Bischofswiesen/Bad Aibling – Er hätte sich sicherlich ein schöneres und vor allem späteres Ende seiner Saison gewünscht, doch das war Skifahrer Jacob Schramm in diesem Winter einfach nicht vergönnt. Stattdessen ereilte den Athleten des SC Bad Aibling eines der wohl schlimmsten Schicksale für jeden Sportler: Kreuzbandrisse in beiden Knien.
So war die Saison für den 26-Jährigen schon am 22. Januar beendet. Der gebürtige Oberfranke stürzte im Training auf der legendären Streif in Kitzbühel schwer. Die Diagnose war erschütternd: eine Gehirnerschütterung und Kreuzbandrisse in beiden Knien. An Skifahren war für Schramm von der einen auf die andere Sekunde nicht mehr zu denken. Eine Welle habe ihn leicht ausgehoben, danach sei der Kreuzbandriss im rechten Knie „ein normaler Mechanismus“ gewesen, so Schramm: „Hinten reinziehen, der Ski greift wieder, dann reißt halt mal das Kreuzband. Das ist bei vielen Skifahrern so.“ Dass auch das linke Knie in Mitleidenschaft gezogen wurde, sei allerdings Pech gewesen: „Das habe ich mir dann erst zerstört, als ich mit den Füßen voraus ins Fangnetz geflogen bin. Das war so fest gespannt beziehungsweise so unnachgiebig, dass meine Knie einfach nachgegeben haben. Mit ein bisschen Glück wäre vielleicht nichts passiert.“
Schuld an seinem Sturz gibt Schramm übrigens nicht der Strecke: „Daran liegt es nicht. Grundsätzlich sage ich, das ist einfach das Risiko, das du beim Skifahren hast.“ Dass nach ihm noch viele weitere Fahrer gestürzt sind, kann sich Schramm nur bedingt erklären: „Das war vielleicht ein Kommunikationsproblem. Da war leider ein blöder Schlag genau in der Strecke, und den haben viele erwischt.“
Seitdem kämpft sich Schramm Schritt für Schritt zurück. Allerdings hatte der Wahl-Bischofswiesener dabei erstmals nicht die Piste, sondern den ganz normalen Alltag im Fokus. Der war für Schramm nämlich kaum möglich, da er nach seiner ersten Operation am rechten Knie erst noch im Rollstuhl saß. Gelebt hat er deshalb auch im Ferienhaus seines Physiotherapeuten Marcus Hirschbiel, denn „in meine Wohnung wäre ich mit dem Rollstuhl gar nicht reingekommen“.
Im Laufe der Zeit wechselte Schramm dann auf Krücken, die Einschränkungen im Alltag blieben aber. „Mir fehlt halt einfach noch die Beugung. Deswegen ist Socken anziehen ein bisschen schwierig, Hosen anziehen ist immer ein bisschen Gefusel, weil ich ein Bein nach dem anderen einfädeln muss. Es ist halt alles ein bisschen aufwendiger“, erklärt Schramm. Immerhin kann der 26-Jährige inzwischen wieder ohne Krücken gehen und hat dabei auch keine Schmerzen mehr.
Aktuell trainiert Schramm meistens zweimal am Tag, „danach geht es hauptsächlich darum, zu regenerieren und die Reize, die ich auf beide Knie setze, möglichst gut auszuhalten und dem Knie wieder Zeit zu geben, dass es sich davon erholt.“ Der Fokus liegt dabei vor allem auf der Beugung des Knies. „Ich möchte mich auf Stühle setzen können, ohne dass ich mich irgendwie abstützen muss, und wieder ein normales Gangbild haben. Es muss dafür wieder eine Balance ins Knie kommen“, so Schramm.
Der gebürtige Oberfranke stand dabei etwas unter Zeitdruck, denn am 17. März stand noch die zweite Operation am linken Knie an. Durchgeführt wurde diese von Doktor Manuel Köhne, dem Mannschaftsarzt der Ski-Nationalmannschaft. „Da wird dann einiges an Masse verloren gehen“, gibt Schramm zu bedenken und fügt an: „Deswegen ist es gerade wichtig, dass ich möglichst viel aus der Zeit raushole, sodass die Muskulatur so gut wie es geht erhalten bleibt.“ Sollte die OP gut verlaufen, wäre es der letzte nötige Eingriff.
Dann kann sich der Ski-Profi wieder voll und ganz auf seine Reha und sein Comeback konzentrieren. Um zumindest oberhalb der Hüfte in Form zu bleiben, hat Schramm schon eine Woche nach seiner ersten OP damit angefangen, seinen Oberkörper zu trainieren. „Mit dem Seilzug, mit Bändern, mit ein bisschen Gewichten. Ich bin da schon recht fit. Klar ist das noch nicht auf dem Niveau, das man bräuchte, um Ski fahren zu können, aber es ist auf jeden Fall schon wieder auf einem recht sportlichen Niveau“, gibt Schramm Einblicke.
Nach dem Eingriff am linken Knie ist Schramm wieder auf Krücken angewiesen. Deshalb hoffte er, bis dahin im rechten Knie die volle Belastbarkeit herstellen zu können. Nach der OP wird es dann mindestens vier Wochen dauern, bis auch das linke Bein wieder belastbar ist. „Von da an sind es halt die kleinen Etappenziele. Ich schaue auf jeden Fall von Tag zu Tag, weil man nie genau sagen kann, wie sich das entwickelt und wie das Knie auf Reize reagiert. Die Hauptsache ist, dass ich wieder alltagstauglich werde – dann schauen wir weiter, wie weit es in Richtung Leistungssport gehen kann.“
Für Schramm war es nicht der erste Rückschlag in seiner Karriere. Der Sportler aus dem Frankenwald, der 2012 in den Skiverband Inngau und zum SC Bad Aibling gewechselt ist, hat immer wieder mit Verletzungsproblemen und langen Ausfällen zu kämpfen. Im November 2017 verletzte er sich schwer am linken Knie, vorderes Kreuzband, Meniskus und Innenband waren gerissen. Im Herbst 2020 brach er sich das Daumensattelgelenk. Im Frühjahr 2021 wäre er erstmals für den Weltcup nominiert worden, stürzte aber und verletzte sich an Knie und Schulter. Im gleichen Jahr ergaben sich nach einem Sturz erneut Kniebeschwerden, in deren Folge sich eine Entzündung und ein Knorpelschaden entwickelten. Es folgte eine Operation und Schramm musste sich wieder herankämpfen. Im Frühjahr 2023 erlitt er dann einen Knorpelschaden im linken Knie und es musste erneut ein operativer Eingriff her. Schramm bleibt aber hoffnungsvoll, sein Blick geht schon in den nächsten Winter. „Die Ärzte trauen mir zu, dass ich im Dezember vielleicht schon wieder auf Ski stehen kann. Wenn dann die Belastbarkeit passt, dass ich trainieren kann und körperlich fit bin, warum nicht im März noch zwei, drei Rennen mitnehmen? Wenn man kein Ziel hat, woraufhin soll man dann noch arbeiten?“