Wasserburg – Die neue Saison steht in den Startlöchern, die Fußball-Mannschaften spielen sich ein und arbeiten am letzten Schliff. Manche Spieler aber schuften alleine im Verborgenen, sie schwitzen in der Reha abseits des Platzes und horchen jeden Tag aufs Neue in ihre Körper hinein, ob sich nun endlich die erhoffte Besserung einstellt. Allein beim TSV 1880 Wasserburg gibt es derzeit fünf Langzeitausfälle, auf die dies zutrifft. Ein Thema für die breite Öffentlichkeit waren sie in der vergangenen Saison meistens dann, wenn ihre Mannschaft Spiele verloren hat. „Mit Janik Vieregg, Leon Simeth, Leander Haunolder und Manuel Kerschbaum hätten wir heute gewonnen“, lautete es oft im Volksmund. Damit haben die Wasserburger Fans, die in der vergangenen Saison neben der Startaufstellung teilweise eine ebenso lange Verletztenliste studieren mussten, gar nicht so unrecht. Zumal abgesehen von sechs Spielen auch Robin Ungerath darauf stand. Der Stürmer ist jedoch bereits zurück auf dem Platz, allein gegen Griesstätt und Ebersberg schoss er insgesamt sage und schreibe neun Tore.
Auf diesen Moment wartet auch Janik Vieregg sehnsüchtig. Der 26-Jährige war 2022 als Sturmhoffnung nach Wasserburg gewechselt, bestätigte mit sieben Toren in 21 Spielen auch das in ihn gesetzte Vertrauen, ehe in Dachau – gerade als es für die Löwen sportlich wieder nach oben ging – sein Kreuzband riss. Das erste Mal, denn knapp ein Jahr später am 27. April 2024 riss es kurz nach seinem Comeback erneut. „Gerade den Anfang habe ich schon als sehr schwer wahrgenommen. Du kommst zurück, fühlst dich gut und dann passiert das wieder“, gibt der Stürmer Einblick in sein Seelenleben. Wie hart der Weg gerade für Amateursportler, die ihre Rehatermine um Arbeit, Schule oder Studium herumlegen müssen, ist, belegen die Zahlen, die Vieregg vorlegt: „Allein nach dem letzten Kreuzbandriss waren es etwa 200 Physio- und Arzttermine in 13 Monaten.“ Ein unfassbarer Leidensweg, doch mittlerweile ist wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen: „Ich bin jetzt voll genesen und habe durch verschiedene Testungen die Freigabe auch auf dem Papier.“
Einen Schritt weiter ist da bereits Leon Simeth. Der zentrale Mittelfeldspieler absolvierte aufgrund von Sprunggelenksproblemen in der Vorsaison nur drei Spiele bei insgesamt 43 Minuten Spielzeit. „Das Schlimmste war die Ungewissheit, wann ich wieder spielen würde. Erst hieß es, ich kann in der Sommervorbereitung einsteigen, dann, dass ich operiert werden muss. Dabei hieß es, ich bin zur Rückrunde wieder fit, aber es hat sich ewig hingezogen“, berichtet der 24-Jährige. „Das Gefühl wurde von Spiel zu Spiel schlimmer. Zuschauen und nicht eingreifen können, ist frustrierend.“ Vergangenen Samstag gab Simeth beim Testspiel in Griesstätt sein 22-minütiges Comeback und traf dabei sogar – Balsam für die Sportlerseele.
In der Saison 2023/24, die die Löwen auf dem Relegationsplatz beendeten, bildete Simeth gemeinsam mit Manuel Kerschbaum die Doppelsechs. Am 18. Mai 2024 standen sie am letzten Spieltag das letzte Mal gemeinsam auf dem Platz, denn auch Manuel Kerschbaum hat seither im Grunde kaum noch gespielt. Der kleine Wirbelwind leidet an einer Schambeinentzündung, die ihn seit über einem Jahr lahmlegt. „Mein Ziel ist es, einfach gesund zu werden und dass ich wieder Fußball spielen kann“, bekennt der 24-Jährige. In der Vorsaison absolvierte er fünf Spiele, manchmal war er nah dran, aber dann auch wieder doch nicht. Für die Wasserburger Kaderplaner stellte der in beiden Fällen ungewiss lange Ausfall der beiden Sechser ein schier unlösbares Rätsel dar: Braucht es Verstärkung oder kommen sie doch schneller zurück? Ist der Kader zu groß, wenn noch ein Sechser kommt und dann tatsächlich alle fit sind? Fragen über Fragen, auf die es keine validen Antworten gab.
