von Redaktion

Teemu Pulkkinen ist also der Neue. Die Starbulls Rosenheim haben den finnischen Angreifer für die fünfte Ausländerlizenz in ihrem DEL2-Kader auserkoren. Der 33-Jährige hat eine bewegte Geschichte hinter sich, mit rasantem Aufschwung und drastischer Talfahrt. Nun stellt sich die Frage: Ist Pulkkinen für die Starbulls Torjäger und Führungsspieler – oder Problemfall?

Torjubel für Detroit: Teemu Pulkkinen nach einem Treffer gegen Pittsburgh im Jahr 2015.Foto Imago

Torjubel in Moskau: Teemu Pulkkinen freut sich nach seinem Treffer im Derby gegen Spartak Moskau.Foto Imago

Rosenheim – „Der 33-jährige Angreifer bringt eine beeindruckende Vita mit: In seiner bisherigen Karriere erzielte Pulkkinen in über 700 Pflichtspielen mehr als 500 Scorerpunkte“, heißt es in der Pressemitteilung der Starbulls. Und weiter: „Mit der Verpflichtung von Teemu Pulkkinen setzen die Starbulls Rosenheim ein deutliches Zeichen und verstärken sich mit einem Spieler, der sowohl auf als auch neben dem Eis Führungsqualitäten und internationale Klasse mitbringt.“ Dem kann man durchaus zustimmen. Hält Pulkkinen das Niveau, das ihn über weite Strecken seiner Karriere ausgezeichnet hat, dann kann er für die Starbulls zu einem riesigen Gewinn werden. Kein Thema war aber die kräftige Delle des Angreifers in den letzten Jahren. Diese ist aber keineswegs zu verleugnen. Spielt sie doch möglicherweise auch eine große Rolle, warum der hochdekorierte Angreifer jetzt „nur“ in der zweiten deutschen Eishockeyliga gelandet ist. Die OVB-Sportredaktion zeichnet die Karriere von Teemu Pulkkinen nach:

Der Nachwuchs: Der in Vantaa geborene Stürmer erlernte das Hockeyspielen beim Club EVU, der mehrere Top-Spieler in jungen Jahren begleitete – unter anderem Mikko Koskinen, Antti-Jussi Niemi, Jarkko Ruuttu oder Valtteri Filppula, die es bis in die NHL schafften, aber auch Joonas Valkonen, 2016/17 bei den Starbulls. Danach ging es für Pulkkinen zu Jokerit Helsinki, dem Top-Ausbildungsclub in Finnland. Dort feierte er dann in der Saison 2008/09 sein Debüt in der ersten Liga. Der Flügelstürmer blieb bis zum Ende der Saison 2012/13 bei Jokerit. Mit 19 Jahren wurde er mit 55 Punkten in 58 Spielen Fünfter in der Liga-Scorerwertung und Rookie des Jahres. In Finnlands erster Liga hat er 197 Spiele bestritten, 51 Tore erzielt und 84 Treffer vorbereitet.

Der Sprung nach Nordamerika: Im Draft 2010 kam Pulkkinen mit der nordamerikanischen Profiliga NHL in Berührung. In der vierten Runde wurde der Finne an 111. Position von den Detroit Red Wings gezogen. 2013 ging es nach dem Saisonende in Finnland über den großen Teich. Er spielte für das Farmteam in der American Hockey League und gewann mit den Grand Rapids Griffins gleich den Calder Cup, die AHL-Meisterschaft. In der Saison 2013/14 kam er zu den ersten NHL-Einsätzen für Detroit – in einem Team mit Stars wie Henrik Zetterberg oder Pavel Datsyuk. Für Grand Rapids erzielte er 36 Tore, die meisten Treffer eines Rookies in der Liga. Und es ging erfolgreich weiter: 2014/15 folgten die ersten NHL-Treffer für Detroit und die Top-Saison für Grand Rapids: Mit 48 Toren in 62 AHL-Spielen wurde er bester Torschütze der Liga, alleine in den Play-offs netzte er in 16 Spielen 14-mal ein. Nach einer weiteren Spielzeit in Detroit ging es in der NHL woanders weiter: 2016/17 spielte er für die Minnesota Wild und die Arizona Coyotes, zwischendurch in der AHL für Iowa Wild. 2017/18 stand Pulkkinen in der AHL bei den Chicago Wolves unter Vertrag und sorgte mit 30 Toren für Aufsehen. Mit 66 Punkten in 78 Spielen wurde er Sechster in der Liga-Gesamtwertung. Seine Nordamerika-Bilanz: 83 NHL-Spiele mit 13 Toren und neun Vorlagen, 264 AHL-Einsätze mit 135 Treffern und 122 Vorlagen.

