Mühldorf – Alexandra Burghardt hat ihre Saison abgeschlossen. Die Leichtathletin aus dem Landkreis Mühldorf geht mit dem großen Erfolg bei den Olympischen Spielen in Paris in die Pause. In Frankreich hatte die 30-Jährige mit der deutschen 4×100-Meter-Staffel die Bronzemedaille errungen und gehört damit einem elitären Kreis an: Es gibt nämlich sieben – Burghardt eingeschlossen – Sportlerinnen und Sportler, die sowohl bei Winter- als auch bei Sommerspielen Medaillen errungen haben. Burghardt ist die zweite Deutsche nach Christa Luding-Rothenburger, die 1984 und 1988 für die DDR Edelmetall im Eisschnelllauf sowie im Bahnradsport holte. Die gebürtige Mühldorferin war 2022 in Peking gemeinsam mit Mariama Jamanka Silber im Zweierbob gerast.
Von einer möglichen Neuauflage im Eiskanal will die Sprinterin im exklusiven Gespräch mit der OVB-Sportredaktion aber noch nichts wissen. Erst einmal steht der Urlaub auf dem Programm. „Jetzt brauche ich erst einmal ein paar Tage Erholung“, erzählt Burghardt, die am 19. September in Altötting von Bürgermeistern und Landräten empfangen wird, von einer geplanten Tour mit dem Camper. Zuvor sprach die bekennende Kaffeetrinkerin über die Stimmung der Spiele in Paris, Schuheinlagen im Frühjahr und Medaillen im Gewächshaus.
Paris waren ihre vierten Olympischen Spiele – waren es die Schönsten?
Ja, ich glaube schon. Wobei: Von der Leistung her waren Tokio für mich die schönsten Spiele. Obwohl das die ohne Medaille waren.
Damals sind Sie die 100 Meter in 11,07 Sekunden gelaufen!
Genau, da war ich mit meiner Einzelleistung einfach super zufrieden und das war für mich das ganze Jahr so ein Befreiungsjahr. Aber von der Stimmung und der Atmosphäre und vom olympischen Erlebnis war jetzt Paris wirklich das Nonplusultra. Das kann man sich gar nicht schöner wünschen und ich glaube, dass es ganz schwierig wird, das noch einmal zu toppen.
Wie haben Sie diese Stimmung wahrgenommen?
Ganz positiv. Also ich habe natürlich nicht mega-viel Zeit gehabt. Vor dem Wettkampf war ich eigentlich nur einmal kurz einen Kaffee trinken.
Natürlich Kaffee…
Ja, natürlich Kaffee. Aber ich muss sagen, dass mich alles positiv überrascht hat. Die Franzosen waren alle super offen und zuvorkommend. Ich habe das Gefühl gehabt, dass dieser olympische Geist die ganze Stadt angesteckt hat. Es war einfach rundum perfekt eigentlich.
Und es war schön, dass Familie und Freunde dabei sein konnten, oder?
Genau, ja. Also das war ja für mich zum ersten Mal, dadurch, dass ich jetzt zweimal Corona-Spiele gehabt habe. Rio war halt ganz schön weit weg dafür, dass ich damals die klare Ersatzrolle hatte. Da ist natürlich keiner mitgeflogen. Deswegen war das jetzt echt schön, dass ich dann mal nicht mehr davon erzählen habe können, sondern dass das enge Team das einmal jetzt selbst erlebt hat. Die waren alle total geflasht. Es war auch ganz schön anstrengend für alle, das unterschätzt man immer ein bisschen. Alle waren total emotional dabei und haben mich unterstützt und haben, glaube ich, vor Ort auf jeden Fall eine super Zeit gehabt. Und danach haben alle mal ein paar Tage Pause gebraucht.
Und wie ist das jetzt für Sie?
Vor Ort habe ich nicht das Bedürfnis nach Erholung gehabt. Auch jetzt fehlt körperlich das Bedürfnis nach einer großen Saisonpause. Es ist eher mental. Bei mir war es ja doch ein bisschen eine Auf-und-Ab-Saison. Und es hat auf den letzten Drücker dann noch hingehauen für mich, was jetzt am Schluss natürlich alles super ausschaut. Aber es war mental echt mega-anstrengend und auch gar nicht so klar und gar nicht so positiv immer. Da kämpft man sich während der Saison durch, das gehört dazu. Aber danach merkt man dann erst, wie anstrengend es wirklich ist.
Was war denn für Sie der schönste Moment?
