Rosenheim – Simon Gnyp ist zwar erst 22 Jahre jung, kann aber schon auf 131 Spiele in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und 148 Begegnungen in der zweithöchsten deutschen Spielklasse zurückblicken. Der Verteidiger ist einer von vielen Neuzugängen bei den Starbulls Rosenheim, die in ihr zweites Jahr nach dem Aufstieg in die DEL2 gehen. Gnyp soll mithelfen, dass die Rosenheimer diesmal auf einem Play-off-Platz landen. Im exklusiven Interview mit der OVB-Sportredaktion spricht der frühere Junioren-Nationalspieler über seine Rolle, das Leben in einem Sport-Internat und neues Leben im eigenen Haus.
Sie haben jetzt mehrere Jahre in der DEL gespielt, nun fangen Sie eine Liga tiefer an. Ganz nach dem Motto „einen Schritt zurück, zwei nach vorne“?
Das kann man schon sagen, aber ich sehe das eher positiv. Rosenheim ist ein super Standort für die Zukunft, einer, der auf jeden Fall erstligatauglich ist. Manchmal ist es auch nicht so schlecht, einen Schritt zurückzugehen. Außerdem ist die DEL2 in den letzten Jahren ja auch richtig gut geworden.
Auch in der DEL2 waren Sie schon an der Scheibe. Hat Ihnen das getaugt, weil Sie eine andere Rolle einnehmen konnten als oben?
Auf jeden Fall. Ich bin eher ein offensiver Verteidiger, der sich aber auch nicht scheut, hinten hart in die Zweikämpfe zu gehen und dort seinen Job zu machen. Im Endeffekt ist mein Touch aber eher offensiv – und diese Rolle ist in der DEL schwer zu bekommen. Dort sind auch mehr ausländische Spieler, die diese Rolle haben. Ich hatte sie in der zweiten Liga und habe mich damit auch wohlgefühlt.
Was nehmen Sie an Erfahrung aus den Jahren in der DEL mit?
Du kannst aus jedem Moment gute Erfahrungen mitnehmen, egal ob negativ oder positiv. Ich habe schon Play-downs und ein Play-off-Finale in der zweiten Liga gespielt, aber auch Pre-Playoffs in der DEL. Für mein junges Alter habe ich schon sehr viel erlebt. Das Wettbewerbsniveau in der DEL ist schon im Training sehr hoch, und das will ich auch nach Rosenheim mitnehmen. Dass du in jedem Training 100 Prozent gibst, weil du dich dann auch im Spiel automatisch besser fühlst. Die DEL ist eine sehr attraktive Liga, die DEL2 aber auch. Das sieht man an den Spielern, die jetzt in diese Liga gekommen sind, sei es ein Drew LeBlanc oder ein Adam Payerl, die auch in der DEL in den letzten Jahren noch Top-Spieler waren. Das sind schon Hochkaräter!
So einer ist auch Charlie Sarault, ebenfalls ein Starbulls-Neuzugang. Mit ihm haben Sie schon zusammengespielt!
Mit Charlie habe ich schon in Ravensburg gespielt. Das ist einer der besser Passgeber in der Liga, der findet dich überall auf dem Eis und ist auch neben dem Eis ein super Kerl. Rosenheim und wir können uns glücklich schätzen, dass wir so einen Spieler haben. C.J. Stretch ist wohl auch so ein Spieler. Da haben wir zwei Top-Passer in der Liga, was auch wichtig ist, um vorne Tore zu produzieren.
Ist es für einen Verteidiger wichtig, wer vor ihm spielt?
Ja, auf jeden Fall. Man sagt als Verteidiger zwar immer „never trust a forward“ (traue keinem Angreifer, d. Red.), aber es ist schon wichtig, dass du deinen Vorderleuten vertraust. Egal, ob Vierte-Reihe-Spieler oder Erste-Reihe-Spieler: Wenn jeder seinen Job macht, dann ist es für Torhüter und alle Mitspieler einfacher. Umgekehrt aber auch.
Sie haben ja schon einige Berührungspunkte im aktuellen Starbulls-Kader!
Mit Dominik Tiffels und Pascal Zerressen habe ich in Köln mein erstes Profijahr gespielt, mit Travis Ewanyk und Ville Järveläinen habe ich in Bayreuth zusammengespielt. Ville ist ein begnadeter Torschütze und hat einen super Schuss, Travis ist ein harter Arbeiter und auch ein super Typ für die Mannschaft. Mit Charlie Sarault war ich in Ravensburg und mit Fabjon Kuqi habe ich bei der Nationalmannschaft gespielt, das ist auch ein herzlicher Kerl und ein guter Hockeyspieler.
Alle neu bei den Starbulls. Für Sie ist Rosenheim aber nicht so neu, Sie sind knapp 50 Kilometer entfernt in Burgkirchen aufgewachsen. Ein waschechter Oberbayer also!
