Bruckmühl/Reutte – Kurz vor dem Telefonat mit der OVB-Sportredaktion war Antonia Niedermaier noch auf dem Rad unterwegs. „Heute bin ich nur 90 Kilometer gefahren“, erklärte die Bruckmühlerin, die mittlerweile über der Grenze in Österreich lebt. Nur 90 Kilometer? „Nach dem Giro bin ich ein bisschen lockerer, das darf dann schon einmal sein“, sagt Niedermaier, die den Giro d‘Italia der Frauen als Sechste abgeschlossen hat. Es war ein anstrengender Giro für die 21-Jährige. „Wir haben ja jeden Tag 38 Grad gehabt, das war schon hart.“ Und wie kommt man da durch? „Viel, viel kühlen. Wir haben ja zum Glück ziemlich viele Leute dabei gehabt, also viele Mechaniker, Physios und so weiter. Die haben uns eigentlich alle fünf Kilometer am Berg zumindest verpflegt und haben uns da Eis gegeben und kaltes Wasser zum Drüberschütten und viel zu trinken.“ Der Giro ist jetzt aber vorbei und Niedermaiers Gedanken drehen sich ganz um die Olympischen Spiele in Paris – für Niedermaier eine Premiere.
Wenn man Ihnen vor fünf oder sechs Jahren gesagt hätte, Antonia Niedermaier startet bei Olympia, dann hätten Sie wohl erst einmal darauf gehofft, dass Skibergsteigen olympisch wird, oder?
Ja, wahrscheinlich schon. Klar, das mit dem Skibergsteigen war schon ein bisschen hin und her. Dann hat es wieder gut ausgeschaut, dass es olympisch wird, dann wieder nicht. Aber ich glaube sowieso, dass, wenn man mir vor fünf oder sechs Jahren gesagt hätte, dass ich mal zu Olympia gehe, dann hätte ich das wahrscheinlich gar nicht geglaubt.
Und mit Radfahren erst recht nicht, oder?
Nein, gleich dreimal nicht. Da bin ich ja nicht einmal ansatzweise überhaupt Radrennen gefahren. Aber dann ist es natürlich richtig dahingegangen.
Sie bereiten sich ja für eine ganze Saison vor. War da Olympia im Winter schon im Blick?
Eigentlich schon seit letztem Jahr, seit der Weltmeisterschaft. Da haben wir ja die Plätze für Deutschland einfahren können. Ab dem Zeitpunkt habe ich natürlich schon ein bisschen darauf spekuliert, dass es vielleicht so ausgehen könnte, dass ich da mitfahren darf. Natürlich ist es immer formabhängig und man hofft natürlich bis zur letzten Sekunde, dass irgendwie die Leistung überzeugt hat. Deswegen war ich ebenso glücklicher, als die Entscheidung gefallen ist.
Waren die Ergebnisse bei der deutschen Meisterschaft noch einmal der Fingerzeig, dass es für Sie Richtung Olympia geht?
Ja, definitiv. Die deutsche Meisterschaft war ja mit das einzige Zeitfahren, das wir überhaupt in der Saison gehabt haben. Deswegen war es für die Zeitfahrqualifikation auf alle Fälle schon mal ganz wichtig. Und auch das Straßenrennen haben sie sich natürlich genau angeschaut. Der Kurs war relativ ähnlich zu dem, was bei Olympia sein wird.
Sie kennen den Kurs schon ein bisschen?
Ja, ich habe ihn mir schon ein bisschen angeschaut, sowohl das Zeitfahren als auch das Straßenrennen. Wir werden ja relativ früh anreisen, und dann schauen wir uns den Kurs vom Zeitfahren noch einmal genauer an. Und vielleicht haben wir auch noch ein bisschen Zeit, um den Straßenkurs so grob anzuschauen. Wir haben auch schon Videos bekommen, da haben sie die Strecke mit dem Motorrad abgefahren. Also von dem her sind wir schon ein bisschen drauf vorbereitet.
Ist das ein Kurs, bei dem Sie sagen: Das könnte einer für mich sein?
Das Zeitfahren ist recht flach, deswegen ist es wahrscheinlich für mich jetzt nicht ganz optimal. Ich denke aber trotzdem, dass es lang genug ist, um ein gutes Ergebnis einzufahren. Das Straßenrennen ist eher so ein Klassiker-Kurs. Ich denke mal, dass wir da eher für Jana Lippert fahren werden. Bei Olympia ist es aber auch immer ein bisschen ein Überraschungspaket. Vielleicht geht mal eine Gruppe raus und ich habe das Glück und kann mitkommen.
Was haben Sie sich denn vorgenommen?
Ich möchte auf alle Fälle das beste Zeitfahren meiner Karriere fahren und das Beste rausholen. Am Ende sehen wir dann, für welche Platzierung es reicht. Und beim Straßenrennen einfach jede Möglichkeit nutzen, da irgendwie vorne dabei zu sein. Und natürlich auch für meine Teamkollegen gute Arbeit zu leisten, dass wir am Schluss mit einem guten Ergebnis heimfahren können.
Sie sind ja noch Junioren-Fahrerin und nicht in der Pflicht, eine gute Platzierung zu holen. Taucht dennoch im ein oder anderen Traum schon eine Medaille auf?
Ja, definitiv. Selbst wenn ich jetzt noch relativ jung bin. Ich bin halt sehr ehrgeizig, und deswegen ist es natürlich schon ein Traum, dass man mit einer Medaille rauskommt. Ich werde mein Bestes geben, dass das irgendwie hinhauen könnte.
Es sind Ihre ersten Olympischen Spiele, aber Sie haben ja schon mal die Jugendspiele erlebt!
Ja, genau. Das war 2021 in Lausanne in der Schweiz, da bin ich ja beim Skibergsteigen dabei gewesen. Das war auf jeden Fall schon mal ein sehr, sehr cooles Erlebnis. Natürlich noch viel kleiner als die richtigen Olympischen Spiele, aber schon so ein richtiges Wow-Erlebnis.
Was war denn das Coole daran?
Sie haben extra einen Campus für uns gebaut, da hatten wir unsere Wohnungen, gemischt mit den Sportarten. Und das eigentlich Coolste war, dass wir zu jeder Sportart hinfahren konnten. Nach unseren Wettkämpfen haben wir teilweise immer noch beim Curling zugeschaut oder beim Eishockey. Dass da Athleten aus der ganzen Welt und aus allen Sportarten zusammen sind, das hat man irgendwie selten. Also, das ist echt ein Erlebnis.
Auf was freuen Sie sich denn diesmal ganz besonders?
Dass man andere Sportarten anschauen und diese Atmosphäre aufsaugen kann, und diese ganz spezielle Stimmung, die dann da ist. Das ist für jeden Sportler etwas Besonderes. Und jeder, der da ist, der wertschätzt das auch.
Gibt es denn irgendeine Sportart, die Sie sich gerne anschauen wollen?
Dressurreiten, weil ich die Jessica von Bredow-Werndl auch so kenne. Ich finde das immer sehr faszinierend. Aber auch Handball oder Volleyball ist cool anzuschauen.
Werden Sie Unterstützung aus der Heimat mit dabei haben?
Meine ganze Familie ist da zum Unterstützen und Anfeuern. Da freue ich mich auch schon drauf.
Sind Sie auch bei der Eröffnungsfeier oder liegt Ihr Fokus komplett auf den ersten Wettbewerb?
Nein, ich bin dabei. Ich denke, das muss man schon mitnehmen, das ist ja ein besonderes Erlebnis.