Bruckmühl/Walchsee – Antonia Niedermaier ist wieder daheim. Sprich in der neuen Heimat. Die 21-jährige Radsportlerin aus Bruckmühl ist umgezogen und lebt nun im österreichischen Walchsee. Davor war sie bei den Olympischen Spielen in Paris und bei der Weltmeisterschaft in Zürich, von der sie gleich drei Medaillen mitgebracht hat. Exklusiv der OVB-Sportredaktion erzählt Niedermaier von den emotionalen WM-Tagen und der Rückkehr zum Skibergsteigen, das erstmals olympisch wird. Und sie hat verraten, dass sie auch in der kommenden Saison für das Team Canyon//Sram Racing in die Pedale treten wird. „Ich habe jetzt für ein neues Jahr verlängert“, so Niedermaier.
Haben Sie emotional schon verarbeitet, was bei der WM passiert ist?
Es ist auf alle Fälle eine anstrengende Woche gewesen, emotional und körperlich. Aber ja, inzwischen bin ich wieder zur Ruhe gekommen. Wir haben jetzt eben einen Umzug gehabt und das hat uns auch ganz gut abgelenkt, um das alles ein bisschen sacken zu lassen. Es war auf jeden Fall eine coole, aber auch eine traurige Woche.
Sie haben die Medaillen eingefahren und danach Umzugskartons geschleppt?
Ja genau. Wir sind zum 1. Oktober umgezogen und ich bin wirklich heimgekommen am Samstagabend und am Sonntag in der Früh haben wir dann schon die Umzugskartons in die Wohnung gebracht. So ist es dann Schlag auf Schlag gegangen.
Und die Medaillen waren irgendwo in irgendeinem Karton?
Die habe ich noch schön im Koffer gelassen, damit sie ja nicht verloren gehen. Aber die werden auf alle Fälle in der neuen Wohnung aufgehängt.
Was bedeuten Ihnen die drei WM-Medaillen?
Ich bin da schon stolz drauf. Das sind jetzt in Anführungszeichen nur U23-Medaillen und nicht Elite. Aber ich glaube, dass es ganz wichtig ist, auch die U23-Wertung beizubehalten, um einfach die Motivation für die jungen Nachwuchssportler und Athleten hochzuhalten.
Fast wäre es sich ja mit einer Elite-Medaille ausgegangen!
Natürlich war es knapp, aber ich kann mir nichts vorwerfen. Ich habe alles gegeben und am Ende waren es halt die paar Sekunden, um die es nicht gereicht hat. Da denke ich mir schon, wo ich die rausholen hätten können. Aber ich habe das analysiert und kann mir wirklich nichts vorwerfen. Ich bin alles so gefahren, wie es in meinem möglichen Rahmen war.
Eine ganz coole Erfahrung war der Mixed-Bewerb, oder?
Ja, total. Ich habe das Mixed-Relay davor noch nie gemacht und habe gar nicht gewusst, was mich da erwartet. Das war ganz was Spezielles. Ich fand es cool, dass wir die Silbermedaille gekriegt haben. Aber es war ärgerlich, dass wir um einen Wimpernschlag die Goldmedaille verpasst haben. Aber ich glaube, wir haben alles rausgeholt. Und von dem her können wir da auch zufrieden sein.
Beim Straßenrennen hatten Sie zum Kämpfen. Nicht nur mit dem Rennen, sondern auch mit dem tödlichen Unfall der Juniorinnenfahrerin aus der Schweiz kurz davor!
Ja genau. Es war erstens ein hartes Rennen, weil der Kurs super anspruchsvoll war und die Wetterbedingungen unglaublich schwierig. Das war wirklich nicht lustig. Und dann eben zwei Tage davor der Unfall von der Schweizerin, die dann am Tag danach verstorben ist. Das war natürlich mental für uns alle schwer. Und ich bin halt ein sehr emotionaler Mensch. Mich nimmt das dann immer noch mehr mit.
Haben Sie Muriel Furrer gekannt?
Ich habe sie nicht persönlich gekannt. Aber so etwas ist natürlich tragisch.
Was waren Ihre Gedanken, als Sie an der Unglücksstelle vorbeifahren mussten?
