Bayernliga-Meister nun in der A-Klasse

von Redaktion

Was aus den Vereinen der bayerischen Top-Liga vor 50 Jahren wurde

Rosenheim/Mühldorf – Das Jahr 1974 markierte im deutschen Fußball eine Zäsur. Fünf Regionalligen wurden vor genau 50 Jahren durch die zunächst noch zweigleisige 2. Liga abgelöst. Immerhin sieben der acht bayerischen Vereine bleiben zweitklassig, nur der SSV Jahn Regensburg muss als Absteiger in die Bayernliga. Vereine aus dem Kreis Inn/Salzach sucht man vergebens in der damaligen dritten Liga. Aber wo spielten die heimischen Aushängeschilder Wacker Burghausen und TSV Buchbach damals? Und wo sind die damaligen Bayernligisten heute gelandet?

Aufschluss darüber gibt der vierte Band der „Bayern-Chronik“, in der der Deutsche Sportclub für Fußball-Statistiken (DSFS) die bayerische Fußball-Geschichte seit dem Neubeginn 1945 aufarbeitet (wir berichteten). Der jetzt erschienene Band 4 umfasst alle Ergebnisse und Tabellen von der Bundesliga bis zur A-Klasse zwischen 1970 bis 1976, das Titelfoto zeigt die Landesliga-Meistermannschaft des TSV 1860 Rosenheim aus dem Jahr 1976. Zwei Jahre vorher gehen die „Sechziger“ in der Landesliga Süd – damals die vierte Liga – als Sechster in die Saison 1974/75, am Ende sind sie als 13. nur die Nummer zwei im Kreis Inn/Salzach, drei Plätze hinter dem SV Wacker Burghausen.

Und der TSV Buchbach? Von dem ist in höheren Amateurligen noch lange nichts zu sehen. 1976 gelingt zum ersten Mal überhaupt der Aufstieg in die A-Klasse (die heutige Kreisliga), doch für den Dorfverein geht es ebenso postwendend zurück in die B-Klasse Inn wie beim zweiten Aufstieg 1981. Der Siegeszug der Buchbacher beginnt erst Mitte der 1990er-Jahre, als der Verein mit Anton Bobenstetter vier Aufstiege in Folge feiert – von der C-Klasse bis in die Bezirksliga. Vor genau 25 Jahren spielt der TSV erstmals in der Bezirksliga.

Der frisch gebackene Bayernliga-Süd-Meister SV Erlbach, inzwischen die Nummer drei im Fußball-Kreis, kickt 1974/75 übrigens noch in der C-Klasse Inn 3, den ersten Aufstieg in die B-Klasse schafft er 1977, in der A-Klasse findet man den Verein erst 1990. Der SV Kirchanschöring, in der Neuzeit der zweite heimische Bayernligist, wird 1975 immerhin A-Klassen-Meister in der Gruppe Inn/Salzach B und schnuppert 1976 sogar zum ersten Mal Landesliga-Luft.

Der Titelverteidiger in der Bayernliga-Saison 1974/75 heißt ASV Herzogenaurach. Die Rivalität der beiden Sportartikelkonzerne Adidas und Puma hat den ASV und den FC aus dem 25000-Einwohner-Städtchen westlich von Fürth bis in die dritte Liga katapultiert. Doch der von Adidas unterstützte ASV kann nicht aufsteigen, weil in der neuen 2. Liga kein Platz ist für die Meister aus den Landesverbänden. 50 Jahre später backt man in Herzogenaurach kleinere Brötchen. Der ASV schließt die Saison 2023/24 als Sechster ab – in der A-Klasse Erlangen/Pegnitzgrund 1, das ist dort die unterste Liga. Der „Puma“-Verein FC Herzogenaurach, der 1974 als Vorletzter in die Landesliga absteigen muss, spielt heute immerhin in der Bezirksliga Mittelfranken Nord.

Vergleicht man die Bayernliga von vor 50 Jahren mit der heutigen Regionalliga Bayern, finden sich noch genau zwei Namen, die übereinstimmen: die Amateure des FC Bayern München und der frisch gebackene Meister Würzburger Kickers. Doch kann man die Ligen überhaupt vergleichen? Zwar ist die Regionalliga heute „nur“ viertklassig, doch über ihr gibt es wie damals drei Ligen – mit dem Unterschied, dass es 1974/75 zwei 2. Ligen waren und 2024/25 eine zweite und eine dritte Liga. Mehr noch: Damals wie heute sind acht Vereine aus dem Freistaat im Profifußball oberhalb der höchsten bayerischen Liga aktiv – fünf davon sind sogar identisch. Die damaligen Zweitligisten Bayern Hof, Schweinfurt 05 und SpVgg Bayreuth wurden von Jahn Regensburg, dem FC Ingolstadt und der SpVgg Unterhaching abgelöst.