Schön war die Siegerehrung. Das hat es zum ersten Mal so ein bisschen geklingelt, dass wir da jetzt was geschafft haben. Dann hat man den Medienmarathon und irgendwie ganz wenig Schlaf, denn wenn man dann mal um zwei oder drei Uhr ins Bett kommt, dann schläft man ja auch nicht gleich ein. Und wenn am nächsten Tag früh die Sonnenstrahlen wieder reinschauen, dann ist man trotzdem gleich wieder wach, schaut ans Nachtkästchen und denkt sich: „Wow, da liegt die Medaille. Das haben wir einfach gestern gemacht.“ Also es ist jetzt nicht so, dass man da große Ruhe verspürt, da haben wir auch ein bisschen Schlaf aufholen müssen. Aber das waren schon so ein paar Momente, wo man sich einfach gefreut und auch immer die Medaille irgendwie hergezogen hat.
Wie waren die Feierlichkeiten danach?
Super. Aber ich muss gestehen: Ich war dann nach der Siegerehrung und nach den Medienterminen kurz am Eiffelturm und da haben wir ein bisschen angestoßen, ganz gemütlich. Das war für mich das schönere Feiern, das ist mir dann eigentlich lieber, als wenn so viel Trubel ist.
Und jetzt ist erst einmal genug vom Trubel und die Saison beendet?
Ja, genau. Ich habe letztes Wochenende meine Saison beendet. Ich habe noch einen kleinen Wettkampf gemacht in der Nähe meines Trainingsstandorts in Zürich. Es war ein kleines Abendsportfest und da bin ich 11,29 Sekunden gelaufen mit einem leichten Gegenwind. Aber ich habe einfach gemerkt, dass ich vom Kopf her gar nicht mehr hundertprozentig im Wettkampf bin. Und ich mag halt irgendwie auch nur Wettkämpfe machen, wenn ich wirklich hundertprozentig dabei bin und nicht einfach so larifari. Und deswegen habe ich mich dann auch entschieden, dass ich es nicht so mache.
Sie stehen jetzt mit sechs weiteren Personen in der olympischen Historie, die sowohl im Sommer als auch im Winter Medaillen errungen haben. Ist Ihnen das schon richtig bewusst?
Ja, das war mir am Anfang nicht so bewusst. Also zum ersten Mal habe ich da ein bisschen nach der Medaillen in Peking einen Berührungspunkt damit gehabt. Alle Bobfahrer haben damals gesagt: „Jetzt packst du nochmal im Sommer an und holst mit der Staffel eine Medaille. Und dann hast du was ganz Cooles geschafft.“ Aber da habe ich mir gar nicht so viel dabei gedacht. Es muss ja immer ganz viel zusammenpassen, dass dann so etwas passiert. Und ich habe ja immer im Team die Medaille geholt. Die Teammitglieder müssen auch alle immer topfit sein. Und das ist halt manchmal auch Glück, dass man dann wirklich an dem Tag zu viert auf der Bahn steht und jeder schnell ist. Das haben wir zum Beispiel in Tokio nicht ganz geschafft. Und ja, deswegen haben die Sterne jetzt mal gut gestanden und dann haben wir uns belohnt.
Noch einmal: Sie sind eine von nur sieben Olympioniken.
Es ist schon witzig, vor allem wenn man bedenkt, dass das ja ganz früh schon vor 100 Jahren passiert ist. Und ich bin die erste Gesamtdeutsche, die das schafft – das ist schon cool und macht mich ein bisschen stolz. Aber das war ja nie das primäre Ziel, mit dem ich irgendwie in den Sport gegangen bin. Das ist jetzt auch nicht wie so ein großer Haken, sondern einfach eine weitere Medaille, über die ich mich freue. Das Schachterl war ja schon ein bisschen gefüllt.
Welche Medaille ist denn jetzt für Sie glanzvoller?
Da kann ich mich nicht für eine entscheiden. Ich finde auch die EM-Medaille in München ganz schön. Die hat für mich einen sehr hohen emotionalen Wert, weil da halt auch so viele Freunde und Familie dabei waren und das einfach ganz magisch war. Eigentlich habe ich immer gemeint, eine schönere Kulisse wie in München kann man als Leichtathlet gar nicht mehr erreichen. Aber Paris war dann schon fast nochmal einen Tick besser.
Und welche Medaille ist optisch schöner?
Das ist auch ganz schwierig. Die Münchner Medaille blättert schon ziemlich ab. Die WM-Medaille aus Eugene ist ein bisschen leicht und windig. Die Olympiamedaillen haben da schon eine gewisse Wertigkeit, weil die sehr schwer sind. Die sind vom Material sehr edel. Mir hat die von Peking sehr gut gefallen, weil sie traditionelle chinesische Sternzeichen drauf hat. Aber die von Paris hat auf der Rückseite ja die Siegesgöttin drauf, die für mich eigentlich so das Bild der Olympiamedaillen ist. Seit es in der Neuzeit Olympische Spiele gibt, gibt es hinten die Göttin drauf. Und das ist schon was Besonderes.
Und es ist ein Stück vom Eiffelturm drin!