Auf jeden Fall, auch wenn man mir es nicht anhört. Aber ich bin mit 14 nach Köln gezogen und habe mich sprachlich angepasst. Ich lebe seit neun Jahren nicht mehr zu Hause, deshalb spreche ich viel hochdeutsch. Aber wenn ich will, dann kann ich’s schon noch!
Mit 14 Jahren von daheim weg. Wie schnell wird man da selbstständig?
Schon sehr schnell. Für meine Entwicklung war das Internat eine der besten Zeiten, die ich hatte. Ich erinnere mich sehr gerne daran. Du musstest Kleinigkeiten wie Wäsche waschen und Zimmer reinigen selbst machen. Für das Essen wird gesorgt, aber sonst kümmerst du dich alleine darum, wie du zum Training und von dort wieder heimkommst. Du lernst Zeitmanagement. In manchen Dingen bin ich vielleicht auch zu schnell erwachsen geworden.
Was meinen Sie damit?
Man denkt sehr viel über Dinge nach, über die man sich mit 18, 19, 20 Jahren noch gar nicht so beschäftigen sollte. Andererseits ist es auch positiv, weil ich sehr schnell auf eigenen Beinen stehen konnte. Wenn ich selbst hoffentlich mal Kinder haben werde, dann würde ich denen empfehlen, dass sie in ein Sport-Internat gehen. Ich kann es nur aus meiner Sicht von Köln beschreiben: Du bist in einem Umfeld mit lauter Sportlern, das war einfach wunderschön.
Für einen Sportler ist es manchmal nicht so gut, wenn er ins Grübeln kommt. Besser ist es doch, frei von der Leber weg zu spielen, oder?
Ich überdenke sehr viele Dinge manchmal zu stark. Ich arbeite seit einiger Zeit mit einem Mentaltrainer, der mir auch lehrt, dass ich über gewisse Dinge nicht immer so viel nachdenken soll. Seitdem ist das auch schon viel besser geworden.
Früher war das ein Tabu-Thema, mittlerweile sind immer mehr Athleten im Mentaltraining!
Das würde ich auch jedem empfehlen! Der Kopf ist die stärkste Waffe und man sollte sich auch damit beschäftigen, denn sonst gehst du in so einem Haifischbecken unter, wenn du mental nicht stark genug bist. Oft geht es um die Kleinigkeiten und da sind die mental stärksten Spieler auch die Top-Spieler.
Sie haben einige Tätowierungen am Arm, unter anderem auch einen Engel. Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Ja, das bin ich. Der Engel ist eigentlich aber für meine verstorbene Oma, die sehr früh von uns gegangen ist. Meine ganzen Tattoos sind mein Leben gespiegelt, ich will keine Tattoos ohne Bedeutung haben.
Bedeutung hat für Sie die Ernährung. Worauf achten Sie mittlerweile?
Bei der Ernährung können sich viele junge Leute noch weiterentwickeln. Da muss ich meiner Freundin mal ein großes Danke sagen, die daheim versucht, sehr ausgewogen zu kochen. Ich möchte proteinreich essen und Kohlehydrate wie Weizen, Weißbrot oder normale Nudeln vermeiden. Natürlich esse ich die auch mal, ich gehe da nach einer 80:20-Regel vor. Bei den 20 Prozent sind dann schon mal ein Burger oder eine Pizza dabei, man muss halt immer wissen, wann du das isst. Aus der Ernährungs- und Kopfsache kannst du noch zehn Prozent mehr an Leistung hervorrufen.
Auch beim Sommertraining sind Sie neue Wege gegangen!
Ich habe meinen ersten Sommer alleine trainiert. Das erfordert auch sehr viel Selbstdisziplin. Ich bin sowieso einer, der im Sommer gerne sein eigenes Ding macht, viel an den Defiziten arbeitet und versucht, die Stärken noch zu verbessern. Ich habe auch mit dem Flo (Rosenheims Athletiktrainer Florian Schillhuber, d. Red.) gesprochen und seine Sachen mit eingebaut. Ich finde seinen Trainingsrhythmus sehr, sehr gut.
Was haben Sie gemacht? Nur Pumpen oder mehr?
Ich habe auch andere Sachen gemacht, Golfe sehr gerne. Nach dem Krafttraining gehst du halt dann nochmals vier Stunden auf den Golfplatz. Ich war Fahrradfahren und sehr viel Laufen, das ist für den Kopf sehr befreiend. Das Krafttraining darfst du nicht vernachlässigen, schließlich ist der Sommer auch dazu da, um verletzungspräventiv zu arbeiten. Zum Abschluss habe ich sehr viel an der Schnellkraft und der Schnelligkeit gearbeitet. Es war ein abwechslungsreiches Sommertraining.
