Unfreiwilliger Start im Ferienprogramm

von Redaktion

IM ZEICHEN DER RINGE Bogenschützin Katharina Bauer über ihre Anfänge, den Job und Robin Hood

Raubling/Paris – Der erste Aufreger ist schon vorbei. Katharina Bauer musste ohne ihr Sportgerät zu den Olympischen Spielen reisen. Aufgrund von Problemen am Flughafen in München konnte die Bogenschützin der BSG Raubling ihr Material nicht mit auf die Reise nach Paris nehmen. Mittlerweile ist alles aber geklärt und Bauer hat bereits die erste Trainingseinheit in Frankreich absolviert. Vor ihrer Abreise hatte die OVB-Sportredaktion die Inntalerin auf ihrem Trainingsgelände getroffen. Die 28-Jährige erzählt dabei von ihren Anfängen, von Zweifeln und der mentalen Stärke.

Mit welchem Alter haben Sie angefangen?

Ich habe mit neun Jahren damals im Ferienprogramm angefangen und habe dann auch ein paar Wochen später noch einen Schnupperkurs gemacht, einen offiziellen, professionellen. Seitdem bin ich im Verein dabei.

Hat Ihnen das Bogenschießen im Ferienprogramm so gut gefallen?

Ich war unfreiwillig bei dem Ferienprogramm, muss ich dazu sagen. Ich wollte in den Sommerferien einfach nur chillen, aber meine Eltern wollten, dass ich halt auch was tue. Dass ich dann zum Bogenschießen gekommen bin, war irgendwie Schicksal, denn das war das Einzige, wo noch ein paar Plätze frei waren.

Aus einem unfreiwilligen Ferienprogramm zur Olympia-Teilnahme, das ist eine neue Geschichte!

Ja, genau. Ich war auch nicht sonderlich gut in diesem Ferienprogramm, weil ich einfach keine Lust gehabt habe. Aber irgendwie hat mich dann fasziniert, dass ich so eine Rückmeldung gekriegt habe. Ich habe immer auf der Scheibe gleich gesehen: Habe ich es gut oder habe ich es schlecht gemacht? Und wenn ich es gut gemacht habe, dann wollte ich es noch einmal machen. Habe ich es schlecht gemacht, wollte ich es gut machen. Das ist bis heute so, dass ich immer mehr und mehr und mehr möchte.

Jetzt ist daraus eine Mannschafts-Weltmeisterin und mehrfache Europameisterin geworden. Diesen Werdegang kann man sich ja nur erträumen, oder?

Auf alle Fälle. Der Verein in Raubling ist sehr ambitioniert. Und da ich sehr ehrgeizig war, bin ich von meinem damaligen Trainer Martin Winkler individuell gefördert worden. Der hat mir immer Trainingspläne geschrieben, mit zwölf, 13 Jahren bin ich schon öfter trainieren gegangen als alle anderen im Verein. Ich bin so gefördert worden, dass ich auch schnell in die Nationalmannschaft gekommen bin. Meine erste internationale Medaille bei den Junioren war 2011, 2012 bin ich Jugend-Europameisterin geworden. Das ist auch schon eine Zeit her, aber nicht einmal da habe ich gedacht, dass es für Olympia reicht.

Hat es denn so einen Moment gegeben, wo es geschnackelt hat, dass da mehr daraus werden kann?

Den Moment hat es schon gegeben. Das war nach vielleicht fünf Jahren Training im Verein, da war ich auf einmal, also von einem Wettkampf auf den anderen, ziemlich gut und besser als alle in meinem Jahrgang. Und da haben dann auch die Trainer gesagt: Okay, vielleicht könnte ein bisschen mehr aus ihr werden. Das war der Sprung in die Junioren-Nationalmannschaft.

Bei den Erwachsenen war es aber nicht ganz so einfach, oder?

Da bin ich erst 2018 durchgestartet, weil ich da mein ganzes Leben auf den Sport professionalisiert und einen Arbeitgeber gefunden habe, der das fördert. Eigentlich war dann alles auf die 2020er-Spiele ausgerichtet. Das hat aber nicht funktioniert und dann habe ich so dermaßen eine Klatsche gekriegt! Danach hat sich meine ganze mentale Einstellung noch einmal geändert, weil es mir so schlecht gegangen ist. Aber dann habe ich irgendwie diese Liebe und die Freude zu dem Sport wiedergefunden – seitdem läuft es umso besser.

Es ist ja schwierig, sich als Bogensportlerin professionell aufzustellen. Wie schaffen Sie das trotzdem?

Vor allem durch private Unterstützung. Also, meine Familie, mein Verein – die haben mir vor vier Jahren bei uns daheim in Raubling eine Schießhütte gebaut, dass ich da jeden Tag trainieren kann. Geholfen hat mir auch mein Arbeitgeber, die DRK Gesundheit. Da habe ich eine Ausbildung gemacht und dann ganz offen mit den Zuständigen geredet und gesagt: „Ich würde gerne Profisportlerin werden, gerne zu den Olympischen Spielen. Könnt ihr mir helfen?“ Es hat funktioniert. Deswegen bin ich, anders als alle anderen in der Nationalmannschaft, daheim in Raubling, wo ich mich wohlfühle. Dort kann ich das mindestens genauso professionell machen, aber mit viel mehr Liebe und Leidenschaft.

