Mit Biathlon längst noch nicht fertig

von Redaktion

Nach der TV-Karriere: Herbert Fritzenwenger schmiedet Pläne für jüngeres Publikum

Ruhpolding – Herbert Fritzenwenger sorgt sich um den Biathlonsport, vor allem um den Publikumszuspruch der Generation 20 bis 25 und aufwärts. Der Ruhpoldinger (61), der nach 32 Jahren das Mikrofon als Co-Reporter beim ZDF weggelegt hat, schmiedet Pläne dafür. „Wir sind noch zu uncool und konservativ, wir denken zu altmodisch“, sagt der Mann, der Biathlon auf Schalke erfunden hat. Seine Mitstreiter kommen aus der Unterhaltung, aus den Medien und aus der Wirtschaft. Gemeinsam wollen sie jetzt ein Konzept erstellen und schon im Dezember in Gelsenkirchen loslegen. Unsere Sportredaktion sprach mit dem ehemaligen Aktiven, der einer der ganz wenigen Wintersportler weltweit ist, der bei Olympischen Spielen in zwei Sportarten am Start war.

Sie sind erst 61 Jahre, also weit weg vom Rentenalter. Warum haben Sie Ihren Job beim ZDF jetzt schon beendet?

Reporter Christoph Hamm, an dessen Seite ich jetzt 20 Jahre lang kommentierte, geht in Rente. Da hat sich das ZDF entschieden, ein neues Duo aufzubauen. Reporter wird Volker Grube, wer mein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Die Neuen sollen dann doch zwei Jahre Zeit haben, sich bis zu den Olympischen Spielen 2026 einzuarbeiten.

Was waren Ihre Highlights als Co-Reporter in diesen 32 Jahren?

Wir haben ja so viele deutsche Erfolge kommentiert, aber die WM 2004 in Oberhof fällt mir da ein. Ich war damals ja noch Vorsitzender vom Skiclub Ruhpolding. In der Verfolgung war Raphael Poiree meilenweit voraus, aber unser Ricco Groß ist Weltmeister geworden. Beim letzten Schießen ist, wie so oft, die Entscheidung gefallen. Der Franzose hat die Schüsse nicht rausgebracht, Ricco hat die Scheiben abgeräumt. Wir hatten schlechtes Wetter, aber es war extrem stimmungsvoll, weil Ricco gewonnen hat. Unvergessen war auch die WM 2012 in Ruhpolding mit Abschied von Magdalena Neuner und dem Zuschauer-Rekord. Es war für mich die bisher schönste WM überhaupt.

Und Olympische Spiele?

Die letzten beiden in Peking und Pyeongchang waren jetzt nicht so prickelnd, Vancouver 2010 war ein schönes Erlebnis, aber extreme Gefühle kommen bei mir immer wieder auf, wenn ich an meine zweiten Spiele 1994 in Lillehammer denke. Albertville zwei Jahre davor war prägend, aber in Norwegen war es so, dass wir bei minus 20 Grad in unseren warmen Reporterkabinen kurzärmlig gesessen waren. Fünf Meter neben uns waren im Freien die königlichen Hoheiten aus Schweden gesessen, frierend und dick eingemummt im VIP-Bereich. Da hab ich mir gesagt, man muss nicht König sein, um den besten Platz im Stadion zu haben. Es war irgendwie surreal.

Sie haben beim ZDF fertig, aber längst noch nicht mit dem Biathlonsport!

Richtig! Die World-Team-Challenge, die ja zehn Jahre lang in Ruhpolding stattfand, ist jetzt auf Schalke angesiedelt. Da mische ich weiterhin mit. Ich hatte ja Gespräche mit Rudi Assauer und wir haben das Event dann auf Schalke angesiedelt. Da hat unser Sport nochmals einen richtigen Aufmerksamkeits-Push erhalten. Wir haben den Sport zu den Fans gebracht. Und wir wollen die Veranstaltung weiter forcieren und intensivieren. Wir haben dort auch Magdalena Neuner verabschiedet, sie schwebte von der Kuppel herunter. Das war Gänsehaut pur. So etwas vergisst man nie.

Aber es war zuletzt ein Rückgang an Zuschauern zu verzeichnen!

Ja, leider. Die letzten Jahre waren nicht einfach, auch wegen Corona, als wir zweimal in Ruhpolding zu Gast waren. Und danach das Stadion auf Schalke wieder voll zu bekommen, ist schwierig. Es ist aber generell zu beobachten, dass der Publikumsandrang in Sportarten, wo deutsche Fans dominieren, rückläufig ist. Das ist ein natürlicher Prozess. Es gibt Fans, die vor 30 Jahren schon dabei waren, und viele wollen da heute wegen ihres Alters lieber vor dem Bildschirm sitzen.

Hat der Biathlonsport ein Nachwuchsproblem bei den Fans?

