LA-Killer als L.A.-Hoffnung

von Redaktion

Der frühere Rosenheimer Stürmer Jim Hiller ist neuer Cheftrainer in der NHL

Los Angeles/Rosenheim – „Wir werden Rosenheim nie vergessen. Da war dieses Herbstfest, es war das Oktoberfest in klein. Das Bier schmeckte köstlich und es war eine Attraktion, dorthin zu gehen. Unsere Erlebnisse und Eindrücke waren so positiv, dass wir mit dem Gedanken spielen, nach Deutschland zurückzukehren. Vielleicht als Coach in der DEL, vielleicht auch nach Rosenheim?“ Das sagte Jim Hiller vor mehr als einem Jahrzehnt, als er zu seiner Zeit als Eishockeyprofi in der Innstadt befragt wurde. Mit einer Rückkehr nach Rosenheim wird’s wohl nix, denn Hiller ist der neue Cheftrainer bei den Los Angeles Kings in der nordamerikanischen Profiliga NHL. Und damit einzigartig, denn nachdem es schon NHL-Drafts und NHL-Spieler, ja sogar Stanley-Cup-Sieger aus Rosenheim gegeben hat, ist Hiller nun der erste ehemalige Rosenheimer, der als Coach in der besten Liga der Welt tätig ist.

Ein Treffer für die
Eishockey-Historie

Insgesamt fünf Jahre spielte der Kanadier in Deutschlands Oberhaus, von 1996 bis 1999 in Rosenheim und danach noch zwei Jahre bei den Berlin Capitals. An der Mangfall kam er in 144 Spielen auf 53 Tore und 92 Vorlagen, sprich 145 Scorerpunkte. Speziell ein Tor hat es zu besonderer Erwähnung in der Rosenheimer Eishockey-Historie geschafft. Am 3. Januar 1997 erzielte Hiller den Siegtreffer im Derby über Landshut und sicherte den Star Bulls damit den Einzug in die Meisterrunde und die Play-offs. 6300 Zuschauer bejubelten dieses Tor zum 3:2 in der zweiten Minute der Verlängerung frenetisch – und der kanadische Angreifer wurde fortan stets mit den Sprechchören „Hiller, Hiller – Landshut-Killer“ begrüßt. „Das Tor gegen Landshut, der Jubel der Fans – es war einfach einzigartig“, erinnerte sich Hiller noch Jahre danach an diesen besonderen Treffer. „Natürlich kann ich mich an sein Tor gegen Landshut erinnern und an die dann immer wiederkehrenden Sprechchöre“, erzählt Mondi Hilger, selbst eine Rosenheimer Eishockey-Legende und in zwei Spielzeiten mit Hiller auf dem Eis. „Das Tor ist natürlich unvergessen“, sagt Heini Schiffl, der als Verteidiger eine Saison in Rosenheim und zwei Spielzeiten in Berlin mit Hiller verbrachte. „Ich sehe ihn noch, wie er nach dem Tor die Handschuhe weggeschmissen und wie ein Geißbock auf dem Eis herumgesprungen ist“, erzählt Michael Pohl, in allen drei Rosenheimer Jahren mit Hiller im Team.

Es war aber nicht nur dieses eine Tor, womit der Kanadier Eindruck machte. „Damals gab es immer viele Wechsel und es war schon etwas Besonderes, wenn ein Spieler drei Jahre lang im Verein geblieben ist. Jim war ein sehr feiner Spieler, der das Spiel verstanden hat und der seine Mitspieler hervorragend einsetzen konnte. Ich habe mit ihm auch in einer Sturmreihe gespielt und von seinen Pässen profitiert“, erzählt Hilger. Und Pohl ergänzt: „Ich habe nicht so viele Tore geschossen, lustigerweise hat er sie mir immer aufgelegt.“ Patrick Senger hat als Youngster noch ein Spiel mit Hiller in Rosenheim bestritten und war dann in beiden Berlin-Jahren mit dem Kanadier im Team. „Einer der besten Importspieler, die ich je kennengelernt habe, sowohl sportlich als auch charakterlich. Ein absoluter Vorzeigeprofi.“

