Ein Bruckmühler im fränkischen Monaco

von Redaktion

Benjamin Mazatis hat in seiner Rennfahrer-Karriere vom Kart über die Formel 4 bis hin zu GT3-Tourenwagen bei den 24h-Langstreckenrennen auf dem Nürburgring und in Dubai schon viele Rennboliden steuern dürfen. Seit einem Jahr aber gehört der 27-Jährige zu einer handvoll Pionieren, die für die Zukunft des Motorsports neue Wege freischlagen.

Für die Rennstrecke optimiert: Nur von außen ähneln die NXT Gen Cup-Rennfahrzeuge ihrem Pendant von der Straße.Foto Sebastian Jansson

Im Windschatten: Sean Terre (links) saugt sich auf der langen Geraden an Benjamin Mazatis heran.Foto Sebastian Jansson

Nürnberg – Einmal im Jahr verwandelt sich das Areal rund um das Zeppelinfeld in Nürnberg zur Hochburg des Motorsports – wenn das Norisring Speedweekend Fans, Fahrer und Teams aus der ganzen Welt anzieht. Highlight des Ganzen: Die deutsche Tourenwagen-Masters (DTM). Mittendrin ist der 27-jährige Bruckmühler Rennfahrer Benjamin Mazatis. Zwar nicht bei den „großen Jungs“ im GT3-Rennboliden, dafür aber in einer Rennserie, die zukunftsweisend ist. Der NXT Gen Cup befindet sich in seiner dritten Saison seit Gründung 2022 und hat bereits gezeigt, dass spannender und actiongeladener Rennsport auch ohne ohrenbetäubenden Lärm Spaß macht. Denn die Fahrzeuge beim NXT Gen Cup fahren alle vollelektrisch.

„Wir sind eine von zwei vollelektrischen Rennserien auf der Welt“, erklärt der Schwede Fredrik Lestrup, selbst ehemaliger Rennfahrer, Gründer des NXT Gen Cups und Manager der Serie. Vor allem der Gedanke der Nachhaltigkeit hat Lestrup dazu bewogen, sein GT4-Team aufzulösen und stattdessen einen E-Rennwagen auf Basis des Mini Cooper SE zu entwickeln. „Die Ziele der DTM passen sehr gut zu uns. Sie haben das Ziel, in der Zukunft ebenfalls elektrisch zu werden, und wir helfen ihnen dabei, Elektro-Rennsport zu verstehen“, fügt Lestrup an.

„Die größte Umstellung war das Schalten“, sagt Mazatis und lacht. „Am Anfang habe ich immer geschaltet, aber der Wagen hat das ja gar nicht, weil es ein E-Auto ist.“ Mittlerweile hat sich der Bruckmühler aber daran gewöhnt. Das zeigte er auch mit der schnellsten Runde im Qualifying und seiner daraus resultierenden ersten Pole-Position im NXT Gen Cup. „Der Norisring macht mega Spaß. Auch andere Kollegen, die das erste Mal hier auf der Strecke sind, haben mir das bestätigt“, erzählt der 27-Jährige. Mit seinen sieben Kurven auf 2,3 Kilometer ist der Stadtkurs zwar nicht der längste und auf den ersten Blick auch nicht der anspruchsvollste. Die Unebenheiten und wechselnden Straßenbeläge machen den Norisring aber trotzdem zur Herausforderung für die Piloten. Ein Fehler an der falschen Stelle – und der Bolide klebt an der Betonwand. Nicht umsonst nennen die Fans ihren Norisring auch gerne das fränkische Monaco, angelehnt an den legendären Formel-1-Stadtkurs von Monte Carlo. „Hier geht es nicht wie gewöhnlich darum, schnell aus der Kurve herauszukommen. Du musst wirklich schauen, so viel Speed wie nur geht durch die Kurve mitzunehmen. Dann bist du auf dem Norisring schnell“, erklärt Mazatis.