Wer kommt denn für das Material oder die Reisen auf? Der Bogen ist ja ein Hightech-Gerät!

Beim Material habe ich viel Unterstützung von meiner Familie gehabt. Bevor ich nicht selber gearbeitet habe, haben das alles meine Eltern zahlen müssen. Mittlerweile ist es so, dass ich das Material über Sponsoren kriege, das sind meistens amerikanische Hersteller. Ich kriege kein Geld, aber ich kriege wenigstens das Material. Der Bogen, so wie der da steht, kostet so um die 4000 Euro. Meine Pfeile, ich habe 50 Stück, da kostet einer 60 bis 70 Euro. Also, das ist auch ganz schön viel.

Man darf also keinen verschießen!

Man sollte nicht, das ist echt eine teure Angelegenheit. Und auch wenn man so Pfeile spaltet, wie es der Robin Hood gemacht hat – das schaut cool aus, aber ist verdammt teuer. Deswegen mögen wir das nicht so gern.

Können Sie das, im Robin-Hood-Style?

Das habe ich schon gemacht, ja. Aber es tut halt einfach dem Geldbeutel wahnsinnig weh!

Und wie läuft das mit der Arbeit?

Bei mir ist es so, dass ich ganz normal Angestellte bei der DRK Gesundheit in Rosenheim als Kundenberaterin bin. Und wenn ich nicht da bin, also über den Sport in Antalya beim Weltcup oder so, dann verzichtet die DRK auf meine Dienstleistung, kriegt aber das Geld von der Sporthilfe zurück. Und ich habe meinen normalen monatlichen Lohn.

So ein Weltcup ist ja auch ein ganz schöner Stress, denn Sie sind ja möglicherweise in drei Disziplinen am Start!

Wenn wir auf dem Weltcup sind, haben wir immer drei Wettbewerbe: Einzel, Team mit zwei anderen Frauen zusammen, und Mixed. Da schieße ich halt nur dann, wenn ich in meinem Einzelwettbewerb die beste Frau war. Dann darf ich auch im Mixed starten.

Bei der Europameisterschaft hatten Sie auch so ein großes Programm!

Die EM ist auch immer nur eine Woche, und da kommt halt dann jeden Tag was anderes. Das ist schon straff. Also, nach so einer Woche Europameisterschaft, da ist man dann schon platt! Bei der Europameisterschaft haben wir die Einzelwettkämpfe am einem Tag und am nächsten Tag ist dann im Team alles. Bei Olympia wird es so sein, dass es quasi auf mehrere Tage ausgedehnt ist.

Welcher Bewerb macht Ihnen am meisten Spaß?

Normalerweise liebe ich den Teamwettbewerb. Da sind wir jetzt auch mit einer Mannschaft am Start, mit der wir letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft gewonnen haben. Das hat uns super zusammengeschweißt und das macht einfach Spaß. Dann eben so Sportmomente, ich hoffe positive, mit anderen zu teilen, wäre richtig, richtig schön.

Was sind denn Ihre Erwartungen, von Ergebnissen mal abgesehen?

Ich war 2012 in London bei den Spielen damals vor Ort im olympischen Jugendlager. Das waren halt Jugendliche aus Deutschland, die zusammengekommen sind und sich das angeschaut haben. Damals war das richtig schön, weil so viele verschiedene Menschen zusammen Sport gefeiert haben. So etwas erwarte ich mir in Paris eben auch, weil das ja alles in der Stadt ist. Ich hoffe, dass die Fans nah dran sind und ich mir auch andere Sportarten anschauen kann. Das Erlebnis im olympischen Dorf wird eine mega Erfahrung. Es gibt so viele Sachen, auf die ich mich freue.

Welche anderen Bewerbe wollen Sie sich anschauen?

Nach meinen Wettbewerben hoffe ich, dass ich mir noch viel anschauen kann. Egal, ob jetzt Leichtathletik oder Ballsportarten. Mal schauen, was sich so ergibt.

Gibt es denn irgendeinen Sportler, den Sie gerne treffen würden?

Ja, diese ganzen Stars. Aber da habe ich mir jetzt gar keine Gedanken gemacht, weil ich normalerweise nicht so ein Fangirl bin, die dann da hinläuft. Ich beobachte das lieber aus der Ferne. Aber wir sind im Trainingslager in der Türkei in einem Trainingszentrum, und da trainieren auch ganz viele sehr gute Leichtathleten und viele Weltklasse-Schwimmer. Deswegen hat man da schon ein paar Berührungspunkte und vielleicht erkennen die ja auch uns und sagen dann zu uns mal Hallo.

Zur Olympia-Teilnehmerin Katharina Bauer!

Ja, genau! Ich kann es noch gar nicht so ganz glauben. Sonst sagt man immer: „Boah, der war bei Olympia.“ Aber jetzt bin ich dann selber eine Olympionikin! Das ist schon cool, weil man halt einfach so davon träumt und weil das so ein Privileg ist, dass ich das mit meinem Sport erreichen kann und jetzt auch mir selbst bewiesen habe, dass ich das kann.

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