Dabei war Hiller nicht nur auf der Scorerliste stark. In seiner ersten Saison in Rosenheim sorgte er mit 232 Strafminuten auf dem Eis auch schnell mal für klare Verhältnisse. „Er hat schon austeilen können“, sagt Pohl. Und Senger ergänzt: „Er hat einen Faustkampf nicht verachtet. Und er hat hart gespielt, beim Handschlag nach dem Spiel war aber alles schon wieder vergessen.“ Dazu passt es auch, wenn Schiffl sagt: „Ein unglaublich präsenter, aber sehr stabiler Mensch.“

Diese Meinung hatte sich bei Schiffl auch privat gefestigt, „immerhin haben wir in Berlin rund zwei Monate lang zusammen gewohnt“. Ohne große Schwierigkeiten übrigens: „Er war super angenehm, nett und zuvorkommend. Wir haben uns da super ergänzt.“ Die gleichen Erfahrungen hatte auch Pohl mit dem Kanadier gemacht, der in der Rosenheimer Kabine neben ihm gesessen war. „Er war ein sehr intellektueller Mensch und unglaublich wissbegierig. Wir haben in unserer Ecke ständig philosophiert, ich habe kaum einen Spieler in meiner Karriere gehabt, mit dem man so breit gefächert sprechen konnte.“

„Er war gedanklich oft
einen Schritt voraus“

Und so war es auch nicht verwunderlich, dass Hillers Karriere nach der aktiven Zeit ebenfalls Fahrt aufnahm, auch wenn Schiffl zunächst geglaubt hätte, „dass er eher in den Investment-Bereich geht“. Aber der Angreifer hatte wohl das Trainer-Gen schon früh drin. „Er hatte immer ein Auge auf die jungen Spieler und ihnen geholfen. Und er hat wie ein Kapitän alles im Griff gehabt“, sagt Senger, der in Berlin viele Tipps von Hiller bekommen hat und auch jetzt noch via Facebook Kontakt zum ehemaligen Teamkollegen hält. „Er war gedanklich oft einen Schritt voraus. Der saß auch nicht eindimensional in der Kabine, sondern hat sich über viele Dinge Gedanken gemacht“, blickt Kabinennachbar Pohl zurück. „Es wundert mich nicht, dass er so erfolgreich ist. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hat er das auch gemacht“, so Schiffl.

Die Trainerkarriere hatte Hiller im Nachwuchs vorangetrieben, phasenweise auch mit seinem ehemaligen Rosenheimer Sturmpartner Scott Beattie an seiner Seite. Seit zehn Jahren war er nun als Assistenzcoach in der NHL tätig mit Stationen in Detroit, Toronto, bei den New York Islanders und in Los Angeles. Nun ist er erstmals als Cheftrainer in der Profiliga aktiv, als Nachfolger von Todd McLellan, dessen Filius Tyson übrigens in Landshut spielt. „Es zeugt schon von großer Qualität, dass er sich über so viele Jahre dort im Geschäft behauptet hat und jetzt für diesen Posten nominiert worden ist“, lobt Pohl. Für Schiffl ist die Berufung seines ehemaligen Mitbewohners „doppelt wahnsinnig, ich freue mich sehr“. Und Mondi Hilger sagt: „Mich freut es, dass er jetzt in der NHL Headcoach ist. Da sieht man, was möglich ist, wenn man seine Ziele mit Nachdruck verfolgt.“

Und die Hoffnungen, dass Hiller doch noch einmal in Rosenheim als Trainer andockt, sind noch nicht beiseite gewischt: Immerhin hatte er als Aktiver in der Saison 1992/93 für Los Angeles gespielt – unter anderem mit Wayne Gretzky, Jari Kurri, Luc Robitaille oder Paul Coffey im Aufgebot – und ist erst 30 Jahre später wieder zu den Kings zurückgekehrt…

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