Ja, das muss ich auch noch sagen. Da haben sie sich wirklich super coole Sachen überlegt. Und dann gibt es ja im Leichtathletikstadion auch noch diese Glocke gegeben, die alle Sieger läuten haben dürfen. Diese werden dann in Notre Dame aufgehängt, das ist auch ziemlich cool.
Jetzt können Sie in Ruhe Ihre Pläne für das nächste Jahr schmieden. Knacken Sie die 11,0-Marke?
Das ist schon etwas, das ich gerne noch schaffen möchte. Es ist jetzt nicht so, dass ich das machen muss, damit sich bei mir alles erfüllt und fertig anfühlt. Aber wenn es passiert, dann sage ich nicht nein. Und ich glaube auf jeden Fall, dass ich noch schneller laufen kann. Dafür brauche ich einfach mal wirklich ein gesundes, störfreies Jahr. Das habe ich heuer nicht gehabt und letztes Jahr auch nicht. Deswegen ist das primäre Ziel, dass ich gesund durchkomme und ganz in Ruhe an meine Schwächen arbeite, ohne großen Schnickschnack und Stress. Dann bin ich überzeugt, dass es schnell wird und dann kann ich meine Ziele auch erreichen.
Sie haben heuer mit Schuheinlagen rumgebastelt und hatten im Frühjahr Probleme. Was nehmen Sie daraus mit?
Mir war schon bewusst, dass das ein bisschen ein Risiko birgt. Neue Schuheinlagen sind schon eine Veränderung im Körper und das kann auch mal negative Auswirkungen haben. Allerdings war ich jetzt auch nicht ganz neu auf dem Gebiet der orthopädischen Schuheinlagen. Ich bin 30 Jahre alt, habe seit über 15 Jahren Schuheinlagen drin und irgendwie noch nie eine negative Veränderung gespürt. Deswegen wollte ich einfach nur das letzte Prozent für die Perfektionssaison rausholen. Und das ist halt nach hinten losgegangen. Ich darf jetzt nicht im März wieder eine neue Schuheinlage machen, das habe ich auf jeden Fall daraus gelernt.
Aber jetzt gehen Sie schon mit einem Wissensvorsprung in die nächste Vorbereitung?
Das erhoffe ich mir, weil ich mich jetzt körperlich relativ gut fühle. Und ich mag jetzt auch nicht so viel Pause machen, sondern ich möchte mich gerne auf dem Niveau ein bisschen aufbauen und so in die Vorbereitung gehen. Und dann hat man ja eigentlich richtig viel Zeit. Das erste Mal, dass ich das Gefühl habe: Es muss nicht pressieren, dass man fit wird. Die WM nächstes Jahr ist erst im September. Ich habe jetzt eigentlich ein Jahr Zeit, um mich vorzubereiten – und das ist wirklich ein Segen!
Jetzt ist Silber im Medaillenschachterl, auch Bronze ist drin. Da würde doch noch eine Farbe fehlen…
Die habe ich ja schon. Aus München.
Der Blick ist ja auch in Richtung Olympia-Medaillen gegangen…
Ja, ich verstehe schon. Das habe ich jetzt schon öfter gehört. Also: Stand jetzt habe ich es nicht vor.
Die nächsten Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina wären aber in der Nähe der Heimat, wo auch Freunde und Familie dabei sein könnten.
Ja, das stimmt. Aber Stand jetzt fühlt es sich eigentlich nach einer recht runden Sache an. Und ich mag auch das Bob-Erlebnis nicht missen. Aber es ist halt dann doch ein anderer Sport als die Leichtathletik. Als Leichtathletin ist man halt einfach ein Individualsportler und man wird ganz objektiv bemessen. Am Ende muss man quasi vor sich selber gerade stehen und hat allein die Verantwortung über seine Leistung. Und das ist schon etwas, was im Bob halt neu für mich war, dass ich nach 40 Metern eigentlich die Verantwortung abgebe und nicht mehr mitentscheiden kann, wie es ausgeht. Dessen muss man sich bewusst sein: Will ich das oder will ich das nicht? Und jetzt mag ich erst einmal meine leichtathletischen Ziele erreichen.
Bekommt die Medaille eigentlich einen Sonnenplatz oder bleibt sie im Schachterl?
In der Schachtel bleibt sie erst einmal nicht, denn aktuell ist sie oft noch bei mir mit dabei, weil sie ja alle irgendwie sehen wollen. Dafür habe ich dann so einen Socken, in dem die Medaille drin ist. Die Schachtel ist nämlich viel zu groß, um sie überall mitzunehmen. Und wenn es ruhiger wird, dann wird sie in mein Gewächshaus einziehen. So ein kleines, für daheim. Da habe ich mal ganz viele schöne Pflanzen drin gehabt. Und weil ich so viel unterwegs bin, sind mir nach und nach leider alle weggestorben. Jetzt sind da die Medaillen eingezogen und langsam wird der Platz ein bisschen zu wenig.