Viele Aufstiege, ein Abstieg und eine Tragödie

von Redaktion

25 Jahre Starbulls Steiniger Weg zurück in das Profi-Eishockey mit unvergessenen Momenten

Rosenheim – Haben Sie vielleicht gerade einen Coffee-to-go in der Hand oder lesen Sie die neuesten Nachrichten auf dem Smartphone? Vor 25 Jahren hätten Sie diese beiden Begriffe nicht gekannt – die wurde im neuen Jahrhundert erfunden. Die Starbulls Rosenheim wurden zwar nicht erfunden, aber im Jahr 2000, also vor einem Vierteljahrhundert, gegründet.

In den letzten 25 Jahren passierte sportlich viel – nicht nur im Rosenheimer Eishockey. Schalke 04 wurde 2001 in einem dramatischen Finale nur Vizemeister und damit Meister der Herzen. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft gewann 2018 die Silbermedaille bei den OIympischen Spielen. Deutschland wurde Fußballweltmeister in Brasilien (2014). Michael Schumacher und Sebastian Vettel dominierten die Formel 1. Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic prägten die Tenniswelt.

Die Rosenheimer Eishockeyspieler verloren nach der Saison 1999/2000 die DEL-Lizenz an Iserlohn, die Starbulls in der alten Form waren von der (überregionalen) Eishockey-Landkarte verschwunden, auch, wenn sie in einer Hinsicht weiterhin erstklassig waren. So waren sie als einziger Siebtligist im Teilnehmerfeld der ebenfalls 2000 gegründeten bundesweiten Nachwuchsliga DNL vertreten, zwischen all den Topklubs wie Mannheim, Düsseldorf, Landshut oder Berlin.

Mit Hilger-Tor zurück in die Oberliga

Vier Jahre dauerte es, bis man wieder im DEB-Bereich auftauchte, vier Jahre, in denen die Gegner Berchtesgaden, Forst oder Miesbach 1b (der erste Punktspielgegner in der Bezirksliga) hießen und die Freundschaftsspiele gegen höherklassige Teams attraktiver waren als die Ligaspiele. Mondi Hilger, Mr. Eishockey höchstpersönlich, war es, der den Game Winner im Bayernliga-Finale gegen Landsberg erzielte und seinen Klub zurück in die Oberliga brachte.

Sechs Jahre lang war das dritte Level die Heimat der Rosenheimer, anfangs sehr erfolgreich mit dem zweimaligen Erreichen der Meisterrunde, obwohl man überwiegend auf Rosenheimer und Spieler aus der Region setzte und sogar auf einen zweiten Ausländer verzichtete. Die Stars und Publikumslieblinge waren nach wie vor Rosenheimer: Andi Schneider, Mondi Hilger, Andi Paderhuber und, und, und…

Als aber die Ansprüche stiegen, man mehr und mehr Richtung Zweite Bundesliga schielte und diese Ansprüche auch deutlich formulierte, kamen Rückschläge,und im Play-off2008 schrammte man nur um ein einziges Play-down-Spiel am Abstieg in die Bayernliga vorbei. Gott sei Dank gab es da einen 16-jährigen Nachwuchstorhüter namens Philipp Grubauer, der in der Serie gegen Passau schon andeutete, dass er Jahre später einmal sogar den Stanley in der NHL gewinnen sollte.

Aufstiegscoach Ron Chyzowski musste gehen, ein Jahr später auch sein Nachfolger Markus Berwanger. Das Fahrwasser, in dem das grün-weiße Starbulls-Schiff schlingerte, war rau und stürmisch – bis ein neuer „Kapitän“, ausgerechnet vom großen Lokalrivalen Landshut, das Ruder übernahm.

Mit Franz Steer an der Bande kam die Zeit des Aufschwungs, allerdings nicht sofort. Im Jahr nach dem Beinahe-Abstieg lieferte das bis dahin teuerste Starbulls-Team (mit vier hochkarätigen Legionären, aber immer noch hohem Anteil an Eigengewächsen) zwar ansehnliches Eishockey, schied aber als zweitbestes Süd-Team im Play-off gegen Kaufbeuren aus.