Es war die Quadratur des Kreises. Denn als sich zum Start der Wintervorbereitung in Leander Haunolder ein weiterer Sechser auf unbestimmte Zeit abmeldete, war es umso bemerkenswerter, dass die Innstädter in der Rückrunde ungeschlagen blieben und fast alles gewannen. Bei Haunolder stellte sich nach zahlreichen Untersuchungen heraus, dass er an Pfeifferschem Drüsenfieber erkrankt war. Rückkehr? Ungewiss. „Schwierig war für mich, dass nicht klar war, wann ich wieder anfangen kann zu trainieren, da dies bei meiner Krankheit sehr individuell verläuft, was mir mein Arzt auch immer wieder klarmachen musste.“ Seit Mitte Juni ist der Abfangjäger wieder zurück im Training und konnte die gesamte Vorbereitung absolvieren: „Mir geht es mittlerweile wieder richtig gut. Körperlich fühle ich mich fit und bereit, wieder voll anzugreifen. Die Unterstützung von Verein, Mannschaft und Familie war immer da, wofür ich sehr dankbar bin.“
In Maximilian Pichler haben die Innstädter im Sommer einen weiteren Langzeitverletzten verpflichtet, der seit einem Jahr aufgrund einer schweren Adduktorenverletzung kein Spiel mehr bestritten hat. Die Löwen haben aber schon vor Jahren bei Michael Pointvogel oder zuletzt bei Maxi Biegel oder Josef Stellner, die sie alle während einer langen Verletzungspause geholt haben, bewiesen, dass sie Verletzte immer wieder aufpäppeln und ihnen Hilfe und Vertrauen schenken. „Die Reha sieht sehr gut aus. Hoffentlich kann ich in drei, vier Wochen wieder spielen“, so Pichler, für den immer klar war, dass er „wieder Fußball spielen will, auch wenn es ein Jahr dauert“.
Neben den Ärzten ist der Mann, der über die Comebacks entscheidet, der Cheftrainer. Florian Heller muss eine Handvoll Spieler wieder in die Mannschaft integrieren und zurück in den Wettkampfmodus führen. „Es ist sehr speziell und auch eine große Herausforderung als Trainerteam. Wir sind auf eine sehr gute Kommunikation mit unserer medizinischen Abteilung und den Spielern selbst angewiesen, da man immer wieder nachfragen muss, wie es dem Spieler geht, wie die Muskulatur auch an anderer Stelle die Trainingsbelastung wegsteckt.“ Mit Ben Srenk haben die Löwen extra einen Athletiktrainer verpflichtet, der Heller und den Spielern bei der Wiedereingliederung hilft: „Bei der Rückkehr ins Mannschaftstraining steht vor allem die individuelle Belastungssteuerung im Vordergrund. Jeder Spieler und jede Verletzung ist unterschiedlich, deshalb ist es wichtig, schrittweise und gezielt an die Anforderungen des Teamtrainings heranzuführen.“
Heller weiß als ehemaliger Bundesligaprofi ganz genau, dass auch die Bindung zur Mannschaft von großer Bedeutung ist: „Bei Passformen und technischen Übungen wollen wir die Jungs integrieren und zur Mannschaft holen. Sie dürfen nie das Gefühl haben, dass sie abgeschrieben sind. Der Kontakt zu den Mitspielern ist ganz wichtig.“ Die Situation und die Fitness der fünf rekonvaleszenten Löwen ist momentan noch ganz unterschiedlich und Prognosen aufgrund der komplizierten Krankenakten schwierig, doch im Laufe der Saison sollen alle in den Spielbetrieb integriert werden. Dies erfordert Geduld von allen Seiten, doch wenn es gelingt, hat sich der lange Weg gelohnt.