Über 110000 Zuschauer verfolgten heuer die Rennen der DTM, der ADAC GT4 Germany, des Prototype Cup Germany, des Porsche Sixt Carrera Cups und des NXT Gen Cups auf dem Norisring. Die schwedischen E-Renner absolvierten dabei über drei Tage insgesamt drei Rennen. Seine erste Pole-Position konnte Mazatis jedoch nicht wie erhofft in seinen ersten elektrischen Sieg ummünzen. Der Bruckmühler versicherte aber bereits vor dem Rennen, dass die vorderste Startposition nicht unbedingt ein Vorteil ist im E-Mini: „Hier auf den langen Geraden hat man im Windschatten einen großen Vorteil. Das werden die hinter mir gleich von Beginn an versuchen, auszunutzen.“ Nach der ersten Runde fiel Mazatis bereits auf den fünften Platz zurück, konnte aber an der Führungsgruppe dranbleiben. „Man hat ganz klar gesehen: Wenn ich für mich alleine gefahren bin, war ich sehr schnell und habe immer wieder aufgeschlossen“, analysiert Mazatis nach dem Rennen. Die Positionskämpfe kosteten ihm dann aber immer wieder wertvolle Zeit. Am Ende siegte der Niederländer Lukas Stiefelhagen vor dem Deutschen Maxim Dacher und Patricija Stalidzane aus Lettland. Für Mazatis blieb es beim fünften Rang im ersten Rennen. Sichtlich enttäuscht verschwand der Bruckmühler sofort hinter der Garage, zückte sein Handy und analysierte die TV-Bilder. „Ich wurde von hinten in Kurve eins geschoben. Ich wollte ausweichen und plötzlich ziehen alle nach links“, beschreibt Mazatis eine Situation gegen Ende des Rennens. Um Haaresbreite räumte er die beiden führenden Fahrzeuge, die vor ihm die langsamste Stelle passierten, nicht ab und konnte sich trotz des Zwischenfalls wieder an die Gruppe anhängen.

„Was ich wirklich an Benjamin mag, ist, dass er Risiken eingeht und diese auch gut kalkulieren kann“, verrät sein Renningenieur Ludvig Nilsson. „Ich denke auch, dass er ein wirklich schneller Fahrer ist, und ich schätze immer sehr, wenn er auf meinen Rat hört.“ Vor und nach dem Rennen werfen Mazatis und Nilsson einen Blick auf die Telemetriedaten, die im Fahrzeug aufgezeichnet werden, und analysieren so, wo es noch Raum für Verbesserungen gibt. Nilsson kann genau erkennen, zu welchem Zeitpunkt sein Fahrer wie viel eingelenkt hat, die Bremse oder das Gaspedal betätigt hat und welche Linie er durch die Kurve genommen hat. Zusätzlich liegt den beiden das Videomaterial vor.

Im Gegensatz zu den meisten Rennserien gibt es im NXT Gen Cup keine klassischen Teams. Alle Fahrzeuge sind technisch identisch und werden von Lestrups Team in Schweden gebaut. Und um für größtmögliche Chancengleichheit zu sorgen, werden die Autos den Fahrerinnen und Fahrern vor jedem Rennwochenende per Losverfahren zugeteilt.

Mit einem serienmäßigen Mini Cooper hat das Rennfahrzeug nur noch wenig gemein – abgesehen vom Chassis. Der Rest ist kompromisslos auf den Einsatz auf der Rennstrecke ausgelegt. Auch das Cockpit ist, wie bei Rennwagen üblich, auf das Wesentliche reduziert: ein Schalensitz, ein Rennlenkrad, eine digitale Anzeige sowie einige wenige Schalter zur Steuerung der Motor-Modi. Wo sonst der Beifahrersitz wäre, sitzt stattdessen das Herzstück des Antriebs: die mehrere hundert Kilogramm schwere Batterie. Für den gemütlichen Familienausflug ist dieser Mini Cooper also nicht geeignet. „Frau und Kinder haben leider keinen Platz“, scherzt der Gründer Lestrup. Dafür bringt der Wagen 230 PS auf die Vorderachse, beschleunigt auf bis zu 180 km/h und das ohne ein Gramm CO2 auszustoßen. Dafür sorgt vor allem die eigens für den NXT Gen Cup entwickelte 30 kWh-Batterie. „Unser elektrischer Mini ist gebaut, ein neutrales Fahren zu erlauben. Wir haben kein eingebautes Über- oder Untersteuern. Es sind kleine, agile Autos mit viel Luftwiderstand. Die Höchstgeschwindigkeit ist deshalb nicht sehr hoch und das sorgt für sehr enge und spannende Rennen“, verrät Ingenieur Nilsson.

Im zweiten Rennen holte Mazatis dann sein langersehntes erstes Podium im NXT Gen Cup. Zwar kam er als Vierter über die Ziellinie, Maxim Dacher, der als Zweiter ins Ziel kam, wurde allerdings nach einem Zusammenstoß im Rennen eine Zehn-Sekunden-Strafe angerechnet, weshalb Mazatis auf den dritten Rang vorrückte. Auch im dritten Rennen fuhr der 27-Jährige mit dem vierten Rang in die Top-Fünf. Ein versöhnliches Ende für den Bruckmühler im fränkischen Monaco.

Vom 8. bis 10. August gastiert die DTM am Nürburgring, vom 22. bis 28. auf dem Sachsenring und vom 12. bis 14. September geht es für eines von zwei Rennen außerhalb Deutschlands auf den Red Bull Ring nach Spielberg (Österreich). Das Saisonfinale steigt am Wochenende vom 3. bis 5. Oktober auf dem Hockenheimring. Immer mit dabei: Benjamin Mazatis im NXT Gen Cup.

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