wenn man in die Tiefschlafphase kommt. Und man beobachtet auch, wenn die Temperatur nicht absinkt, dass dann eben auch die Tiefschlafphase extrem kurz ist. Zum Beispiel nach einem harten Rennen, wenn der Körper sehr stark nacharbeitet, kann es schon passieren, dass du gar nicht dahin kommst. Oder wenn es einfach zu warm im Raum ist, dann kommt es auch nicht zur Absenkung der Körpertemperatur“, so Lorang.
Gehirnströme und
künstliche Intelligenz
Auch der Starbulls-Stürmer zeichnet seinen Schlaf auf, um die Qualität seiner Regeneration zu messen. Mittels Fitnessuhr werden Werte wie Körpertemperatur und Herzschlag erfasst, um die Dauer und Häufigkeit der Tiefschlafphase zu ermitteln. Lorang würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: „Ich könnte mir vorstellen, dass man in Zukunft die Gehirnströme der Athleten misst. Je besser ich den Schlaf tracken kann, desto mehr kann ich auch Einfluss nehmen.“
Und auch künstliche Intelligenz (KI) kann Leistungssportlern in Zukunft helfen, noch mehr aus ihrem Körper herauszuholen: „Bei der Auswertung der erfassten Daten kann uns KI natürlich viel Arbeit abnehmen“, erklärt Lorang. Wenn es darum geht, gewisse Zusammenhänge in großen Datensätzen zu identifizieren, ist KI deutlich schneller und effizienter als das menschliche Gehirn. „Wenn du am Ende des Tages nur noch Daten auswertest, aber gar nicht mehr mit dem Sportler arbeitest – das ist ja nicht das Ziel der Sache. Von dem her sehe ich da großes Potenzial für KI“, ergänzt Lorang. In Zukunft wird das Thema also mit Sicherheit nicht an Wichtigkeit verlieren. Mit fortschreitenden technischen Möglichkeiten wird die Steuerung des Schlafes wohl immer mehr Einzug in den Leistungssport finden.