Mitch Stephens mit dem Aufstiegs-Tor

Im Gegensatz zu den Jahren davor, als die Starbulls zum Saisonende hin meist abbauten, steigerten sie sich im Play-off 2010 in einen wahren Spielrausch. Die Saison selbst war unbefriedigend verlaufen und in der Best-of-Seven-Viertelfinal-Serie gegen Bad Nauheim stand man nach fünf Spielen vor dem Aus, als es plötzlich ‚Klick‘ machte! Acht Siege aus den letzten neun Spielen gegen Nauheim, Herne und Peiting (im Best-of-Three-Finale gab es sogar einen „Sweep“) – Gottwald, Stephens, Stanley & Co. hatten ihren berühmten Vorgängern um Hans Zach nachgeeifert, die 1982 ebenfalls von Rang fünf aus die erste Rosenheimer Meisterschaft gefeiert hatten! Und Mitch Stephens gesellte sich als Schütze des Game Winners im entscheidenden Final-Match in Peiting zu Mondi Hilger.

Auch in die höchstmögliche Spielklasse (ein weiterer Aufstieg wäre wegen der „geschlossenen Gesellschaft“ DEL ohnehin nicht möglich gewesen) konnte man die Aufstiegs-Euphorie mitnehmen. Nach Platz sieben in der Punktrunde und einem sensationellen „Sweep“ gegen Vizemeister Heilbronn scheiterte man erst am späteren Meister Ravensburg. Das Beste aber sollte noch kommen: Ein Jahr später war für den Tabellenvierten wieder einzig der Meister eine Runde zu groß, und diesmal sogar erst im Finale. Von den Spielen gegen den großen Rivalen Landshut und speziell vom 1:0-Overtime-Sieg in Landshut durch Corey Quirks Tor schwärmen manche Fans noch heute.

Es passte einfach (fast) alles in dieser Saison. Franz Steer hatte mit Corey Quirk, Torhüter Norm Maracle, Aufstiegs-Held Mitch Stephens und dem nachverpflichteten Patrick Asselin Super-Legionäre an Bord, zugekaufte Spieler wie Beppo Frank, Dominic Auger oder Michael Baindl waren längst zu Publikums-Lieblingen geworden, und nach wie vor führte Kapitän Stephan Gottwald ein Kontingent von rund einem Dutzend einheimischen Stammspielern wie Rohner, Zick, Renner, Schopf oder Hanselko an.

Im Jahr drauf konnte man zwar die Revanche genießen, den amtierenden Meister EV Landshut im Viertelfinale aus dem Rennen zu kegeln, den erneuten Finaleinzug machten allerdings, wie auch in der nächsten Saison, die Bietigheim Steelers unmöglich. In der Punkterunde reichte es „nur“ zu Platz sechs, und auch die Zuschauerzahl ging etwas zurück, aber von der Leistung her enttäuschten die Starbulls mit ihren neuen Legionären Squires, Caruana, DelMonte und Torhüter Pasi Häkkinen keinesfalls.

Die beste Saison war 2013/2014

Die insgesamt beste Saison aber war zweifellos 2013/14. Mit Häkkinen im Tor und Shawn Weller, Tyler McNeely und den Skandinaviern Kim Staal und Robin Weihager war man in puncto Legionärs-Attraktivität bei hundert Prozent, der junge Norman Hauner erwies sich an der Seite von Weller und McNeely als eiskalter Vollstrecker, der „Team Spirit“ stimmte, die Fans waren begeistert und kamen in Scharen. Ein einziger Punkt fehlte Steers Mannen zur Punktrunden-Meisterschaft, nur Bietigheim war im Halbfinale auf die Sekunde genau da, wo die Starbulls die ganze Saison davor waren: Bei 120 Prozent.