Die Nationalmannschaft: Diese Erfolgsbilanz hat Pulkkinen natürlich auch in die finnische Auswahl gespült. Er holte mit der U18 zweimal WM-Bronze. Bei den Titelkämpfen 2010 wurde er Topscorer und bester Stürmer des gesamten Turniers. Auch mit der U20 nahm er an zwei Weltmeisterschaften teil. Im Jahr 2016 wurde Pulkkinen dann für die WM in Russland nominiert und holte mit einem spektakulären finnischen Nationalteam – unter anderem mit Patrik Laine, Mikko Koivu, Mikael Granlund, Jussi Jokinen und Aleksander Barkov – die Silbermedaille. Gegen Deutschland gab es in der Gruppenphase einen 5:1-Erfolg, im Endspiel unterlag man Kanada mit Connor McDavid mit 0:2.

In die russische Liga: 2018 wechselte Pulkkinen in die russische KHL. Stationen bis 2022 waren Dinamo Minsk, Dynamo Moskau, Lokomotiv Jaroslavl und Traktor Tscheljabinsk. Der Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 veränderte dann das Leben auch in Finnland, dessen Grenze zu Russland verläuft. Dass man während des Zweiten Weltkriegs von der damaligen Sowjetunion überfallen wurde, ist nicht vergessen. Nach der Saison verließen alle finnischen Eishockeyspieler die KHL – abgesehen von Pulkkinen. Der spielte noch eine Saison in Tscheljabinsk und dann für den chinesischen Club Kunlun Red Star, das auch der KHL angehört. Fortan war der Angreifer in Finnland quasi persona non grata. Die sportliche Bilanz in der KHL liest sich wie folgt: 319 Spiele, 104 Tore, 81 Vorlagen.

Eine Saison, drei Länder: Die Spielzeit 2024/25 war für den finnischen Angreifer eher zum Vergessen: Zunächst wechselte er in die DEL zu den Schwenninger Wild Wings, die er Mitte Dezember nach 22 Spielen mit vier Toren und sieben Vorlagen wieder verließ. Laut „Südkurier“ soll Pulkkinen unzufrieden gewesen sein „und sich Verantwortlichen gegenüber ungebührlich verhalten haben“. Weiter ging es in die Slowakei zu Poprad (drei Tore und zwei Vorlagen in 16 Spielen) und dann in die zweite Liga der Schweiz, wo der Finne für den HC La-Chaux-de-Fons noch zwei Play-off-Partien bestritten hat.

Die Problembewältigung: Pulkkinen spürt den ganzen Grant einer eishockey-begeisterten Nation. Und er zieht seine Schlüsse: Der Finne begibt sich in Therapie. „Ich war dort, um Hilfe für meine Probleme zu suchen“, bekennt er. „Ich fühle mich heute als besserer Mensch. Ich versuche, eine bessere Version meiner selbst zu sein als in den letzten zehn Jahren. Die letzten anderthalb Jahre haben mich viel gelehrt“, äußerte sich der Stürmer.

