„Profisport ist so krank geworden“

von Redaktion

Interview „Wiggerl“ Donbeck feiert Bayernliga-Aufstieg als Trainer von Schwaig

Rosenheim/Schwaig – Nur ein Spiel verloren, insgesamt nur 13 von bisher möglichen 90 Punkten abgegeben und vier Spieltage vor Schluss mit 14 Punkten Vorsprung Meister – der gebürtige Bad Aiblinger Christian „Wiggerl“ Donbeck sorgt als Trainer mit dem FC Sportfreunde Schwaig für Furore in der Fußball-Landesliga Südost. Nach der Winterpause marschierte das Team aus dem Pfarrdorf circa drei Kilometer östlich vom Flughafen München mit einer unglaublichen Siegesserie durch die Liga.

Vater des Erfolges ist Trainer Donbeck, der zu seiner aktiven Zeit für Bad Aibling, den ESV, SB/DJK und 1860 Rosenheim spielte, aber auch als Eishockeyspieler aktiv war. Zum Beispiel für die Starbulls Rosenheim oder die Dragodiles Bad Aibling von 1998 bis 2000 in der 2. Liga. Im Exklusivinterview sprach Donbeck über den Aufstieg, über sein Team und über seine Zeit als Spieler der Starbulls Rosenheim.

Vier Spieltage vor Schluss Meister in der Landesliga Südost und Aufsteiger in die Bayernliga. Haben sie die Feierlichkeiten gut überstanden?

Wir haben gut gefeiert, bei mir hat es aber nicht so lange gedauert. Aber die Spieler haben schon richtig Gas gegeben.

Und trotzdem wurde am Ostermontag um 9.30 Uhr wieder trainiert.

Das war schon seit zwei Wochen ausgemacht und dann ziehen wir das auch durch. Und die Spieler haben dann auch echt hart trainiert.

Konnte man mit dem Aufstieg und vor allen Dingen in dieser Souveränität vor der Saison rechnen?

Mit so etwas kannst du nie rechnen. Es war die ersten sechs Wochen nicht einfach – für beide Seiten, weil natürlich alles komplett neu war. Wir haben sechs Stammspieler verloren und dann muss man sich erst einmal kennenlernen und Vertrauen aufbauen. Ich denke, Mitte der Vorrunde haben wir gemeinsam gemerkt, was alles möglich ist, wenn wir uns komplett nur um uns kümmern. Und das werden wir jetzt durchziehen. Bis zum Schluss.

Und auch die letzten vier Spiele gewinnen… Dann hätte Schwaig alle Rückrundenspiele gewonnen.

Genau so. Wir haben jetzt 14 Spiele hintereinander gewonnen.

Bei einem Torverhältnis von 39:6 und dabei 14 Punkte auf den Tabellenzweiten Geretsried gut gemacht. Unglaubliche Zahlen.

Das kommt nicht von ungefähr. Da steckt harte Arbeit dahinter. Wir sind jetzt 28 Spiele ungeschlagen.

Und ihr habt nur ein Spiel verloren. Gegen wen?

Zu Hause gegen Wasserburg. Klar mit 0:3, aber das war in unserer „Kennenlernphase“.

Sie haben aber schon gewusst, dass Schwaig eine starke Mannschaft besitzt.

Wir haben uns optimal verstärkt. Unter anderem mit dem Ex-Rosenheimer Florian Pflügler. Ich habe schon in den ersten Trainingseinheiten gesehen, was für ein unglaubliches Potenzial in der Mannschaft steckt.

Gab es einen Knackpunkt in der Saison?

Mitentscheidend war das Heimspiel gegen Traunstein, als wir 1:3 hinten lagen, viele Chancen hatten, zwei Elfmeter verschossen und trotzdem 5:3 gewonnen haben. Ich glaube, da hat die Mannschaft so hundertprozentig dran geglaubt, dass, egal was passiert, wir alles selbst regeln können, wenn wir unseren Plan zu 100 Prozent durchziehen. Das war auch ein Reifeprozess. Und meine Spieler haben durch die Bank einen Topcharakter.

Nicht nur das. Sie haben auch Topspieler. Zum Beispiel einen Torjäger wie Raphael Ascher. Stimmt es, dass er vor dem Spiel schon mal eine Zigarette raucht?

Grundsätzlich geht es mir darum, was die Spieler, sobald sie die Fußballschuhe anziehen, auf dem Trainingsplatz und auf dem Fußballplatz leisten. Ich kann und will nicht jeden in eine Schublade stecken, so wie ich es gerne hätte. Wir sollten uns alle zurückerinnern, wie wir damals gespielt und was wir alles gemacht haben. Zurück zu Ascher. Wenn er vor dem Spiel eine Beruhigungszigarette braucht, dann ist das so. Das darf er auch, weil er im Spiel bis zur letzten Sekunde rennt, rackert und alles für die Mannschaft gibt. Wenn er das nicht mehr machen würde, dann müsste ich mit ihm reden.

Sie haben mit Leon Roth auch noch einen anderen Torjäger, der 19 Tore erzielt hat. Den haben Sie vom linken Defensivspieler zum rechten Offensivspieler umfunktioniert. Wie kommt man auf so etwas?

