„Im Sinne der Gleichberechtigung“

von Redaktion

Starbulls schaffen Dauerkarte für Rollstuhlfahrer ab – Empörung bei betroffenen Fans

Rosenheim – Für Anna Siflinger ist Eishockey mehr als nur ein Hobby. Deshalb besitzt die 38-Jährige auch seit 17 Jahren eine Dauerkarte für die Starbulls Rosenheim, fast jedes Heimspiel des Zweitligisten besucht die Rollstuhlfahrerin. Damit wird in der kommenden Saison aber Schluss sein, denn die Starbulls haben sich dazu entschieden, die Dauerkarten für Rollstuhlfahrer abzuschaffen. „Für uns bedeutet Eishockey einfach alles“, erklärt Siflinger im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion und fügt an: „Und dann schließt man uns auf diese Art und Weise einfach davon aus. Wir sind alle schockiert, weil das am Gedanken der Inklusion meilenweit vorbeigeht“, findet Siflinger klare Worte.

In Zukunft will der Eishockey-Verein die Rollstuhlplätze nur noch als Tagestickets verkaufen – und hat dafür auch mehrere Gründe. „Wir hatten letztes Jahr einige Beschwerden, weil viele Rollstuhlfahrer keinen Platz in der Arena bekommen haben. Es gibt nicht nur acht Rollstuhlfahrer in Rosenheim, die auch Eishockey-Fans sind, sondern durchaus mehr. Durch die Umstellung versuchen wir, es allen, die Interesse haben, zu ermöglichen, ein Spiel besuchen zu können. Ich glaube, das ist eine gute Lösung im Sinne der Gleichberechtigung“, äußerte sich Starbulls-Geschäftsführer Christoph Sandner gegenüber dem OVB.

Damit wollen die Starbulls aber auch ein weiteres Problem aus der Welt schaffen: leere Rollstuhlplätze. „Wir hatten bei mehreren Spielen auch Rollstuhlfahrer mit Dauerkarte, die nicht anwesend waren, aber auch die Zweitmarktfunktion nicht genutzt haben“, erklärt Darwin Kuhn, Sponsoring-Leiter der Starbulls: „Da sehen dann Familienangehörige von Rollstuhlfahrern, dass Plätze frei sind, das eigene behinderte Kind aber keine Möglichkeit hat, ins Stadion zu kommen. Dem mussten wir vorbeugen, um alle gleich zu behandeln. So hat jeder die Chance, sich ein Ticket zu kaufen.“ Siflinger vermisst dabei aber das gewisse Fingerspitzengefühl für die Situation der beeinträchtigten Fans. „Wenn mal einer von uns nicht da war, hat niemand gefragt, ob das am gesundheitlichen Aspekt lag, dass jemand erkrankt war, oder an der eingeschränkten Mobilität, dass derjenige einfach an diesem Tag keine Möglichkeit hatte, hinzukommen. Als Rollstuhlfahrer ist man nicht immer so mobil.“

Die Behindertenbeauftragte der Gemeinde Riedering war in ihrem Leben auch schon oft in anderen Stadien in der DEL2 oder der Oberliga zu Gast – und stellt deshalb einen Vergleich an: „Überall läuft es besser als in Rosenheim, angefangen mit Landshut. Es tut mir leid, dass ich den Erzrivalen erwähnen muss, aber da läuft es am allerbesten. Da kommt man bei jedem Spiel als Rollstuhlfahrer rein, da gibt es überhaupt nichts dran zu rütteln.“ Allerdings müssen die Starbulls hier mit den Begebenheiten vor Ort arbeiten. Acht Rollstuhlplätze gibt es aktuell im Rofa-Stadion, die Nachfrage nach Tickets ist höher. Der Verein alleine kann am Angebot aber nichts ändern, denn das Stadion gehört der Stadt. „Es sind weiterhin zu wenig Rollstuhlplätze, das wissen wir auch. Wir sind aber nur Mieter, das ist ein Thema der Stadt“, so Sandner. Die Starbulls müssten hier die Initiative ergreifen und mit dem Anliegen auf die Stadt zugehen, das haben sie laut Christian Baab allerdings nicht gemacht: „Es ist bislang niemand mit der Bitte nach mehr Rollstuhlpodesten auf uns zugekommen“, erklärt der Pressesprecher der Stadt Rosenheim auf OVB-Anfrage.

Bis zum letzten Sommer lag die Kapazität im Eisstadion noch bei zehn Rollstuhlplätzen. Dann aber baute die Stadt die Plätze um, aus zwei einfachen Metallpodesten wurden acht moderne Hubpodeste. Diese haben einen großen Vorteil, denn die Rollstuhlfahrer können sie selbst bedienen. Das war auch der Grund für die Änderung, wie Kuhn erklärt: „Eine Verordnung besagt, dass behinderte Menschen selbstbestimmt sein müssen. Bei den Metallpodesten haben sie immer eine Begleitperson gebraucht, um rauf und runter zu fahren. Nun können Rollstuhlfahrer ins Stadion gehen, ohne dass sie zwangsläufig eine Begleitperson brauchen.“

Wie der Verkauf der Tageskarten letztlich ablaufen soll, wurde von den Starbulls noch nicht öffentlich kommuniziert. Auf Nachfrage des OVB erklärte Sandner, dass die Tageskarten nur online angeboten werden: „Lässt man acht Rollstuhlfahrer am Spieltag zum Stadion kommen und muss ihnen sagen, dass es keine Karten mehr gibt und sie alles wieder einpacken und heimfahren müssen, wäre das eine Katastrophe“, so der Starbulls-Geschäftsführer. Die Online-Buchung soll den Rollstuhlfahrern eine frühzeitige Planung für den Spieltag ermöglichen – und so auch unnötigen Stress verhindern. Doch auch dieses Vorgehen bringt Schwierigkeiten für die betreffenden Personen mit sich, wie Siflinger weiß: „Ich kenne mindestens drei Rollstuhlfahrer, die mit dem Internet und den modernen Medien nicht so bewandert sind. Die können Karten online gar nicht erwerben, weil sie sich da nicht auskennen.“ Diese beeinträchtigten Fans werden somit auf externe Hilfe angewiesen sein.

Die Umstellung von Dauer- auf Tageskarten wird für die Betroffenen eine große Veränderung sein. Auch Anna Siflinger wird sich erst an die neue Situation gewöhnen müssen. Die 38-Jährige hofft zuvor aber noch auf ein gemeinsames Gespräch mit den Verantwortlichen der Starbulls Rosenheim – um noch einmal persönlich zu erfahren, wieso sie ihre Dauerkarte nun abgeben muss. „Ich weiß, es ist eine verdammt schwierige Situation und jedem kann man es nie recht machen, aber man sollte sich um eine Variante bemühen, mit der alle zufrieden sind“, sagt der treue Fan abschließend.

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