Kiefersfelden – Vier deutsche Meistertitel, vier Jugend-Europameistertitel und dazu noch ein Europameistertitel bei den Erwachsenen – die Bilanz der letzten Wochen von Wasserski-Talent Kay Strohmeyer liest sich wie ein Märchen. Der 18-Jährige vom Wasserskiclub Kiefersfelden-Rosenheim hat die internationale Konkurrenz in diesem Sommer zum Staunen gebracht und eine beispiellose Titelsammlung hingelegt. Im Interview mit der OVB-Sportredaktion verrät das Multitalent, wie es mit der Flut an Siegen umgeht, was ihn besser macht als den Rest und wie er sich mental auf Wettbewerbe vorbereitet.
Verstehen Sie überhaupt, was in den letzten Wochen passiert ist?
Ich muss ehrlich sagen, direkt nachdem das alles passiert, nachdem man seine Leistung gebracht hat, ist das immer ein ganz komisches Gefühl. Man checkt es noch so gar nicht wirklich, dass man wirklich der Beste ist. Erst wenn ich ein paar Tage später darüber nachdenke, dann kommt es langsam an.
Was macht Sie besser als den Rest? Wieso sind Sie so erfolgreich?
Das liegt auf jeden Fall auch daran, dass ich bei uns am Wasserskilift in Kiefersfelden sehr viele Trainingsmöglichkeiten habe. Das gibt es, glaube ich, bei keinem anderen Lift in Deutschland, dass man so viel trainieren kann. Zudem habe ich auch sehr gute Trainer, die mich in jeglicher Hinsicht unterstützen. Ich selber trainiere auch sehr viel – nicht nur in den gesonderten Trainingszeiten, sondern auch im öffentlichen Betrieb. Das ist auch, was den Unterschied macht, dass ich nicht nur bei optimalen Bedingungen im privaten Training, sondern auch im öffentlichen Betrieb fahre.
Sie sind Junioren-Europameister in allen vier Disziplinen: Trick, Slalom, Sprung und Kombination. Ist es etwas Besonderes, wenn man in jeder Disziplin der Beste ist?
Ich möchte natürlich nicht abgehoben klingen, aber ich würde schon sagen, dass es etwas Besonderes ist. Es gibt ganz viele Sportler, die in einer oder zwei Disziplinen sehr gut sind. Das ist meistens die Kombination aus Trickski und Springen. Aber dass jemand in allen drei Disziplinen sehr gut ist, das gibt es schon eher selten.
Also sind Sie quasi ein Multitalent.
Kann man so sagen, ja.
Was ist beim Wasserski wichtiger: Talent oder harte Arbeit?
Talent zu haben ist eine Sache, aber ohne Arbeit kommt nichts. Man kann noch so talentiert sein, wenn man es nicht schafft, sich diszipliniert vorzubereiten, die Sache ernst zu nehmen und regelmäßig zu trainieren. Sonst haben auch die talentiertesten Sportler gegen die härtesten Arbeiter keine Chance. Talent ist schön, aber harte Arbeit übertrifft es meistens.
Wie lange dauert Ihr Training?
Ich fahre ungefähr eine Stunde vorher zum See. 20 Minuten bereite ich mich mental auf das Training vor und 35 bis 40 Minuten mache ich ein körperliches Warm-up. Eine normale Trainingseinheit dauert dann circa eine bis eineinhalb Stunden.
Wie sieht dieses mentale Warm-up aus?
Mir hilft Visualisieren persönlich sehr. Vor dem Training oder dem Wettkampf mache ich das sehr gerne. Ich gehe im Slalom zum Beispiel jede Leinenlänge genau durch und denke mir bei bestimmten Stellen im Kurs, dass ich besonders in den Knien bin oder besonders die Arme durchstrecke. Dass ich auf alles eingestellt bin, damit ich dann keine bösen Überraschungen erlebe.
Wie sieht dann so ein Training aus?
