Rosenheim – Josef Höck ist Eishockey-Fan. Und das schon seit über 40 Jahren. Er war live im Stadion dabei, als der Sportbund DJK Rosenheim 1982 den ersten deutschen Meistertitel der Vereinsgeschichte feierte. „Wir haben damals nicht gewusst, dass man Bierträger mitnehmen muss. Ohne Bierträger hattest du überhaupt keine Chance, etwas zu sehen“, denkt Höck auch heute noch gerne an vergangene Zeiten. Allerdings sind seine Stadionbesuche in Rosenheim in der vergangenen Saison stark zurückgegangen. Der Grund: Höck ist Rollstuhlfahrer, doch alle acht Plätze für Rollstuhlfahrer im Rofa-Stadion waren durch Dauerkartenbesitzer belegt – Tageskarten gab es nicht.
„Ich war seit eineinhalb Jahren nicht mehr im Stadion“, erklärt Höck im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion. „Wenn meine Freunde gefragt haben, ob ich ins Eishockey mit möchte, musste ich immer absagen.“ Fünfmal habe er dennoch versucht, an Karten zu gelangen – vergeblich. „Ich glaube, die Starbulls waren schon leicht genervt, wenn ich wieder angerufen habe“, sagt Höck mit einem Lachen. Das wird sich aber ändern, denn die Starbulls haben die Dauerkarten für Rollstuhlfahrer abgeschafft. In Zukunft werden die acht verfügbaren Plätze jedes Spiel einzeln verkauft. So hat jeder Rollstuhlfahrer die Chance, ein Starbulls-Heimspiel zu besuchen. Höck denkt dabei nicht nur an Heim-, sondern auch an Gäste-Fans und hat sogar ein Beispiel: „Ich kenne leider den Namen nicht, aber als ich mal in Landshut zugeschaut habe, gab es einen kleinen Buben, der im Rollstuhl saß. Was mache ich denn, wenn Landshut in Rosenheim spielt und er zuschauen will? Dann kann ich auch nicht sagen, du kommst hier nicht rein. Ich muss ihnen eine Möglichkeit geben, dass eine Position für den Auswärtsgast zur Verfügung steht. Das würde ich auch verlangen, wenn ich in Landshut meine Starbulls anfeuern möchte.“
Ab der nächsten Saison wird Höck seinen Starbulls auch in Rosenheim wieder zujubeln können. Den Starbulls, mit denen er so viele Erinnerungen verbindet. Zum Beispiel eine Begegnung mit der Rosenheimer Legende Ron Fischer. Ihn hat er beim Training im Fitnessstudio kennengelernt, „und er hat mich gefragt, ob ich mit ihm trainieren möchte. Er hat dann die Gewichte für mich von der Stange runter getan und wenn ich fertig war für sich selbst wieder drauf.“ So entstand eine freundschaftliche Beziehung, die es auch aus dem Fitnessstudio heraus schaffte. „Ich habe ihn mal in einem Bierzelt getroffen und er hat mich an seinen Tisch eingeladen“, verrät Höck und fügt an: „Dort war ich dann noch interessanter als er selbst.“
Höck, der sich als Behindertenbeauftragter der Gemeinde Eggstätt für Inklusion einsetzt, ist aber nicht der einzige Rollstuhlfahrer, der sich über die Änderung freut. Auch Harald Oberrenner geht mit der Entscheidung der Starbulls konform, und das, obwohl er selbst kein Eishockey-Fan ist. „Ich habe keine Veranlassung für die Starbulls, ich bin da sehr objektiv“, stellt der Behindertenbeauftragte der Gemeinde Stephanskirchen klar. Für ihn stehen die Barrierefreiheit und die Inklusion im Vordergrund, „und dass in dem konkreten Fall ein bisschen etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, ist offenkundig. Und deswegen müssen wir die Luft aus dem Ballon rauslassen.“
Für Oberrenner steht Fairplay an oberster Stelle – im Sport und im Umgang mit Behinderten. Dass in der vergangenen Saison nur acht Rollstuhlfahrer die Spiele der Starbulls Rosenheim besuchen konnten, das sei allerdings unfair: „Das hat mit Fairplay nichts zu tun, wenn acht Leute bevorzugt werden und man den Rest stehen lässt. Inklusion wäre, wenn alle Rollstuhlfahrer die gleichen Chancen auf Karten haben“, so Oberrenner. Deshalb hat er sich im vergangenen Winter mit seinem Anliegen auch an die Starbulls, genauer gesagt an Geschäftsführer Christoph Sandner, gewandt – und so den Stein möglicherweise auch mit ins Rollen gebracht: „Wir wollen, dass die Inklusion Realität wird und es gerecht zugeht. Und gerecht heißt für jeden gleich. Gerechtigkeit ist Gleichheit.“
Allerdings ist das Thema Inklusion durch die neue Regelung noch nicht abgeschlossen. Oberrenner und Höck wünschen sich beispielsweise auch einen ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten im Verein: „Ich finde es wichtig, dass das Thema bei den Gremien des Vereins präsent ist. Dass der Klub selber sagt, dass ihnen dieses Anliegen wichtig ist“, sagt Oberrenner und fügt an: „Da geht es ja nicht bloß um uns. Ich könnte mir vorstellen, dass ein alter Mensch mit seinem Rollator auch nicht überall hinkommt. Da gibt es Regelungen und Vereinbarungen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir dafür einen Ansprechpartner hätten.“
Das Thema Inklusion könnte die Starbulls also auch in Zukunft noch weiter beschäftigen. Der erste Schritt zur besseren Einbindung aller Menschen mit Behinderungen ist mit dem Wechsel von Dauer- auf Tageskarten für Rollstuhlfahrer getan. Damit ist das Thema aber noch lange nicht beendet. Man wird sehen, was sich in den nächsten Jahren noch ändern wird. Vorerst ist Josef Höck aber glücklich, endlich wieder seine Starbulls im Stadion anfeuern zu können.