Ich war von seiner Schnelligkeit und von seiner Leichtigkeit total überzeugt. Und er ist ein frecher Hund. Man braucht verschiedene Charaktere und verschiedene Typen in der Mannschaft und auch im Trainerteam.

Deshalb haben Sie in der Winterpause ihren Ex-Coach Walter Werner ins Trainerteam geholt. Sie haben ja schon beim SBR zusammengearbeitet.

Ein Glücksfall für mich und uns. Du brauchst natürlich einen Trainer, dem du zu 100 Prozent vertraust, der da nicht hintenrum irgendwas dreht und mit dem du auf Augenhöhe reden kannst. Da habe ich das Glück gehabt, dass ich Woitsche begeistern konnte. Ich kann im Training nicht permanent auf 18 Spieler schauen. Zu zweit kann man auch in Gruppen besser arbeiten und auch die Spielvor- und nachbereitung ist einfacher.

Sie selbst sind als Spieler mehrfach aufgestiegen, aber als Trainer war es das erste Mal.

Richtig. Ich habe als Spieler zum Beispiel Relegationsspiele geliebt. Da kannst du zeigen, was Sache ist, und da hat es auch keine Ausreden gegeben. Da habe ich Verantwortung übernehmen müssen und das auch gemacht. Aber als Trainer stehst du nochmal anders unter Druck. Deshalb ist es als Trainer schon ein anderes Gefühl Meister zu werden.

Sie sind in Ihrer sportlichen Karriere immer zwischen Fußball und Eishockey hin und her gependelt. Experten sagen, sie seien der viel bessere Fußballer gewesen. Was sagen Sie dazu?

Ich glaube, beim Fußball habe ich mehr Talent gehabt. Als ich aus der Jugend rausgekommen bin, konnte man das nicht als kaltes Wasser, in das man geworfen wurde, bezeichnen. Das war unter Roland Hattenberger schon eher Eisbaden. Da hast du gleich mal gewusst, wie es ausschaut. Das war kein Zuckerschlecken. Und dann habe ich immer nebenbei Eishockey gespielt. Als das in Bad Aibling professioneller wurde, habe ich sogar in der 2. Liga gespielt. Ich war ein talentierterer Fußballer mit Emotionen, aber beim Eishockey war ich eher der „Landmaschinentechniker“, der aufs Eis kam, wenn Körperlichkeit gefragt war.

Sie haben auch für die Starbulls gespielt, als Rosenheim ziemlich weit unten war. Wie kam es dazu?

Eines Tages hat mich der Mondi Hilger angerufen. Deutscher Meister, Nationalspieler, eine Ikone in Rosenheim. Da sagt man nicht nein, wenn er fragt, ob man für die Starbulls spielen will. Da sollte man schon hinfahren und zuhören, was er sagt. Ich hab dann in Rosenheim vor teilweise 5000 Zuschauern gespielt, darunter viele Freunde vom Fußball. Das war emotional ein Traum.

Sie waren Spieler, Trainer, sportlicher Leiter, Fußball-Abteilungsleiter und Geschäftsführer bei den Eishockey-Zweitligisten Bad Tölz und Landshut. In welcher Position haben Sie sich am wohlsten gefühlt?

Das mit Schwaig macht natürlich einen Riesenspaß. Bei dem ganzen Schönen, das du im Profisport erlebst, ist das als Funktionär auch komplett irre. Wenn du fünfmal verlierst, dann schreit jeder „Geschäftsführer raus“. Wenn die Mannschaft nicht so spielt, ist der Geschäftsführer schuld. Mittlerweile ist das durch Social Media so krank geworden. Das geht weit unter die Gürtellinie, was da alles abläuft. Im Profibereich ist die Luft sehr, sehr dünn. Aber das tägliche Arbeiten mit Sportlern, das macht schon extrem viel Spaß. Trotzdem möchte ich die Erfahrungen in den anderen Bereichen nicht missen.

Und wie geht es jetzt weiter? Was ist jetzt das Ziel mit Schwaig?

Kurzfristig wollen wir alle Spiele gewinnen. Dann laufen natürlich die Planungen für die neue Saison. Alle wichtigen Spieler haben für die neue Saison zugesagt und wir haben auch vier Neuverpflichtungen. In der Bayernliga müssen wir mit der gleichen Mentalität und mit der gleichen Entschlossenheit in jedes Spiel gehen. Wir werden sehen, wie gut wir sind und um wie viel wir uns verbessern.

Abschließend: Sie sollen ja als junger Spieler nicht einfach gewesen sein. Wie war das damals und haben Sie in Ihrer Mannschaft auch so Typen?

Gott sei Dank nicht. Wenn ich mir vorstelle, wenn meine Spieler so wären wie ich früher, und ich war ja nicht der Einzige, dann wäre das eine Vollkatastrophe. Trotzdem brauchen wir nicht lauter Ja-Sager. Spieler müssen auf dem Platz auch selbstständig Entscheidungen treffen und nicht erst den Trainer fragen. Wenn junge Spieler in einem Leistungszentrum nicht so sind, wie sie sein sollen, werden sie aussortiert. Ich glaube, das ist ein bisschen das Problem im deutschen Sport und im Fußball.

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