Deutlicher Rückschritt ab 2015

Allerdings begann nach den beiden Höhepunkten Finalteilnahme 2012 und Fast-Meisterschaft 2014 der Abstieg. Mit Platz acht und eher „durchwachsenen“ Leistungen war 2015 ein deutlicher Rückschritt erkennbar und das Aus im Viertelfinale nach vier allerdings hauchdünnen Niederlagen gegen den späteren Vizemeister Bremerhaven war die logische Folge.

2016 wieder eine Parallele (oder gleich zwei): Wieder Platz acht in der Punkterunde, und wieder Schluss in Viertelfinale gegen den späteren Vizemeister, diesmal die altbekannten Steelers. Mit Wade MacLeod und C.J. Stretch hatte man das bisher letzte Traum-Legionärs-Duo im Sturm, aber die Tiefe im Kader fehlte diesmal, und zu viele Spieler der zweiten Garde hatten ein eher unterdurchschnittliches Jahr.

Als man nach dem Aus gegen Bietigheim mit dem Schicksal haderte, konnte man nicht ahnen, dass die kommende Saison nicht unterdurchschnittliche, sondern schlichtweg ungenügende Leistungen bringen würden – und das Ende der Zugehörigkeit zur DEL2!

Bis zu neun Stammspieler fehlten

Diesmal hatte Franz Steer sein glückliches Händchen bei der Kontingentspieler-Auswahl verlassen, und die neuen Legionäre Scofield, Gibson und Burt kamen nicht annähernd an die Leistungen ihrer Vorgänger heran. Und weil auch McNeely für seine Verhältnisse schwächelte, bis zu neun Stammspieler wochenlang ausfielen und für Schlüsselspieler wie Michael Baindl oder Peter Lindlbauer die Saison schon Monate vor dem Play-off beendet war, rutschte man ins Desaster. Trotz Heimrechts in den Play-down-Seriengegen Heilbronn und Crimmitschau gingen beide mit jeweils 2:4 Spielen verloren. Im Abstiegs-Finale gegen die Sachsen war Steer schon nicht mehr an Bord; DNL-Coach Tom Schädler versuchte sein Bestes, vergebens. Bad Tölz war wieder oben, die Starbulls nach sieben Jahren wieder drittklassig.

Die angestrebte schnelle Rückkehr in die Zweite Liga (inzwischen DEL2) erwies sich als schwieriger als erwartet. Unter den Trainern Manuel Kofler (2017 bis 2019) und John Sicinski (2109 bis 2022) zählte man zwar stets zum oberen Tabellendrittel, doch in den Play-offs war meist gegen den Nordmeister, die Hannover Scorpions, Schluss.

Dabei war die Kaderzusammenstellung durchaus logisch. Gestandene Ex-Rosenheimer kamen zurück, Routiniers von anderen Klubs bildeten das Gerüst, weitere DNL-Spieler rückten auf, und nachdem zwei schwache Finnen-Legionäre durch Chase Witala und Viteszlav Bilek ersetzt wurden, stimmte es auch hier. Trotzdem scheiterte man als Süd-Zweiter gegen die Scorpions.

2018/19 reichte es nur zu Platz vier. Obwohl das Lineup durchaus ansprechend aussah und das Potenzial vorhanden war, fehlte die Konstanz, auch wenn man zwischendurch wirklich begeisternde Vorstellungen gab. Kontrahenten wie Landshut, Regensburg und Peiting hatten gewaltig zugelegt, und im Viertelfinale stachen wieder die Scorpions zu.

2019/20 war man vom Papier her im Verhältnis zur Konkurrenz (Deggendorf, Regensburg) eher schwächer einzuschätzen, doch bei den Legionären hatte man diesmal mit Joshua Mitchell und später Tadas Kumeliauskas beziehungsweise Jake Smith wirklich erstklassiges Personal, mit Alex Höller und Michael Baindl ein „tödliches“ Duo im ersten Sturm und mit Max Vollmayer, längst einer der Leitwölfe, den mit Abstand offensivstärksten Blueliner der Liga. Youngster wie Rückkehrer Kevin Slezak und Enrico Henriquez füllten nicht nur den Kader, sondern verbesserten ihn auch.

