Oberaudorf – Zu Beginn des Saisonabschluss-Videos für seine knapp 29000 Fans bei Instagram zieht sich ein schwerer Sturm über einem Berggipfel zusammen. Das zeigt: Der Oberaudorfer Constantin Schmid nimmt seine sehr durchwachsene Skisprung-Saison mit Humor. Der war in den vergangenen vier Winter-Monaten auch nötig, denn der 24 Jahre alte Flieger war quasi ständig im „Fahrstuhl“ unterwegs. Zwischen dem Weltcup mit den besten Fliegern der Welt, in dem „Consti“ in den vergangenen Wintern Stammgast war, und dem Continentalcup. Das ist quasi die zweite Liga der Skisprung-Welt.
Dreimal ging‘s nach starken Leistungen hoch in die Beletage mit Stars wie Andreas Wellinger oder Stefan Kraft (Österreich) – und wieder runter, weil die Leistungen nicht stark genug waren. Ein 17. Platz beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen war die beste Platzierung im bislang schlechtesten Weltcup-Winter von Schmid, der schon sehr früh als 17-Jähriger den Sprung unter die besten der Welt schaffte. Sein riesiges Potenzial hat der schlaksige Riese vom WSV Oberaudorf seitdem schon oft unter Beweis gestellt – ob nun bei seinem einzigen Weltcup-Podestplatz im rumänischen Rasnov, Team-Silber bei der Skiflug-WM (beides 2020) oder Mannschaftsbronze bei den Olympischen Winterspielen von Peking (2022).
Doch seit diesem letzten großen Erfolg stockt der lange erwartete Vormarsch von Constantin Schmid in die absolute Weltspitze. Schon vor dieser Saison hatte er im Gespräch mit Chiemgau24 bedrückende Einblicke in seine Seelenwelt gewährt. „Ich bin mit 17 in den Weltcup gekommen, es ging eigentlich immer nur bergauf. Die vergangenen zwei Jahre bin ich in meiner Entwicklung aber stagniert. Plötzlich steht man dann da und knallt gegen eine Wand. Mir kam phasenweise die Freude am Skispringen abhanden“, so Schmid. Durch gezielte Arbeit im mentalen Bereich und Auseinandersetzung mit sich selbst, habe er diese schwierige Phase jedoch überwunden.
Und so wirken die letzten Eindrücke des geborenen Bad Aiblingers aus dieser schwierigen Saison auch nicht deprimiert – zumindest lassen das Schmids coole Videos auf Social Media glauben. Untermalt von knalliger Musik präsentiert er dort spannende Eindrücke vom Skifliegen auf der größten Schanze der Welt im norwegischen Vikersund, wo er sich nicht für den Wettkampf qualifizieren konnte und anschließend zum dritten Mal aus dem deutschen Weltcup-Team flog. Und dann gibt es auch noch einen tollen Film vom Saison-Finale im slowenischen Planica, in der „Zuschauer-Edition“, wie Constantin Schmid selbst mit einem Augenzwinkern schreibt.
„23/24 ist vorbei. Es war nicht immer einfach, aber ich habe viel gelernt und freue mich jetzt schon auf die nächste Saison“, zieht Schmid schließlich ein versöhnliches Saisonfazit. Zwar hat er nur 5400 Schweizer Franken Preisgeld verdient, aber als Mitglied des Zollskiteams ist er finanziell abgesichert. Zudem glaubt seine Familie, in der Bruder Emanuel ebenfalls ein sehr hoffnungsvolles Skisprung-Talent ist, ganz fest an ihn.
Schließlich gab es für Constantin Schmid neben tiefen Tälern auch Höhepunkte im vergangenen Winter – wie der zweite Continentalcup-Sieg seiner Karriere am Dreikönigstag auf der Olympiaschanze von Garmisch-Partenkirchen. Zudem muss zur fairen Einschätzung von Schmids Leistungen auch die neue Verteilung der Weltcup-Startplätze erwähnt werden. Starke Nationen wie Deutschland konnten einen Flieger weniger als bisher einsetzen. Und das deutsche Team zeigte vor allem zum Saison-Auftakt mit Siegen für Andreas Wellinger, Pius Paschke und Karl Geiger herausragende Leistungen, auch die anderen beiden regelmäßigen Teammitglieder Stephan Leyhe und Philipp Raimund flogen aufs Podest. Schmid war dahinter meist die unglückliche Nummer sechs.
Deshalb macht Bundestrainer Stefan Horngacher einem seiner jüngsten Springer im Nationalteam auch Hoffnung für die kommende Saison: „Wir bauen auf Constantin. Er hat Super-Anlagen und muss nur einmal Sprungtechnik, Material, Kopf und Form zusammenbekommen.“ Nach schwierigen Jahren wären die nächsten beiden Winter mit der Nordischen Ski-WM im norwegischen Trondheim (2025) und die Olympischen Winterspiele in Mailand und Cortina (2026) der perfekte Zeitpunkt für den Durchbruch.
Wie man mit schwierigen Zeiten perfekt umgeht, kann Schmid sich bei seinem ebenfalls in Oberaudorf beheimateten Kollegen Pius Paschke abschauen. Der feierte im stolzen Alter von 33 seinen ersten Weltcup-Sieg – und will noch viele Jahre weitermachen. Und hoffentlich gemeinsam mit Constantin Schmid sonnige Zeiten über den Berggipfeln erleben.