Inzell – Einen Paukenschlag hat es beim DEC Inzell um die „Personalie Kraus“, den leitenden Stützpunkttrainer Andreas Kraus und seine Frau Tatiana, gegeben. Sie werden nach Berlin versetzt, so will es die Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG). Dort bekommen sie ab 1. Juni neue Aufgaben, Andreas Kraus wird Nachwuchs-Bundestrainer und Tatiana Kraus Assistentin des Bundestrainers Alex Contin und zugleich Nachwuchstrainerin am Stützpunkt Berlin.
Diese Nachricht hat bei den Verantwortlichen des DEC Inzell, in der Arena und innerhalb der Eisschnelllauf-Abteilung eingeschlagen wie ein Blitz. Damit fehlen Inzell zwei wichtige Trainer und der Ort muss um das Prädikat „Olympia-Stützpunkt“ bangen. „Ich bin traurig über die Entscheidung und sehr enttäuscht, dass der Stützpunkt nicht in die Überlegungen seitens der DESG einbezogen wurde“, beklagt Eisschnelllauf-Abteilungsleiterin Heike Kogler. „Somit wurden wir mit Beginn der neuen Saison vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen jetzt unseren Sportlern auch noch erklären, dass ab Juni zwei neue Trainer bei uns tätig sind.“ Kogler hofft, dass die Ausschreibungen dazu so schnell wie möglich veröffentlicht werden und es eine „sanfte Übergabe“ gibt.
„Tatiana und Andreas haben jahrelang eine sehr gute und erfolgreiche Arbeit bei uns geleistet. Ihre Sportler konnten sich immer für sehr gute und hochkarätige internationale Wettkämpfe qualifizieren“, erklärt Kogler. Beste Beispiele dafür seien Anna Ostlender, Gabriel Groß oder Maira Jasch. „Es fühlt sich ein bisschen wie Neid an, dass die beiden jetzt abgezogen werden. Denn als Bundestrainer-Assistent ist Andreas Kraus bereits bei uns in Inzell tätig gewesen. Auch haben wir in Inzell genügend Sportler im Seniorenbereich, die betreut gehören“, meint die Spartenleiterin. „Aktuell bin ich noch sehr sprachlos und kann nur hoffen, dass sich möglicherweise sogar aus den Reihen unserer Ehemaligen qualifizierte und motivierte Trainer für die offenen Posten bewerben. Für uns als DEC heißt es jetzt umso mehr zusammenhalten und den Spaß am Eislaufen fördern“, sagt Kogler und verweist auf die Top-Bedingungen in Inzell und den Zuspruch seitens der Arena und der Gemeinde.
Für Andreas Kraus und seine Frau Tatiana sind die Beförderungen ein Beweis für ihre gute Arbeit der letzten fast neun Jahre in Inzell. „Natürlich freue ich mich über die Beförderung, gehe aber auch sehr wehmütig weg von Inzell. Wir haben hier so viel Tolles aufgebaut“, sagt Andreas Kraus. „Ich hoffe, dass sich Inzell mit seinen Sportlern so weiterentwickelt. Mit dem, was ich hinterlasse, bin ich sehr zufrieden.“ Bis zum 1. Juni werden Andreas und Tatiana Kraus die ganz normale Vorbereitung in Inzell beginnen und dann in die Hauptstadt übersiedeln. „Ich hoffe, dass ich vielleicht schon in zwei, drei Jahren wieder zurückkommen kann“, sagt er.
Stadionleiter Hubert Kreutz findet es etwas irritierend, dass er von der Maßnahme der DESG-Spitze mittels Pressemitteilung erfahren hat. „Plötzlich sind zwei Trainer weg, das kann ich nicht nachvollziehen“, so Kreutz, der hofft, dass die Lücken rasch geschlossen werden. „Die beiden haben tolle Arbeit geleistet, unsere jungen Sportler sind wie vor den Kopf gestoßen“, so der Stadionchef. Der Vorstand des DEC, Pino Dufter, fühlte sich von der Berliner Entscheidung quasi „auf dem kalten Fuß erwischt. Wir sind während der Weltmeisterschaft im März mehrmals zusammengesessen, über das Thema wurde überhaupt nicht gesprochen. Das ist ein schwerer Schlag für uns.“ Dufter erklärt nun das weitere Vorgehen: „Zunächst brauchen wir einen neuen Trainer. Dann müssen wir schauen, was für Maßnahmen für uns möglich sind.“
Härter ins Gericht geht der Förderverein Vision Ice mit der DESG. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er von einem „erneuten Genickschlag“ seitens des Verbandes für den DEC. Diese Entscheidung würde eine weitere Demontage des Eisschnelllauf-Stützpunktes Inzell bedeuten. Das alles habe laut Vision Ice die Struktur eines Puzzles. Auch die unvorbereitete Düpierung von Gemeinde und Verein bei der Eisschnelllauf-WM sei ein Beweis dafür. Der tiefere Hintergrund für diese Dissonanzen mit dem Dachverband dürfte die Neustrukturierung der Spitzensportförderung mit dem Bundesinnenministerium sein. Derzeit würden noch Berlin, Erfurt und Inzell als Olympiastützpunkte anerkannt und vom Bund unterstützt. Aufgrund der knappen Haushaltsmittel und der ausbleibenden sportlichen Erfolge sei zu vermuten, dass das Ministerium vielleicht nur noch zwei Eisschnelllauf-Standorte bezuschussen werde. Die nächste Vergabe der Olympia-Stützpunkte ist 2026. Im Artikel von Vision Ice heißt es weiter: Sollte Inzell ausgetrocknet und als Kaderschmiede des Eisschnelllauf-Sportes entbehrlich werden, hat man schlechte Karten.
Seit Jahren wurde versäumt, so auch die Kritik des Fördervereins an die Inzeller Verantwortlichen, sich als DEC Inzell Sitz und Stimme im Vorstand der DESG und im Weltverband ISU zu sichern. Zudem sei es versäumt worden, ehemalige Inzeller Spitzensportler nach ihrer Karriere als Trainer und Funktionäre zu integrieren. Das stimmt so nicht ganz, denn Gabi Hirschbichler wollte nach ihrer Karriere als Trainerin am Stützpunkt beginnen. „Ich hatte auch schon einen Studienplatz an der Sporthochschule Köln“, erinnert sie sich. „Dazu hätte ich eine Teilzeitstelle vom Verband benötigt, um sozialversicherungstechnisch abgesichert zu sein“, so Hirschbichler weiter. Aber weder die DESG noch der Bayerische Eissport-Verband (BEV) wollten oder konnten ihr diese Stelle anbieten. Im Endeffekt sei es dabei um 600 Euro monatlich gegangen. „Nach langem Bitten und vielen Bewerbungen auf offene Trainerstellen habe ich dann aufgegeben und mich endgültig umorientiert“, so die 40-Jährige. Schlussendlich unternahm sie eine Ausbildung am Staatsinstitut für Förderlehrer in Freising. Den ersten Teil wird sie dieses Jahr im Juli abschließen, im Herbst beginnt sie mit ihrem Vorbereitungsdienst.
Für Vision Ice bleibt die Hoffnung, dass mit dem frisch gewählten neuen Bürgermeister die Weichen in Inzell neu gestellt werden und eine neue Aufbruchstimmung für das (noch) als Eisschnelllauf-Mekka bekannte Inzell entfacht wird, so heißt es abschließend auf der Facebook-Seite des Fördervereins.