Einmal kurz innehalten: U17-Kapitän Martin Mayer in der Kabine, bevor es auf dem Eis richtig ernst wird.Foto Aleksic
Mannheim – Die U17-Nachwuchsmannschaft ist das einzige noch verbleibende Team der Starbulls Rosenheim, das in der laufenden Eishockey-Saison noch um einen Titel spielt. In den Play-offs um die deutsche U17-Meisterschaft steht das Team von Trainer René Wild im Halbfinale gegen die Jungadler Mannheim. Die ersten beiden Spiele der Best-of-five-Serie haben für den Starbulls-Nachwuchs aufgrund des schlechteren Meisterrunden-Tabellenplatzes auswärts stattgefunden, ehe der Ort des Geschehens am Donnerstag um 19 Uhr an die Mangfall wechselt. Die OVB-Sportredaktion war in Mannheim hautnah dabei. Vom Taschenpacken im Rofa-Stadion, der Fahrt im Mannschaftsbus zur SAP-Arena, bis hin zu den Kabinenansprachen und der Übernachtung im Teamhotel haben wir alles exklusiv begleitet.
Treffpunkt 7.30 Uhr am Rosenheimer Eisstadion, Abfahrt 8.30 Uhr. Im Doppeldeckerbus ist genug Platz für die 22 Spieler, das dreiköpfige Trainerteam, den Betreuer und den Nachwuchskoordinator. Im Gepäck: 22 Eishockeytaschen, eine Tasche mit allen Schlägern, Schleifmaschine für die Schlittschuhe, Trikots, Reparatur-Equipment, Kaffeemaschine, Getränke für die Spieler und eine Wärmebox mit warmen Speisen. Das erste der beiden Spiele findet schließlich zwei Stunden nach Ankunft am Mannheimer Arena-Komplex statt. Damit die Spieler vorher genügend Kohlenhydrate zu sich nehmen, wird auf einem Rastplatz ein Zwischenstopp eingelegt.
Während die Spieler im Obergeschoss des Busses die Beine hochlegen und schlafen, um Energie für die anstehende Aufgabe in Mannheim zu sammeln, nutzt das Trainerteam die Busfahrt, um die Videoanalyse fertigzustellen. Den sogenannten „Pre-Scout“, wie Co-Trainer Markus Kempf erklärt. „Vor so einem Spiel sitzt jeder von uns locker drei Stunden da und schaut sich Szene um Szene vom Gegner an, um zu sehen, wie wir ihn schlagen können“, ergänzt Kempf. „Ich teile mir das meistens auf ein paar Tage auf. Da raucht einem schon mal der Kopf, wenn man das am Stück macht.“ Die Spieler werden nach der Ankunft gebrieft. Dafür reist der Starbulls-Tross jedes Mal mit einem eigenen Fernseher an. „Das ist Leistungssport“, sagt U17-Cheftrainer René Wild. „Wir erwarten auch von den Spielern, dass sie das ernst nehmen.“ Sowohl Wild als auch Kempf und der Dritte im Bunde, Ex-Starbulls-Kapitän Gabriel Krüger, haben jahrelang als Eishockey-Profis ihren Lebensunterhalt verdient. Kempf und Krüger durchliefen gemeinsam als Spieler den Nachwuchs in Rosenheim und waren unter anderem Teil der SBR-Mannschaft 1992/93, die unter Trainer Ernst Höfner den Wiederaufstieg in die Bundesliga schaffte. Wild verbrachte seine Profi-Jahre in Österreichs 1. Liga beim Villacher SV und beim Zweitligisten EC Dornbirn. Gemeinsam kommt das Trainergespann auf fast 40 Jahre Profi-Erfahrung.
Angekommen in Mannheim, wird als Erstes die Gästekabine bezogen und der Fernseher aufgebaut. „Das ist das Halbfinale. Das ist jetzt was richtig Großes“, beginnt Wild seine Ansprache vor dem Videostudium. „Jetzt geht es in eine richtige Serie und da ist es wichtig, dass man wieder bei null loslegt. Die Gegner werden immer stärker und wir brauchen von jedem jetzt noch mal einen Step-up individuell im Game“, legt der gebürtige Steirer seinen Jungs ans Herz, bevor es an die Gegneranalyse geht. Für die meisten von ihnen sind es die ersten Play-offs.
Beim Aufwärmen haben die 15- bis 17-Jährigen ihre Routinen – wie bei den „großen“ Profis. Während die Feldspieler draußen vor der Eishalle im „Zwei-Kontakt-Kreis“ einen Fußball hochhalten, sich mit der Koordinationsleiter aufwärmen und Dehnübungen durchführen, bleiben die Torhüter unter dem Hallendach. Für die beiden Goalies stehen zunächst Stabilisierungsübungen auf dem Plan, dann geht es ans Aufwärmen der Augen, Jonglieren mit Tennisbällen und Reaktionsübungen. Schließlich sind bei den Schlussmännern vor allem die Reflexe gefragt.
