„Es geht mir unheimlich gut“

von Redaktion

Interview Markus Eisenbichler spricht über seine Karriere, den neuen Alltag und Pläne

Siegsdorf – Über ein Jahrzehnt prägte Markus Eisenbichler das deutsche Skispringen entscheidend mit. In seiner Karriere gewann er sechs Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und hält damit den deutschen Rekord. Seinen letzten großen Erfolg feierte der Siegsdorfer bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking, wo er mit dem deutschen Team die Bronzemedaille gewann.

Im Interview spricht der 34-Jährige über sein Leben nach dem Skispringen und sagt: „Es geht mir unheimlich gut“. Zudem blickt er auf seine Karriere zurück, spricht über die Jugendzeit und verrät, warum sein Vater ihm schon viel früher zum Rücktritt geraten hat. Außerdem geht es um seine berufliche und sportliche Zukunft.

Wie geht es in der Skisprung-Rente?

Es geht mir unheimlich gut, danke. Ich war während meiner aktiven Zeit auch glücklich und zufrieden, der Sport hat mir wahnsinnig viel gegeben. Aber jetzt bin ich in einem anderen Lebensabschnitt, der mir sehr gut bekommt. Ich kann die Dinge tun, auf die ich jahrelang verzichten musste. Das gibt mir sehr viel und ist ein tolles Gefühl.

Ein Grund des Rücktrittes waren körperliche Beschwerden, insbesondere im Knie. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Auch hier geht es mir sehr gut – so gut wie seit knapp vier Jahren nicht mehr. Ich habe aktuelle keine Schmerzen, auch das Knie macht keine Probleme. Ich merke, dass die Stoßbelastungen nicht mehr da sind und dadurch meine Gelenke entlastet werden.

Dennoch sind Sie sportlich sehr aktiv. Auf Urlaubsfotos hat man deutliche Veränderungen ihres Körpers wahrnehmen können…

Auch hier befinde ich mich in einem neuen Lebensabschnitt. Ich muss nicht mehr spezifisch trainieren und kann genau das tun, worauf ich Lust habe. Ob Radfahren, Bergwandern, Klettern, Fußball oder Tennis – ich habe große Freude an verschiedenen Sportarten. Während der aktiven Karriere kam das logischerweise zu kurz, da lag der Fokus auf spezifischem Training fürs Skispringen.

Den Skispringern wird oft nachgesagt, dass sie besonders dünn sein müssen. War das ein Problem für Sie?

Ich sehe das aus einer differenzierten Perspektive. Einerseits ist es bei weitem nicht mehr so sehr, wie es im Skispringen schon einmal war. Auf der anderen Seite spielt das Gewicht in unserem Sport eine wichtige Rolle, wie in vielen anderen Sportarten auch. Ich selbst hatte damit keine Probleme während der aktiven Zeit, ich bin diesbezüglich auch gut veranlagt. Aber auch hier habe ich jetzt natürlich mehr Freiheiten, als es vorher der Fall war.

Was fehlt Ihnen aus dem Leben eines Profisportlers?

Ich vermisse das Team und insbesondere meinen langjährigen Zimmerkollegen Karl Geiger. Wir sind echte Freunde geworden und sehen uns jetzt natürlich deutlich seltener. Auch das Fliegen und der Nervenkitzel gehen mir gelegentlich ab, aber das hält sich in Grenzen. Grundsätzlich bin ich mit meiner Karriere sehr zufrieden und habe den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt gefunden. Ich blicke ohne Wehmut zurück und bin dankbar, dass ich diesen Schritt zur richtigen Zeit gegangen bin.

Was vermissen Sie gar nicht?

Das viele Reisen fehlt mir überhaupt nicht. Klingt auf den ersten Blick komisch, wird von außen aber oft unterschätzt. Gerade im Winter war ich kaum zuhause, habe meine Familie und Freunde sehr selten gesehen. Natürlich kommt man viel herum und ist in vielen verschiedenen Ländern. Außer den Flughäfen, Hotels und den Sprunganlagen sieht man aber nicht wirklich viel. Mit dem klassischen Reisen hat das wenig zu tun. Es ist eher eine Belastung, die mir überhaupt nicht fehlt.

Sie haben am 12. März ihr Karriereende bekanntgegeben. Was waren die Gründe ein Jahr vor Olympia aufzuhören?