Pleite – oder ganz
verschwunden

Jahn Regensburg war übrigens der Bayernliga-Meister der Saison 1974/75. MTV und ESV Ingolstadt – die Vorgänger des FCI – beendeten sie im Mittelfeld. Andere Bayernligisten von vor 50 Jahren sind ganz verschwunden, allen voran der ATS Kulmbach, als Aufsteiger damals immerhin Siebter, der sich im Herbst 2021 aus der Kreisliga Bayreuth/Kulmbach zurückzog. Oder der Tabellenelfte SC Fürstenfeldbruck, dessen Mannschaft nach dem Abstieg aus der Kreisliga Zugspitze vor einem Jahr auseinanderbrach und der nun einen Neuanfang in der A-Klasse versucht.

Erschreckend ist, wie viele Bayernligisten sich irgendwann finanziell übernahmen und sich in eine Insolvenz oder eine rettende Fusion flüchteten. Vizemeister Würzburger FV war 1981 pleite und kämpfte sich von der C-Klasse wieder bis in die Bayernliga Nord hoch. Die SpVgg Weiden stellte 2010 als Regionalligist aus finanziellen Gründen den Spielbetrieb ein, fusionierte mit dem SV Detag Weiden und ist 2024 in die Bayernliga zurückgekehrt. Der VfB Coburg hat sich schon zweimal gehäutet: Nach einer rettenden Fusion hieß er DJK Viktoria VfB (DVV) Coburg, nach einer Pleite 2011 heißt er heute FC Coburg und spielt ebenfalls in der Bayernliga Nord.

1974 war Herzogenaurach mit seinen damals 15000 Einwohnern die kleinste Stadt mit einem Bayernligisten, heute spielen mit Buchbach, der DJK Vilzing (500 Einwohner), dem TSV Aubstadt (730) und der SpVgg Hankofen-Hailing (aus der Gemeinde Leiblfing mit 4300 Einwohnern) gleich drei Dorfvereine in der höchsten bayerischen Liga. Die Unterfranken waren vor 50 Jahren erst in einem Entscheidungsspiel dem Abstieg aus der A-Klasse entgangen, 1990 stieg die heutige „Macht vom Grabfeld“ erstmals in die Bezirksliga auf. Seit 2014 schon spielt der TSV Aubstadt in der Regionalliga, länger ist nur Buchbach durchgehend dabei.

Dorfvereine kommen in den 1990ern auf

Die DJK Vilzing gab es 1974 gerade einmal sieben Jahre, erst Mitte der 1990er-Jahre ging es dank Sponsorenhilfe aus der B-Klasse nach oben. Aufsteiger SpVgg Hankofen-Hailing vermerkt als Gründungsjahr sogar erst 1968, 26 Jahre lang war die Kreisliga Straubing für den Dorfklub das höchste der Gefühle.

Einer der heutigen Regionalligisten existierte vor 50 Jahren noch gar nicht. Der SV Türk Gücü München wird als einer der ersten Migrantenvereine in Bayern 1975 gegründet, 1981 spaltet sich der SV Ataspor München ab. Ein erster Höhenflug führt Türk Gücü von 1988 bis 1992 und von 1994 bis 1996 in die Bayernliga, doch 2001 folgt die Pleite. Der Nachfolgeverein Türkischer SV 1975 fusioniert 2009 mit Ataspor und ergattert damit einen Bezirksligaplatz. Dem Aufstieg bis in die 3. Liga folgt 2022 die nächste Pleite – doch Türk Gücü fällt weich und darf in der Regionalliga weiterspielen.

Deutscher Sportclub für Fußballstatistiken e.V., Fußball in Bayern 1970 bis 1976, 486 Seiten, erhältlich im Internet (ebenso wie die Bände 1 bis 3) unter www.dsfs.de/shop, 39,80 Euro. Band 5 (1976 bis 1982) erscheint voraussichtlich im November.

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