Paschke und Wellinger im Fokus

von Redaktion

Vierschanzentournee: Zwei Hoffnungsträger im Kampf gegen die Übermacht

Oberstdorf – Seit 23 Jahren wartet das deutsche Skispringen sehnsüchtig. 2002 gewann mit Sven Hannawald letztmals ein deutscher Adler die Vierschanzentournee. Ab dem 28. Dezember nehmen die Springer des Deutschen Skiverbandes (DSV) einen neuen Anlauf. Dabei liegen die Hoffnungen auf zwei Athleten, die mit gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen die Reise von Oberstdorf bis Bischofshofen antreten.

Dass Pius Paschke in seiner langen Karriere als einer der großen Favoriten zu einer Vierschanzentournee fährt, hat er sich selbst in seinen kühnsten Träumen wohl nicht ausgemalt. Jahrelang pendelte der 34-Jährige zwischen Weltcup und dem zweitklassigen Continental Cup. Von Podestplätzen oder gar Siegen war er weit entfernt. In der Vorsaison platzte im hohen Sportleralter der Knoten. Einem ersten Podestplatz im finnischen Ruka folgte sein erster Weltcupsieg im schweizerischen Engelberg. Im Frühwinter 2024 ging dann der Stern des Skisprung-Oldies so richtig auf. Paschke gewann beim Saisonstart im norwegischen Lillehammer zunächst im Mixed-Teamspringen, siegte dann auch im Einzelwettbewerb und ließ vier weitere Einzelsiege und zahlreiche Podestplätze folgen.

Der Athlet vom WSV Kiefersfelden führt die Gesamtwertung an und war bis kurz vor Weihnachten der große Favorit auf den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Nach zwei verpatzten Generalproben in Engelberg ist es etwas ruhiger um den introvertierten Familienvater geworden.

Während die prominente und auch in der Breite schlagkräftige Konkurrenz aus Österreich gleich mehrfach zuschlug, reichte es für Paschke nur für den zehnten und den 18. Rang seine mit Abstand schlechtesten Platzierungen des Winters. Schnell wurden deutsche Erinnerungen wach – an Träume vom ersehnten Vierschanzentournee-Sieg, die dann wieder nicht in Erfüllung gehen. Paschke selbst nahm die Leistungen von Engelberg gelassen zur Kenntnis. „Wenn du ganz vorne mitmischen willst, musst du Risiko gehen. Heute war es mit dem Schneefall schwierig. Da kann es einfach sein, dass man über das Ziel hinausschießt“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Grund zum Zweifel an der Leistungsfähigkeit des deutschen Überfliegers sieht auch Martin Schmitt nicht. Der jahrelange Vorzeigespringer gewann selbst nie die prestigeträchtige Vierschanzentournee. Daher weiß der heutige Nachwuchstrainer und Eurosport-Experte genau, worauf es jetzt für Paschke ankommt. „Jetzt ist es ganz entscheidend, wie man damit umgeht. Ich habe einen positiven Eindruck von Pius. Mit seiner Ruhe, wie er es beschrieben hat und mit dem Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten. Natürlich wird das erste Training in Oberstdorf ein Fingerzeig werden. Das wird ganz entscheidend sein“, sagte der Schwarzwälder in einer Medienrunde, an der auch OVB Media beteiligt war.

Gegen einen Vierschanzentournee-Erfolg von Paschke spricht, dass noch nie ein DSV-Adler, der in Gelb zur Tournee gereist ist, mit dem goldenen Adler für den Gesamtsieger im Gepäck wieder abgereist ist. Das wiederum spricht dann für das zweite heiße Eisen, das die deutsche Mannschaft im Tournee-Feuer hat.

Vierschanzentournee: Wellinger in Lauerstellung – Drei Österreicher als Favoriten. Im Vorjahr war Andreas Wellinger die große deutsche Hoffnung auf den Gesamtsieg. Er schlug sich wacker, gewann den Auftakt in Oberstdorf und kämpfte bis zum letzten Springen in Bischofshofen um den historischen Sieg. Der 29-Jährige musste sich nur dem herausragenden Japaner Ryoyu Kobayashi geschlagen geben. Mit dem zweiten Platz in der Gesamtwertung war er erst nach einigen Wochen der Verarbeitung zufrieden.

Im Dezember 2024 kommt der Athlet vom SC Ruhpolding aus einer Lauerposition daher. Die Topfavoriten auf den goldenen Adler sind andere. Paschke dominierte bis Engelberg, die Österreicher Jan Hörl, Daniel Tschofenig und Stefan Kraft meldeten nicht erst in der Schweiz ihre Ansprüche auf den wohl wichtigsten Titel im Skispringen an.

Im Kollektiv präsentiert sich Österreich im Vorfeld der Vierschanzentournee als Übermacht. Und genau das könnte letztlich für Wellinger sprechen. Nicht erst im letzten Jahr hat er bewiesen, dass er mit den vier berüchtigten Schanzen umgehen kann. Seit über zwei Jahren ist er der konstanteste deutsche Adler auf Topniveau. Seine lockere und unbeschwerte Art könnte in der hektischen und medial aufgeladenen Tournee ein entscheidender Faktor sein. Der Druck liegt auf anderen. Wellinger kann befreit aufspringen, etwas zu verlieren haben andere.

„Ich weiß, dass ich es kann. Mir gelingt es nicht, das immer abzurufen. Das ist das, was ich mir erarbeiten muss“, sagte er im Vorfeld des Saisonhighlights und ergänzte vielsagend: „Es fehlt nicht viel. Es sind Kleinigkeiten in meinem Sprung, die dann nicht nur zwei, drei Meter ausmachen, sondern dann schnell mal fünf, acht oder zehn.“ Wellinger bleibt – ganz seinem Naturell entsprechend –- zuversichtlich.

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