Ruhpolding – Sie ist 16 Jahre jung, geboren in Traunstein, aufgewachsen in Ruhpolding und sie hat das große Ziel, möglichst schnell in den Profi-Radsport einzutauchen: Lilly Kellerer. Und diesem Ziel ordnet sie alles unter, hat ihre Schulzeit in Ruhpolding und Marquartstein abgeschlossen und gehört seit September letzten Jahres der Eliteschule des Sports in Nürnberg an. Sie wird dort schulisch ebenso gefördert und gefordert wie in ihrem noch so jungen Sportler-Leben. Als Mitglied des Bayernkaders hat sie schon Podestplätze bei deutschen und bayerischen Meisterschaften eingefahren, ihr Verein ist der RSV Rosenheim.
„Es macht sehr viel Spaß, wir sind drei Mädels in der U17, wir verbringen viel Zeit miteinander und trainieren auch gemeinsam“, erzählt Kellerer, die den Schritt aus dem Chiemgau nach Mittelfranken noch zu keinem Zeitpunkt bereut hat. Bis zu 14 Stunden trainiert sie wöchentlich auf der Straße, auf der Bahn und im Studio, ihr Ziel ist aber die Straße, auf der sie sich am wohlsten fühlt. Dass sie in der Eliteschule aufgenommen wurde, hängt mit ihrem großen Talent und mit ihren Erfolgen zusammen. Vorausgegangen war ein dreitägiger Schnupperkurs im Internat, von dem sie sofort Feuer und Flamme war. Größter Förderer war ihre Jugendtrainerin Anna Jakobs aus Simbach, die heute in Bernau zu Hause ist. Sie ist eine Freundin geworden und auch ihre Beraterin.
Die Bertold-Brecht-Schule in Nürnberg ist eine von über 40 deutschen Eliteschulen des Sports. Das Prädikat wird durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vergeben. Es sieht als Bildungseinrichtung die Förderung des Leistungssports im Verbund mit Schule und Wohnen vor. Insgesamt vier Jahre wird die Ruhpoldingerin hier zu Hause sein. Die Einrichtung ist vergleichbar mit der Christophorusschule in Schönau am Königssee, wo ausschließlich Wintersportler gefördert werden, oder mit der Eliteschule des Sports in der bayerischen Landeshauptstadt in München-Nord.
Die Schule in Nürnberg gibt es seit 2008, startete mit Fußball, 2012 kamen andere Sportarten hinzu, heute sind es insgesamt 13 von Badminton über Basketball, Fechten, Golf, Hockey, Judo, Leichtathletik bis Ringen, Schwimmen Taekwondo, Triathlon und Radsport, wobei hier mit MTB, BMX, Straße und Bahn gleich vier Disziplinen zusammengefasst sind. Die Bertolt-Brecht-Schule nahe dem Messegelände in Nürnberg wirbt mit dem Slogan: „Unsere Zielsetzung ist es, sportlich besonders talentierten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, ihr Talent und ihre schulische Ausbildung optimal miteinander zu verbinden.“ Die Schule zählt über 1800 Mädchen und Buben und hat 157 Lehrer.
Das sportliche Talent hat Lilly Kellerer von den Eltern und ihrer Tante Isabell Kraus, die Spartenleiterin Ski alpin beim SC Ruhpolding ist. „Wir lieben Mountainbiken, da war Lilly von ganz klein an dabei“, weiß ihre Mutter Marina Kellerer. Und weil der kleinen Lilly das Radeln so Spaß machte, bestritt sie ihre ersten Wettbewerbe beim Pölz-Cup, der beliebten Einsteiger-Rennserie im Landkreis Altötting. Die ersten Starts absolvierte sie noch für den SV Ruhpolding, der vor Jahren noch eine Radsportabteilung hatte. Vom Bike ging es dann auf die Straße, schnell kam Kellerer in den Bayernkader und da erfolgte auch der Wechsel zum RSV Rosenheim.
Dabei muss man wissen, dass der RSV Rosenheim eine Top-Adresse im deutschen Straßenradsport ist. Den Verein gibt es seit über 100 Jahren, aus seinen Reihen gingen insgesamt schon acht Nationalfahrer und -fahrerinnen hervor, auch viele deutsche und bayerische Meister. Vier RSV-Radler starteten schon bei Weltmeisterschaften in der Schweiz, Italien und Neuseeland. Die Trikots des RSV Rosenheim sind auf vielen ausländischen Rundfahrten zu sehen. In Ländern wie Guatemala, Spanien, Frankreich, Polen, Österreich, Belgien, Schweiz und Italien sind die RSV-Vereinsfarben schon vertreten gewesen.
Lilly Kellerer startet als 16-Jährige in der U17-Klasse weiblich, hat hier auch schon erste Erfolge gefeiert. Sie wurde in die Jugend-National-Mannschaft berufen, gewann mit ihrem Team im thüringischen Gotha die TMP-Jugendtour, ein extrem stark besetztes Rennen. Sie war bei den deutschen Meisterschaften auf der Bahn mit der bayerischen Mannschaft Dritter. Im Ranking ihrer Klasse nimmt sie in Deutschland aktuell den fünften Platz ein, bestreitet derzeit die Bundes-Nachwuchs-Serie. Auf der Bahn war sie bayerische Meisterin, auf der Straße bayerische Vizemeisterin. Beim Vier-Tages-Rennen in Stuttgart belegte sie Rang zwei und feierte einen Etappensieg. Trainiert wird mit den U19-Damen und auch mit der männlichen Konkurrenz. Ihr Trainer an der Schule ist der Grieche Stefanos Georgiadis, der große Stücke auf sie hält.
Ein Vorbild hat Lilly Kellerer nicht, sie spricht auch noch nicht von Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. Aber sie hat im Radsport ihre große Liebe gefunden. „Ich weiß, ich muss gerade in Sachen Taktik noch viel lernen, aber bisher funktioniert alles bestens. Ich bin so froh, dass ich hier an der Eliteschule des Sports sein darf“, sagt die 16-Jährige ganz bescheiden. Gerne kommt sie auch immer nach Ruhpolding zurück, was während der Renn-Saison aber kaum möglich ist – Schule, Training und Wettkämpfe fordern ihre ganze Kraft. Da muss dann auch die Familie etwas weiter hinten anstehen.