Sie haben zuvor von Defiziten und Stärken gesprochen – was läuft denn gut und wo geht es noch besser?
Es geht überall immer besser. Meine Stärken sind in der Offensive, die Spielzüge zu erkennen oder auch zu machen. Man kann immer an seiner Schnelligkeit arbeiten, auch an der Handlungsschnelligkeit. Zuletzt habe ich beim Mediana daran gearbeitet, die Reaktionsschnelligkeit zu verbessern.
Was sind Ihre Erwartungen an die neue Saison in Rosenheim?
Auf jeden Fall eine gute Saison spielen. Unser Ziel muss sein, besser als letztes Jahr abzuschneiden. Also mindestens die Pre-Play-offs. Alles, was dann noch kommt, ist ein Bonus. Persönlich will ich eine Top-Saison spielen, der Mannschaft bestmöglich weiterhelfen und auch für die ganz jungen Spieler ein Vorbild sein und ihnen Ratschläge mitgeben, wenn sie Fragen haben.
Trainer Jari Pasanen hat Sie als Top-Vier-Verteidiger angekündigt. Das ist jetzt aber eher ein positiver Druck, oder?
Ja, das ist ein sehr positiver Druck. Ich weiß, wo ich stehe, und ich weiß, in welcher Rolle er mich sieht. Da war ich sehr happy, aber genau deshalb habe ich mir ja den Standort Rosenheim auch ausgesucht. Ich weiß, dass Jari mit jungen Spielern arbeiten kann und mich auch verbessern will. Er wird uns viel abverlangen, aber das ist auch wichtig, weil man sonst in eine gewisse Komfortzone kommt, in der ich nicht sein möchte.
Top-Vier-Verteidiger heißt auch, Verantwortung zu übernehmen. In den Nachwuchs-Nationalteams waren Sie auch schon Kapitän. Liegt Ihnen so etwas?
Ich mag es schon, Verantwortung zu übernehmen, mehr auf dem Eis als in der Kabine. Ich mag es, die Jungs auf der Bank zu pushen. Das macht mir Spaß. Aber wir haben im Team auch viele erfahrene Spieler, die diese Rolle übernehmen und vor denen ich großen Respekt habe, weil sie einfach schon so viele Spiele in der DEL oder in der DEL2 bestritten haben. Ich finde, Erfahrung ist oft noch das Wichtigste.
Sie haben in der DEL2 trotz des jungen Alters schon in Überzahl gespielt. In Rosenheim herrscht da noch Nachholbedarf. Können Sie sich da einbringen?
Das glaube ich schon, das muss aber letztlich der Trainer entscheiden, wer dann im Powerplay spielt. Er wird die Jungs aufstellen, die uns am meisten bringen werden. Ich habe in der DEL2 durchgehend Powerplay gespielt, auch schon mit Charlie Sarault oder Ville Järveläinen. Ich werde meine Chance bekommen und mein Bestes geben.
Wie schnell findet sich so eine Powerplay-Formation?
Das dauert schon ein bisschen. Es ist auf jeden Fall gut, wenn du die Jungs schon kennst. Es wird nicht von Anfang klappen und braucht eine gewisse Eingewöhnungszeit.
Können Sie sich noch an Ihr erstes Tor erinnern?
Das war mit Köln in München, da habe ich das Ding von der Bande aus eher zum Tor geschmissen. Ich habe dann eigentlich gedacht, dass den einer von uns abgefälscht hat, und bin zu den hingelaufen zum Jubeln – und Lucas Dumont ist dann zu mir gekommen und hat mir den Puck überreicht. Der ist vom Gegner abgefälscht worden und ins Tor gegangen. Das war cool!
Kurz vor dem offiziellen Trainingsstart gibt es im Hause Gnyp noch einmal Zuwachs. Was ist da los?
Wir bekommen unseren Dackel, die Daisy. Die ist ganz jung, zehn Wochen alt. Die wird uns am Anfang schon auf Trab halten, aber meine Freundin Carina und ich freuen uns schon richtig. Ich bin mit Hunden großgeworden, meine Mama hat einen elf Jahre alten Labrador und mein Papa einen portugiesischen Wasserhund. Ich liebe Hunde.
Und warum wird es dann ein Dackel?
Das ist so entstanden. Ich wollte eigentlich immer einen großen Hund und meine Freundin unbedingt einen Dackel. Sie hat mir dann immer Videos von Dackeln gezeigt. Das hat rund eineinhalb Jahre gedauert und irgendwann habe ich mich dann auch in Dackel verliebt. Meine Oma hatte auch einen, Bazi hieß der. Und als wir die Daisy das erste Mal angeschaut haben, da wollte ich sie direkt mitnehmen. Jetzt werden wir so eine kleine Familie.