Würde ich so unterstreichen. Wir müssen künftig auf die Bedürfnisse der jüngeren Generation eingehen. In der Vermarktung liegt da viel brach. Wir müssen im Vorfeld eines Events deutlich mehr Aufmerksamkeit generieren. Da sind wir alle noch recht amateurhaft unterwegs. Das gilt für alle Weltcup-Veranstalter. Wir sind da zu uncool und konservativ, wir denken zu altmodisch. Das ist kein Vorwurf, ich nehme mich da nicht aus. Beim Nachwuchs rede ich jetzt nicht von den Kids, sondern vom Klientel 20 bis 25 aufwärts. Diese Altersgruppe denkt heute anders, aber dieses Publikum müssen wir erreichen.

Was kann man da tun?

Ich habe mir da echt Gedanken gemacht. In meinem Netzwerk habe ich Menschen, mit denen kann man darüber diskutieren, die sind nicht vom Biathlon, kommen aus der Unterhaltung, aus den Medien und aus der Wirtschaft. Hier will ich den Hebel ansetzen. Wir wollen jetzt ein Konzept erstellen. Über Namen und exakte Pläne kann ich heute noch nicht sprechen. Aber es geht darum, die Biathlon-Events ganz anders zu bewerben. Ich bin überzeugt, dass es klappen wird. Mit Schalke wollen wir jetzt loslegen. Wir müssen wieder jüngeres Publikum ins Stadion bekommen. Das Ziel muss sein, Leute für Biathlon zu begeistern, die es heute noch nicht wissen.

Ich höre heraus, dass Ihre Gedanken weiter um den Biathlonsport kreisen. Sie wurden von der Internationalen Biathlon Union (IBU) bei der WM in Nove Mesto auch geehrt. Waren Sie überrascht?

Überrascht war ich von dem feierlichen Rahmen. An jenem Abend wurden mit Magdalena Forsberg, Raphael Poiree und Gabriela Soukalova drei Weltklasse-Athleten in die Hall of Fame der IBU aufgenommen. Die drei haben zusammen über 100 Weltcups, 35 Medaillen bei Weltmeisterschaften und acht bei Olympischen Spielen gewonnen. Ich sehe es schon als große Ehre. Christoph Hamm wurde für 20 Jahre Kommentierung ausgezeichnet und ich zusätzlich für meine organisatorischen Leistungen. Als wir auf der Bühne standen, war es völlig still im Saal und das bei 150 Gästen. Alle haben zugehört. Das hat mich schon recht gefreut.

Was nur wenige wissen: Sie sind ja auch einer der wenigen Wintersportler weltweit, die bei Olympischen Spielen in zwei Sportarten gestartet sind. Wie kam’s?

(lacht) Es war in Calgary 1988, also in Canmore, wo jetzt der letzte Weltcup für mich am Mikrofon stattfand. Geplant war der Doppelstart nicht. Ich war im Biathlonteam, lief den Einzelwettkampf und hatte gute Chancen, in die Staffel zu kommen, wo wir Medaillenchancen hatten, weil ich zwei Testrennen vor Ort gewonnen hatte. Dann wurde ein Langläufer, Stefan Dotzler, krank. Es gab keinen Ersatzmann, also wäre die Staffel geplatzt. Folge: kein Ergebnis, keine Förderung. Unser Verband hat mich überredet, ja fast gezwungen, dass ich in der Langlaufstaffel starten müsste. Ich wollte nicht, weil ich mir im Biathlon viel mehr ausrechnete. Na ja, sie haben es geschafft. Ich lief auf Position vier, hatte die schwierigsten Bedingungen. Wir wurden Siebter. Ich bekam tausend Dank, aber die Biathlon-Staffel holte Silber mit Peter Angerer, Fritz Fischer, Stefan Höck und Ernst Reiter.

Wie steht es um das deutsche Biathlon?

Beginnen wir bei den Damen. Da sind wir gut bestückt für die Zukunft. Selina Grotian, Julia Kink, Julia Thannheimer und noch Johanna Puff vielleicht. Man muss aber die Entwicklung abwarten. Talente sind da, zweifelsohne. Bei der männlichen Konkurrenz haben wir mit Benjamin Menz und Leonhard Pfund zwei Junioren-Weltmeister. Aber da hatte Deutschland schon einige, die leider den Sprung danach nicht geschafft haben. Also, auch da muss man abwarten. Ich hoffe auf Philipp Nawrath, der ja in der Liga von Benedikt Doll läuft. Letzterer hat eine großartige Karriere beendet. Und für Doll wird jetzt ja ein Startplatz frei.

Bleibt jetzt mehr Zeit für den Golfsport? Sie sind ja nach wie vor Präsident beim GC Ruhpolding.

Bei uns geht’s rund, im positiven Sinn. Wir haben jetzt noch eine Klein-Golf-Anlage mit fünf Bahnen neben dem Adventure-Golf-Park für jedermann. Auch eine Biathlon-Laser-Anlage ist aufgebaut. Die Terrasse wird vergrößert und überdacht, da bauen wir gerade um. Wir betreiben viel Marketing für Golfanfänger, die Demografie läuft im Augenblick gegen den Golfsport, das ist wie beim Biathlon.

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