Trotzdem war der fünfte Rang unter Kofler-Nachfolger John Sicinski ein weiterer Rückschritt, diesmal einem wieder steigenden Verletzungspech und einer unerklärlichen Auswärtsschwäche geschuldet. Dem gegenüber standen die Leistungen auf eigenem Eis, wo die Starbulls das Maß aller Dinge nicht nur im Süden waren. An den Scorpions scheiterte man 2020 nicht, wohl aber an Corona, weil die Play-offs wegen der Pandemie ganz ausfielen.

Wieder waren es die Hannover Scorpions

In den beiden Jahren danach dünnte die Pandemie zwar den Spielplan teilweise aus, doch es gab ein Ende mit richtiger Tabelle und Aufstieg. Beide Male kam der Aufsteiger aus dem Süden, doch es waren erneut nicht die Starbulls. 2021 eliminierte Selb die Rosenheimer und stieg selbst auf, ein Jahr später ging es für Regensburg hoch in die DEL2, während für die Starbulls – man ahnt es – die Scorpions das Saisonende bedeuteten, und zugleich auch das Ende für Trainer John Sicinski an der Mangfall.

Brad McGowan traf
in der Verlängerung

Dessen Nachfolger Jari Pasanen war von Anfang an wohl zum Erfolg verdammt, denn erneut wurde der Kader kräftig aufgerüstet – zu kräftig, wie Pessimisten befürchteten. Doch diesmal war es endlich so weit. Trotz des Fehlens des fest eingeplanten Brad Snetsinger und der Tragödie um Mike Glemser, dessen schwerer Unfall das Team aber noch fester zusammenschweißte, folgten die Grün-Weißen von Anfang an Pasanens Plan, und im Gegensatz zu früheren Jahren waren sie rechtzeitig zum Play-off auf dem Leistungsgipfel. Weder Leipzig noch Tilburg noch Angstgegner Scorpions konnten Steffen Tölzer & Co. etwas anhaben, und als Brad McGowan in der Overtime des vierten Finalspiels gegen die in der Punkterunde noch überlegenen Weidener den Siegtreffer erzielte, kannte der Jubel in der wieder einmal ausverkauften Halle keine Grenzen. Fast alle der Routiniers wie Tölzer, Laub, Strodel oder Reiter erwiesen sich als die erhofften Verstärkungen, und Rückkehrer Norman Hauner und Beinahe-Ruheständler Tomas Pöpperle, die erst während der Saison kamen, waren das entscheidende Tüpfelchen auf dem i.

Nach sechs Jahren endlich wieder zweitklassig! Da konnte man es schon in Kauf nehmen, dass die Siege seltener wurden als in der Aufstiegssaison. Leistungen und Einsatz stimmten im Großen und Ganzen, und auch, wenn der Klassenerhalt per Pre-Play-offs hauchdünn verpasst wurde, schaffte man diesen im Playdown gegen den alten Rivalen Bietigheim souverän.

In der bis dato letzten Saison ging es dann richtig aufwärts. Souverän in eigener Halle, überraschend stark auf fremdem Eis – mit diesem Rezept gelang es, der Abstiegszone beruhigend fern zu bleiben und bis kurz vor Punktrundenende sogar auf Platz drei hoffen zu können. Allerdings war das unerwartet deutliche Ausscheiden gegen Favorit Dresden im Viertelfinale ein Dämpfer, doch es gibt trotz des bevorstehenden Kaderumbruchs wenig Grund anzunehmen, dass die Zugehörigkeit zur DEL2 kurzfristig wieder ernsthaft in Gefahr kommen könnte. Das Vertrauen in weitere Erfolge unter Jari Pasanen ist jedenfalls vorhanden.

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