Die brisante Rückkehr in die Heimat: Im Sommer konnte Pulkkinen bei seinem Heimatverein Kiekko-Vantaa mittrainieren. Und wurde dann unter Vertrag genommen – unter großem Aufschrei der Öffentlichkeit. Die Fans seines ehemaligen Jugendclubs Jokerit hatten zum Boykott der Spiele aufgerufen, mehrere Sponsoren von Kiekko-Vantaa ihr Engagement zurückgezogen. Die Kommunikationsdirektorin eines Anbieters für Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen erklärte laut finnischen Medien: „Wir sind der Ansicht, dass Kiekko-Vantaa auf eine Weise gehandelt hat, die nicht unseren Werten entspricht.“ Pulkkinen hatte jahrelang geschwiegen, nun musste er sich öffentlich erklären: „Ich möchte mich demütig für meine Entscheidungen entschuldigen. Ich übernehme die Verantwortung dafür und wurde zurecht bestraft. Ich hatte meinen Beruf ausgeübt und wurde dafür gut belohnt. Geld war der größte Motivator. Es war meine eigene Entscheidung, dort zu bleiben und zu spielen.“ Anssi Aura, Vorsitzender von Kiekko-Vantaa, meinte beim Wechsel: „Wir wollten Teemu seine falschen Entscheidungen verzeihen und ihm eine neue Chance in seinem Heimatverein geben. Wir handeln nicht in der Funktion eines Gerichts, und es ist nichts Kriminelles passiert.“ Dass sich die Ereignisse aufgrund des Engagements von Pulkkinen allerdings überschlagen, damit hatte er wohl nicht gerechnet. Immerhin lieferte der finnische Angreifer sportlich ab: In acht Spielen der zweiten finnischen Liga erzielte er für das Team in den lachsfarbenen Trikots sieben Tore und war ligaweit bester Goalgetter. „Teemu hat gezeigt, dass er noch ein Spitzensportler ist“, merkte Aura an. „Er war der Erste, der in der Halle ankam, und der Letzte, der sie verließ.“

Der Wechsel nach Rosenheim: Pulkkinen hat eine Ausstiegsoption im Vertragswerk genutzt, die ihm einen Wechsel ins Ausland ermöglichte. „Ich bin wirklich dankbar für die Möglichkeit, auf die finnische Eishockey-Landkarte zurückzukehren. Der Verein, meine Teamkollegen und die gesamte Community haben mich von Anfang bis Ende hervorragend behandelt. Diese Erfahrung hat das Feuer neu entfacht.“ Auch Vereinsboss Aura entließ ihn mit warmen Worten: „Teemu hat Kiekko-Vantaa durch seinen Sportsgeist und sein Vorbild auf und neben dem Spielfeld einen großen Mehrwert gebracht.“ In Rosenheim wird er mit offenen Armen empfangen: „Mit Teemu Pulkkinen bekommen wir einen Spieler, der in seiner Karriere auf höchstem internationalen Niveau gespielt hat und genau die Qualitäten mitbringt, die wir in unserer Offensive gesucht haben. Er verfügt über einen hervorragenden Schuss, viel Spielverständnis und wird mit seiner Erfahrung eine wichtige Rolle in unserer Mannschaft übernehmen“, sagt Cheftrainer Jari Pasanen. Der Deutsch-Finne wird dafür sorgen, dass sich Pulkkinen schnell einleben kann, zumal mit Torwarttrainer Mika Tarvainen, Torhüter Oskar Autio und dem bisherigen Top-Torjäger Ville Järveläinen weitere finnische Landsmänner an der Mangfall wirken.

Und ein bisschen Rosenheim-Bezug hat Pulkkinen in seiner bisherigen Laufbahn ebenso mitbekommen – ohne es zu wissen: Im Nachwuchs spielte er mit Joonas Nättinen, dessen Bruder Jussi in der Saison 2017/18 für die Starbulls spielte; in der Saison 2014/15 war in Detroit die frühere Rosenheimer Legende Jim Hiller als Co-Trainer tätig; und in der Saison 2017/18 stand im AHL-Team der Chicago Wolves ein gewisser Brock Trotter im Aufgebot, der in der Saison 2021/22 mal kurzzeitig an der Mangfall seine Bahnen zog.

Torjäger, Führungsspieler – oder Problemfall?

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