Rosenheim – 16 Jahre Haft für Gewaltattacken auf Fußball-Schiedsrichter? In Italien kann das in Zukunft Wirklichkeit werden. Wer dort künftig einen Schiedsrichter attackiert, muss mit denselben Strafen rechnen wie bei einem Angriff auf einen Polizisten. Möglich macht dies eine Gesetzesänderung der Regierung in Rom. Gewalt gegen Schiedsrichter wird damit als Angriff auf einen „Beamten der öffentlichen Sicherheit“ gewertet und kann mit Haft geahndet werden. Konkret wurde ein Artikel im italienischen Strafgesetzbuch geändert, der bisher Angriffe auf Polizisten und Ordnungskräfte regelte. Künftig fallen auch Schieds- und Linienrichter sowie weitere Personen, die für die Ordnung eines Sportereignisses verantwortlich sind, unter diesen Schutz.
Heißt: Tätern drohen schon bald Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren, bei besonders schweren Fällen von Körperverletzung sogar acht bis 16 Jahre. Sportminister Andrea Abodi betonte bei einer Pressekonferenz in Rom: „Als Antwort auf die beschämenden Vorfälle, bei denen Schiedsrichter immer wieder schändlichen Angriffen ausgesetzt sind, soll ihnen derselbe strafrechtliche Schutz zuteilwerden wie Polizisten.“ In der vergangenen Saison wurden in sämtlichen italienischen Ligen über 600 tätliche Angriffe auf Schiedsrichter registriert.
Könnte Italien damit für Deutschland als Vorreiter gelten? Josef Kurzmeier, Schiedsrichter-Obmann im Kreis Inn/Salzach, ist geteilter Meinung. „Die Idee finde ich gut, muss ich ganz klar sagen. Aber ob es das bei uns braucht, weiß ich nicht“, erklärt er gegenüber dem OVB. Gewaltvolle Attacken auf Schiedsrichter sind in unserer Region eine Seltenheit. Laut „Lagebild des Amateurfußballs“, das der Deutsche Fußball-Bund jedes Jahr veröffentlicht, gab es in Bayern in der Saison 2023/24 bei 199295 elektronisch erfassten Partien 476 Vorkommnisse mit Gewalt und Diskriminierung. Allerdings werden hier auch Fälle, bei denen nur Spieler und Zuschauer involviert sind, dokumentiert. Demnach blieben in der Saison 2023/24 insgesamt 99,762 Prozent aller Fußballspiele im Freistaat ohne Vorkommnisse.
In der Region Rosenheim gab es in der Vergangenheit einen besonders harten Fall. Beim Spiel des FC Iliria Rosenheim gegen den ESV Rosenheim am 3. Oktober 2012 schlug ein Spieler von Iliria dem Schiedsrichter, Thomas Krichbaumer aus Feldkirchen, zweimal ins Gesicht. Der Unparteiische hatte zuvor zwei Spieler von Iliria vom Platz gestellt und in der Nachspielzeit einen Freistoß für den ESV gegeben, den die Gäste zum Endstand von 2:2 nutzten. Krichbaumer leidet nach wie vor an den Folgen einer Augen- und Mundverletzung. Der Täter wurde zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Ein weiterer Spieler des FC Iliria erhielt eine Strafe von sieben Monaten Haft auf Bewährung für einen Angriff auf den ESV-Trainer. Dieser hatte versucht, den Schiedsrichter zu schützen.
„Wir hatten diesen einen schwierigen Fall, aber das ist schon 15 Jahre her. Es sind immer mal wieder kleinere Sachen, aber nichts, wobei ich sage, dass das Angriffe auf den Schiedsrichter sind“, sagt Kurzmeier. Der Obmann selbst ist ein großer Fan von Dialog – um es gar nicht erst zu einem Angriff kommen zu lassen: „Für uns ist der Dialog mit den Vereinen immer ganz wichtig. Dass man wirklich im Vorfeld auf den Gruppentagungen mit den Vereinen spricht oder zu ihnen fährt. Das bringt viel mehr als Gesetzesänderungen. Der persönliche Kontakt ist für mich viel, viel wichtiger als irgendein Gesetz, das ich vielleicht einmal in 20 Jahren brauche.“
Der Bayerische Fußball-Verband hat in den letzten Jahren bereits weitere Maßnahmen zur Prävention eingeführt: das Stopp-Konzept, bei dem der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen und beide Mannschaften in ihre jeweiligen Strafräume schicken kann, und die Regel, dass nur der Kapitän sich beim Schiedsrichter über einen Pfiff beschweren kann. Kurzmeier: „Und wenn man die richtig anwendet, ist das schon eine ganz große Hilfestellung für uns. Ob wir dann auch noch eine Gesetzesänderung brauchen, ist dann wieder dahingestellt.“