Jedes Mal wenn man an der Stelle vorbeifährt, wird es einem irgendwie ganz anders. Dann zieht es einem alles zusammen und man denkt sich dann: Das konnte doch nicht passieren! Das ist wirklich unglücklich hergegangen.
Muss man sich da Gedanken über die Sicherheit im Radsport machen?
Ich glaube, es war eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Aber natürlich hätte man vielleicht irgendwas machen können, wenn man sie früher gefunden hätte. Aber es ist immer schwierig, da ein Urteil zu treffen. Im Nachhinein ist man immer gescheiter und weiß immer mehr. So etwas ist halt das Schlimmste, was überhaupt passieren kann.
Zurück zur sportlichen Bilanz: Sie sind mit Gold, Silber und Bronze heimgekehrt. Waren das Ihre Erwartungen?
Ich habe mir schon erhofft, dass ich den U23Weltmeistertitel verteidigen kann. Für das Mixed haben wir jetzt nicht so viele Hoffnungen gehabt. Wir haben gehofft, dass es Platz fünf wird. Dass wir aufs Podium kommen, daran haben wir eigentlich gar nicht gedacht. Und beim Straßenrennen war es ganz klar, dass wir auf den Elite-Titel gehen und auf die U23 nicht so viel Rücksicht nehmen. Und da war eben die Taktik, dass wir, je nachdem wer sich besser fühlt, für Liane (Lippert, Anm. d. Red.) oder für mich fahren. Am Tag selber war eindeutig Liane stärker und hat sich besser gefühlt. Ich habe erst am Ende des Rennens überhaupt an die U23-Wertung denken können.
Ist Ihre Saison beendet oder fahren Sie noch Rennen?
Nein, ich bin jetzt fertig. Jetzt kann ich ein bisschen meinen Haushalt organisieren, da ist nach dem Umzug auch noch was zu tun. Und dann habe ich Zeit für Familie, Freunde und für das Berggehen. In drei, vier Wochen geht es wieder los mit dem Training.
Und zwischendurch gibt es ein paar Wettbewerbe im Skibergsteigen?
Ja, ich möchte schon ein bisschen mitlaufen. Aber nicht mehr so intensiv, sondern nur, wenn sie mich brauchen oder einen Platz beim Nationalteam frei haben.
Und dann gibt es 2026 und 2028 jeweils Olympia-Medaillen bei Winter- und Sommerspielen?
Ja, probieren will ich das auf alle Fälle, aber garantieren kann ich natürlich für nichts. Es gibt auch noch andere, die im Skibergsteigen unbedingt zu Olympia wollen. Und am Ende fährt die, die am besten ist. Das ist einfach so.
Wenn man auf Ihr Jahr zurückblickt: Highlight WM-Medaillen oder Highlight Olympia?
Beides, würde ich sagen. Beides ist für mich auf einer Höhe.
Dürfen Sie nächstes Jahr noch in der U23 fahren?
Eher nicht, weil die UCI (Radsport-Weltverband, Anm. d. Red.) ja die Regelung aufgelegt hat, dass ein Profi nicht mehr bei der U23 starten darf. Deswegen wird das für mich wahrscheinlich ins Wasser fallen.
Wie lautet Ihre Zielsetzung für 2025?
Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr die Tour de France fahren darf. Das wäre für mich ein Highlight. Und generell die ganzen Rundfahrten, da möchte ich auf jeden Fall noch viel lernen und einfach meine besten Performances abliefern.
Wie viel können Sie noch lernen?
Ich glaube, dass man im Radsport wahrscheinlich nie ausgelernt hat. Man kann immer etwas dazulernen, gerade von meinen Teamkolleginnen, die super erfahren sind. Ich lerne Rennen für Rennen etwas dazu. Ich werde immer sicherer und weiß immer besser, was ich mir selber zutrauen kann.
Gibt es denn etwas Spezielles, was Sie noch lernen müssen?
Das Rennen besser lesen, Taktiken, dann auch die Sicherheit im Feld, das ist auf jeden Fall noch ausbaufähig. Aber ich glaube, das kommt mit der Zeit und mit der Rennerfahrung.