Rosenheim – Die Diskussionsrunde Meet the Ref soll zum besseren Verhältnis zwischen aktiven Spielern und Schiedsrichtern beitragen. Dr. Thaya Vester von der Universität Tübingen ist fester Bestandteil des Projekts und darüber hinaus Mitglied in verschiedenen Expertengruppen des DFB, die sich mit Fair Play oder Gewalt gegen Unparteiische auseinandersetzen. Als Kriminologin beschäftigt sie sich besonders mit Gewalt- und Diskriminierungsphänomenen im Fußball. Sie ist als Soziologin auch Schiedsrichterforscherin, wovon es in Deutschland nur sehr wenige gibt. Im Gespräch spricht sie über ihr seltenes Forschungsfeld, Gewalt auf deutschen Fußballplätzen und darüber, wie mehr Mädchen und Frauen als Referees gewonnen werden können.
Frau Dr. Vester, wie wird man Schiedsrichterforscherin?
Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich so ergeben. Als Kriminologin habe ich mich mit verschiedenen Formen von abweichendem Verhalten beschäftigt, insbesondere auch mit Gewaltphänomenen. Da ich mich seit jeher für Fußball interessiere, lag es daher nahe, sich auch den Problembereichen des Fußballs zu widmen. Und wenn man sich mit dem Thema Gewalt im Fußball auseinandersetzt, landet man ganz automatisch bei den Schiedsrichtern, weil sie immer Teil des Geschehens sind. Entweder in ihrer Rolle als Vermittler zwischen zwei Konfliktparteien oder weil sie selbst unmittelbar von Gewalt betroffen sind.
Über diese Gewalt gegen Schiedsrichter haben Sie promoviert. Wie ist der Stand der Dinge auf den deutschen Fußballplätzen?
Wenn man berücksichtigt, wie viele Fußballspiele jährlich stattfinden, um die 1,4 Millionen, kommt körperliche Gewalt gegen Schiedsrichter statistisch betrachtet sehr selten vor. Allerdings führt ein Angriff gegen einen Unparteiischen häufig dazu, dass sich der Betroffene nicht mehr sicher fühlt und deshalb aufhört zu pfeifen. Die Folgen sind also meist sehr drastisch. Und auch wenn diese Fälle in Relation selten sind, mussten wir doch feststellen, dass es in den letzten Jahren eine Zunahme an solchen Vorfällen gab. Darüber hinaus sind Schiris in großem Ausmaß verbaler Gewalt ausgesetzt. Hier muss man konstatieren, dass Respektlosigkeiten und Unsportlichkeiten leider ein Dauerthema für die Unparteiischen sind.
Was kann gegen die Gewalt auf Fußballplätzen getan werden und wie können Schiedsrichter besser geschützt werden?
Grundsätzlich müsste Fehlverhalten auf dem Fußballplatz viel konsequenter geahndet werden, in der Vergangenheit wurde diesbezüglich zu viel toleriert. Das hat dazu geführt, dass sich bestimmte Verhaltensweisen eingeschlichen haben und fast schon als zum Fußball zugehörig gewertet werden. Also zum Beispiel die Unart, dass der Schiedsrichter umzingelt und angeschrien wird. Wenn das besser unterbunden wird, gibt es auch in der Folge weniger Probleme. Daher begrüße ich den Vorstoß der UEFA, dass in strittigen Situationen nur noch die Kapitäne mit dem Schiedsrichter sprechen dürfen, sehr. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass auch die Schiedsrichter selbst mit dem eigenen Verhalten maßgeblich dazu beitragen, ob ein Konflikt eskaliert oder nicht. Dieser Verantwortung müssen sie gerecht werden. Hierfür sind die Verbände gefragt, die Schiedsrichter entsprechend auszuwählen und auszubilden.
Auch das Thema Schiedsrichterinnen steht bei Ihnen im Fokus. Wie können mehr Mädchen überzeugt werden, Spiele zu leiten?
Die Erfahrung zeigt, dass sich Mädchen insbesondere dann anschließen, wenn schon andere Mädchen da sind. Nun ist aber das Schiedsrichterwesen extrem männlich geprägt, selbst im Frauenbereich pfeifen viele Männer. Die Anfangshürde ist daher besonders hoch. Die Verbände müssen sich noch deutlich mehr darum bemühen, Mädchen und jungen Frauen zu vermitteln, dass sie im Schiedsrichterwesen wirklich willkommen sind.
Was sind Ihre weiteren fußballspezifischen Forschungsthemen und was erhoffen Sie sich von Ihrer Arbeit?
Neben dem Aspekt der Gewalt beschäftige ich mich viel mit der Frage, wie es gelingen kann, dass der Fußballsport möglichst diskriminierungsfrei praktiziert wird. Also, dass sich alle dort sicher und willkommen fühlen, egal welches Geschlecht, Alter oder Herkunft die Menschen haben.