Nach dem Anschwitzen geht es in der Kabine in die Ausrüstung. Trainer Wild macht die Spieler vor der Partie noch einmal heiß und Kabinen-DJ Christoph Leitner heizt die Starbulls mit der entsprechenden Musik an. In den letzten Minuten, bevor es raus auf die Eisfläche geht, liegt Spannung in der Luft – man kann nur ahnen, unter welchem Druck die Spieler in diesen Momenten stehen. Bevor die Spieler ihre Helme aufsetzen und zum Lied „069“ des Frankfurter Rappers „Haftbefehl“ in den Kampf ziehen, bildet das ganze Team einen Kreis. „Checks zu Ende fahren!“, fordert einer. Der nächste sagt: „Alles geben, Boys“. Trainer Wild: „Ihr habt es euch verdient, Jungs!“ Kapitän Mayer blickt in die Runde und sagt: „Sportbund auf drei: eins, zwei, drei.“ Das ganze Team schreit: „Sportbund, oida!!“
Jetzt wird es ernst und die Rosenheimer Nachwuchstruppe schlägt sich wacker. Im ersten Drittel halten die Gäste gut mit und gehen mit einem 0:0 in die erste Pause. Dann aber schlagen die Mannheimer knallhart zu: Innerhalb von fünf Minuten liegen die Starbulls mit 0:3 in Rückstand und gehen so in die zweite Pause. Zwar können die Rosenheimer im Schlussdrittel noch auf 1:3 verkürzen, zwei Mannheimer Treffer stellen dann aber den 1:5-Endstand her. „Wir sind sehr gut gestartet und auch sehr strukturiert. Wir haben dann aber angefangen, Geschenke zu verteilen – und die hat Mannheim eiskalt ausgenutzt. Dann ist es halt schwierig gegen so eine kompakte Mannschaft. Wir haben zwar zwischendurch ein Momentum kreiert, am Ende hat es aber nicht gereicht. Man hat auch gesehen, dass wir ein wenig müde sind von den Serien davor und der langen Anreise. Ich denke, wir sind die Beine heute ausgelaufen und morgen geht es wieder weiter“, resümiert Wild. Vor der Arena ist es mittlerweile dunkel geworden und es wartet auch schon der Bus und eine warme Portion Penne Bolognese auf die Spieler. Der optimale Zeitraum zur Nahrungsaufnahme ist innerhalb einer halben Stunde nach dem Wettkampf. Dann geht es mit dem Bus auch schon in das 1,6 Kilometer entfernte Hotel – übernachtet wird in Zweierzimmern. Schließlich steht um 7.30 Uhr bereits das Frühstück auf dem Plan, um 9 Uhr die Ankunft an der Arena und um 11 Uhr der Spielbeginn.
Einzig die Videoanalyse fällt am zweiten Tag weg. „Wir haben gestern schon alles besprochen. Es würde heute nichts bringen, die Fehler, die wir gemacht haben, noch einmal zu sehen“, erklärt Co-Trainer Kempf. Bei den Spielern scheint die Niederlage bereits aus den Köpfen zu sein. Im Fußball-Kreis herrscht gute Laune, es wird gelacht und es werden Scherze gemacht. Die Routine vor dem Spiel ist dieselbe. Nach dem „Dryland“-Warm-up, wie es im Eishockey-Jargon so schön heißt, geht es in die Kabine. Nach dem gemeinsamen Einschwören erklingt Haftbefehls „069“, die Spieler setzen ihre Helme auf und ab da an geht es nur noch um Hockey.
Im zweiten Match sieht es besser aus für die Rosenheimer. Zwar gehen wieder die Hausherren in Führung, kurz vor der Pause erzielt Lennox Stein aber den wichtigen Ausgleich für die Starbulls. Im zweiten Drittel läuft anfangs alles nach Plan: Leitner und Mayer erhöhen auf 3:1, Mannheim antwortet kurz darauf aber mit zwei Toren zum 3:3-Ausgleich. Und im Schlussdrittel treffen die Adler einmal in Überzahl, setzen dann in Unterzahl sogar noch einen drauf. Im Fünf-gegen-Drei kommen die Starbulls durch Leitners Tor zum 4:5 zwar noch heran, der Ausgleich wollte aber in den Schlussminuten nicht mehr fallen. Man blickt in enttäuschte Gesichter auf der Starbulls-Bank. Der grün-weiße Nachwuchs war nah dran am Serienausgleich, belohnte sich am Ende aber nicht. Das Heimspiel am Donnerstag um 19 Uhr macht den Jungs von Trainer René Wild aber Hoffnung. Zu Hause und vor hoffentlich zahlreichen Zuschauern könnte es klappen mit einem Starbulls-Sieg. Das vierte Spiel wäre dann am Freitag um 17 Uhr, ebenfalls im Rosenheimer Rofa-Stadion.
Noch am Abend nach dem zweiten Spiel in Mannheim machen sich die Starbulls auf den Heimweg. Einige schlafen auf der Busfahrt, die anderen spielen auf dem Smartphone und auf dem Weg von der Autobahn in Richtung Panorama-Kreuzung kehrt wieder Leben ein im Obergeschoss des Doppeldeckers. Im Eisstadion werden mit der Eishockey-Tasche über der Schulter Bekannte gegrüßt und in der Kabine angekommen, das Equipment am Platz aufgehängt. „Endlich wieder dahoam“, sagt einer der Spieler. In der eigenen Kabine.
Die OVB-Sportredaktion wird die Starbulls-U17 in den Play-offs auch weiter hautnah begleiten. Kurz nach der Saison erscheint eine exklusive Dokumentation.