Die körperlichen Beschwerden wurden über die Jahre größer. Ich habe viel versucht, es wurde aber einfach nicht besser. Es war mir immer wichtig, dass ich nach der Karriere gesund bin und weiter Sport machen kann. Das war der Hauptgrund des Rücktritts. Dann war da noch der sportliche Aspekt. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass ich noch punktuell in der Weltspitze mitspringen kann, aber nicht mehr konstant. Was letztlich überhaupt nicht enttäuschend ist. Ich habe als kleiner Bub angefangen und hatte das Ziel, in den Weltcup zu kommen. Daraus ist viel mehr geworden, als ich es mir damals erträumt habe. Mir ist klar geworden, dass man auch mal mit dem zufrieden sein kann, was man erreicht hat. Es muss nicht immer mehr und mehr sein. Es gibt als Leistungssportler ein Ablaufdatum und eine Zeit danach.

Wann kamen die ersten Gedanken an einen Rücktritt auf?

Auch wenn es komisch klingt, die ersten Gedanken an ein Karriereende waren schon mit Anfang 20 da. Ich hatte zu dieser Zeit schwere Verletzungen und bin ins Grübeln gekommen, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Ich bin diesbezüglich stark von meinem Elternhaus geprägt worden. Selbst mein Vater sagte damals, dass ich das Skispringen lassen soll – obwohl ich schon recht erfolgreich war zu dieser Zeit. Ihm war wichtig, dass ich gesund bleibe und abgesichert bin. Das habe ich mir gemerkt.

Wie denken Sie an ihren Abschied zurück?

Der war ein absolutes Privileg. Sportlich konnte ich bei meinem letzten Weltcup noch gut mithalten, das ist nicht jedem vergönnt. Und wie ich in Planica von Freunden, Familie und sportlichen Weggefährten empfangen wurde, hat mich unheimlich gefreut. Das hat mir gezeigt, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe.

Mit einem knappen halben Jahr Abstand – an welche Momente ihrer Karriere denken Sie noch zurück?

Ich habe meinen Sport unheimlich gerne gemacht, das steht im Vordergrund. Die drei Goldmedaillen bei der WM 2019 in Seefeld bleiben aber schon in Erinnerung. Danach hat selbst mein Vater gesagt, dass ich es gar nicht so schlecht mache (lacht). Auch der erste Weltcupsieg in Planica bleibt im Gedächtnis. Aber letztlich ist es die Summe der Karriere. Die vielen Hochs, aber auch die Tiefpunkte, haben mich geprägt und lassen mich auf eine coole Zeit zurückblicken. Auf die bin ich stolz und natürlich auch dankbar, dass ich das so erleben durfte.

Hätten Sie rückblickend etwas anders gemacht?

Oh ja, vieles (lacht). Vor allem in meiner Zeit als junger Athlet. Ich war damals extrem stur und habe es den Trainern nicht leicht gemacht. Ich hätte mir einiges ersparen können, wenn ich nicht so rebellisch gewesen wäre. Aber man muss auch mal auf die Schnauze fallen, mir hat es letztlich nicht geschadet. Das war für den weiteren Weg eine prägende Zeit.

Sie sind gut 15 Jahre im Weltcup gesprungen. Wie hat sich das Skispringen in dieser Zeit verändert?

Die körperlichen Herausforderungen wurden im Laufe der Zeit immer anspruchsvoller – insbesondere im Bereich Athletik, Fitness und Regeneration. Auch das Material war immer wieder Thema, mit jährlichen Anpassungen, die für uns Athleten natürlich eine Aufgabe darstellten. Kaum hatte man sich an ein Setup gewöhnt, wurde es wieder geändert. Sehr positiv ist die Entwicklung im Bereich Sicherheit. Es gibt deutlich weniger Stürze. Skispringen ist sicherer geworden, ohne an Attraktivität zu verlieren.

Schauen wir auf die Aktualität. Wie sieht Ihre berufliche Zukunft aus?

Ich habe meine Arbeit bei der Bundespolizei ganz normal fortgesetzt und genieße das „normale“ Leben derzeit.

Bleiben Sie dem Skispringen erhalten?

Das habe ich fest vor. Erstmal brauchte ich etwas Abstand zum Sport und genieße mein neues Leben. Dann will ich meine Erfahrung aber weitergeben, Skispringen liegt mir am Herzen.

Wie könnte das konkret aussehen?

Das lässt sich über den Spitzensport bei der Bundespolizei gut vereinbaren. Dort würde ich zunächst gerne die Trainer vor Ort unterstützen und so auch von ihnen lernen. Den nächsten Schritt könnte ich mir dann im Jugendbereich vorstellen. Dabei wird mir meine rebellische Jugendzeit hoffentlich zugute kommen (lacht). Darüber hinaus reizt mich auch die Arbeit als TV-Experte oder CO-Kommentator sehr, weil ich den Sport aus einer neuen Perspektive begleiten und meine Leidenschaft weitergeben könnte.

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