Slalom und Springen sind ein bisschen komplizierter zu trainieren, weil da der Lift privat an uns Athleten vermietet sein muss. Das sind die beiden Disziplinen, die sich nicht im öffentlichen Betrieb trainieren lassen. Dass ich alle drei Disziplinen an einem Tag trainiere, das kommt selten bis gar nicht vor, weil es halt doch sehr anstrengend ist. In der Hauptsaison ist es so, dass ich zweimal die Woche Slalom und zweimal die Woche Springen trainiere. Einmal wird das komplette Wettkampf-Programm geübt.
Wie anstrengend ist Wasserski?
Am Anfang der Saison ist es noch nicht möglich, dass ich so viel trainiere. Die Intensität steigert sich aber in der Hauptsaison, da ist es dann relativ gut möglich, weil ich viele Pausen mache. Ich bin da bei meinen Trainern in guten Händen, sie geben mir auch gewisse Übungen, die mich wieder runterbringen, sodass ich für die nächsten Trainingseinheiten fit bin.
Wie lange fahren Sie schon Wasserski?
Angefangen habe ich mit neun Jahren, nur zum Spaß habe ich das mal im Sommer ausprobiert. Es hat mir sofort Spaß gemacht. Ich habe es zwei Jahre lang als Hobby gemacht. Danach hat mich jemand vom Verein angesprochen, ob ich denn ins Clubtraining gehen möchte. Ich glaube, ich hatte auch von Anfang an Talent. Ich habe auch viel Unterstützung von Thomas Bauer bekommen.
Was ist der besondere Reiz am Wasserski?
Einerseits, dass es an der Natur ist. Dazu die Kombination aus Wasser mit Salti, mit Geschwindigkeit, mit dem Adrenalinkick beim Wasserskispringen – das macht den Sport wirklich einzigartig.
Sie wollen also diesen Adrenalinkick spüren?
Ja, nicht ausschließlich, aber es ist schon auch ein schöner Teil davon. Zudem verbringt jeder im Sommer gerne Zeit am See. Dabei einen Sport zu treiben, der wirklich sehr viel Freude macht, ist natürlich wunderbar. Das ist auch für jeden geeignet, da braucht sich keiner vor scheuen.
Sie haben Ihren Verein, den Wasserskiclub Kiefersfelden-Rosenheim, bereits mehrfach angesprochen. Was macht ihn aus?
Die zwei wichtigsten Dinge sind die Unterstützung von Thomas Bauer und von der Firma West Sports, da sie uns so viele Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Das zweite ist, dass wir mit Juri Rikter einen Top-Trainer haben, der für uns im Sommer jeden Tag am See ist und uns in jeglicher Hinsicht unterstützt. Das zeichnet unseren Verein aus. Diese Erfolge sind nicht nur mir zuzuschreiben, sondern auch allen Personen um mich herum, die mich dabei unterstützt haben.
Sie haben einen jüngeren Bruder, der auch Wasserski macht. Wie ist dieses Gefühl, mit dem Bruder zu konkurrieren?
Wir verstehen uns total gut, bei uns ist es gar nicht so, dass wir im Konkurrenzkampf sind. Wir gönnen uns die Erfolge. Ich würde von niemandem lieber geschlagen werden als von meinem kleinen Bruder.
Was sind Ihre Ziele für nächste Saison und für die nächsten Jahre?
Nächste Saison ist wieder eine Weltmeisterschaft, da möchte ich auf dem Treppchen stehen. In den nächsten Jahren ist es mein Ziel, Weltmeister zu werden. Im Slalom ist es zudem mein großes Ziel, den Weltrekord zu brechen.
Was ist aktuell der Weltrekord?
Aktuell ist er vom Israeli Aviv Levi, der hat fünf Bojen an der 9,50-Meter-Leine geschafft.
Wie weit sind Sie davon noch entfernt?
Meine persönliche Bestleistung sind zwei Bojen an der 9,75-Meter-Leine, also eine Leinenlänge kürzer und noch drei Bojen weniger. Das ist auf jeden Fall kein Katzensprung, aber es ist ein Ziel, das erreichbar ist, wenn ich in den nächsten Jahren weiter dranbleibe und so diszipliniert weitermache.
Marinus Obermaier