Ein Energiebündel mit dem Olympiatraum

von Redaktion

Eisschnellläuferin Maira Jasch hat den Vorwärtsgang eingelegt – sowohl auf dem Eis als auch in der Ausbildung

Bad Endorf – Schwungvoll ist Maira Jasch an der Bundespolizeisportschule in Bad Endorf angekommen. Mit dem Radl ist sie zum Pressetermin vorgefahren. Ebenso schwungvoll hat die junge Eisschnellläuferin aus dem Kurort die Saison gestartet: Beim ersten wichtigen Wettkampf hat sie auf ihrer Hausbahn in Inzell die deutsche Meisterschaft errungen. Damit hat sie sich auch für den ersten Weltcup-Block qualifiziert, der aktuell in Nordamerika stattfindet. Wohin der Schwung die sympathische, gut gelaunte Sportlerin führt? Möglicherweise sogar schon zu den Olympischen Spielen nach Mailand und Cortina!

Das mit der Hausbahn in Inzell ist aber nur noch teilweise korrekt: „Ich trainiere ja mittlerweile eher in Berlin, weil dort mein Trainingsstützpunkt und der Bundestrainer sind.“ Aber natürlich kennt sie jede Ecke in der Max-Aicher-Arena. „Man fühlt sich deshalb schon wohler. Das Coolere war für mich aber, dass man einfach in dieser schönen Umgebung ist.“ Prinzipiell sollte sie immer in Berlin trainieren, Jasch hat aber im Sommer weiter ihre Ausbildung bei der Bundespolizei vorangebracht und war deshalb für einen längeren Zeitraum wieder in der Heimat. „Mit meinem Trainer von der Bundespolizei habe ich dann hier trainiert.“

In Bad Endorf kennt sie nämlich auch jede Ecke. „Mein Vater arbeitet hier und ich habe immer schon davon geträumt, hierher zu kommen. Als Kind habe ich schon immer gemerkt, dass das hier so eine riesengroße Familie ist. Als Kinder haben mein Bruder und ich hier auch oft gespielt, während wir gewartet haben, dass mein Papa mit der Arbeit fertig ist. Wir waren ja noch so klein, aber trotzdem hat man uns hier einfach so gut aufgenommen.“ Besonders stolz war Maira Jasch deshalb auch, als sie im Sommer 2024 bei der Bundespolizei in den Dienst aufgenommen wurde. „Ende August war ich damals auf der Ernennungsfeier der Abschlussklasse, weil da der beste Freund von meinem Bruder dabei war. Und da hatte ich das erste Mal meine Uniform an“, erzählt die Eisschnellläuferin. Und sie bekennt: „Da habe ich mich auch gar nicht unwohl gefühlt, obwohl es total ungewohnt war, selbst in Uniform zu sein und nicht mehr das kleine Mädl, das zu den Sportlern aufgeschaut hat. Da ist dann schon ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.“

Der Kindheitstraum umfasst allerdings nicht nur die sportliche Ausbildung. Die Ausbildung zur Polizeimeisterin dauert bei ihr vier Jahre und startet regelmäßig nach Saisonende. Die ersten drei Jahre dauert diese jeweils vier Monate und das letzte Jahr sind fünf Monate geplant. Am Ende steht der Laufbahnlehrgang mit der Abschlussprüfung. Maira Jasch hat nächstes Jahr ihre Zwischenprüfung. „Am Anfang der Ausbildungsperioden liegt der Fokus eindeutig auf der Ausbildung, da wird eben auch viel Polizeitraining gemacht, was körperlich anstrengend ist. Das wird aber dann über die Ausbildungsperioden hinweg an die zunehmenden Trainingsumfänge angepasst und der Fokus verschiebt sich dann mehr in Richtung Training“, erklärt Yvonne Oppermann, früher erfolgreiche Shorttrackerin und nun für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundespolizeisportschule verantwortlich.

Sie weiß, was die Sportlerinnen und Sportler dort leisten müssen. „Unsere Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter kommen auf etwa 60 bis 80 Wochenstunden, weil zusätzlich zur polizeilichen Ausbildung auch das Training zum Dienst zählt.“ Und Jasch erzählt von ihren Erfahrungen: „Am Anfang habe ich ein bisschen geschluckt, als mein Trainer die Planung der ersten Woche nach der Off-Season hochgeladen hat. Mit der Kombi zwischen Bundespolizei und Training habe ich mir schon gedacht: ,Oh, das wird hart.‘ Aber danach war das eigentlich kein Problem.“ Das gilt übrigens auch für die Prüfungen: „Ich glaube, dass da auch mein Ehrgeiz rauskommt. Ich will nicht die Schlechteste in der Klasse sein. Und das bin ich auch nicht“, erzählt Jasch. Und Oppermann bestätigt: „Die Sportler im Allgemeinen liegen im Vergleich zu den anderen Auszubildenden bundesweit im überdurchschnittlichen Bereich. Letztes Jahr und dieses Jahr haben im Abschluss des Laufbahnlehrgangs alle im guten und sehr guten Bereich abgeschnitten.“

Die volle Konzentration gilt bei Maira Jasch jetzt aber wieder dem Geschehen auf dem Eis. Abseits der Ausbildung in Bad Endorf verbringt sie die meiste Zeit mittlerweile in Berlin. „20 bis 25 Leute“ ist die Trainingsgruppe dort groß. „Prinzipiell trainieren wir zweimal am Tag, meistens ist am Sonntag dann Ruhetag.“ Ihr Trainer dort ist Alexis Contin, selbst erfolgreicher Eisschnellläufer. Der Franzose war dreimaliger Olympiateilnehmer mit dem vierten Rang als beste Platzierung. Bei Weltmeisterschaften gewann er Silber und Bronze.

Jasch hat diese Saison mit anderen Erwartungen als im vergangenen Winter begonnen: „Dadurch, dass letztes Jahr für mich schon in meinem ersten Seniorjahr so ein Überfliegerjahr war, habe ich mir schon ausgemalt, dass ich wieder einen deutschen Meistertitel hole.“ Das klappte dann ja auch – allerdings nicht auf der Strecke, die sie eigentlich erwartet hatte: „Über 3.000 Meter hat es nicht leider nicht geklappt, aber dann halt dieses Jahr über 5.000.“ Was anders war gegenüber 2024? „Letztes Jahr war ich die Neue und immer noch das Küken. Auch mein Trainer hat nicht wirklich daran geglaubt. Er hat schon gedacht, dass ich gut laufen kann, aber keiner hat mit dem ersten Platz gerechnet. Diesmal wusste ich, dass ich bei der ,Deutschen‘ mit vorne dabei sein kann.“

Die Bad Endorferin ist nun nicht mehr das Nesthäkchen. Da steigen dann auch schon die Erwartungen – und die Anforderungen: „Wir haben härter und mehr und länger trainiert, alles war mehr. Physisch war es noch einmal ein ziemlich großer Sprung, was natürlich auch mein Ziel war.“ Kein Vergleich mehr zum Nachwuchs. „Als Junior habe ich auch schon viel trainiert, aber auf einmal waren dann 25 oder 30 Stunden die Woche relativ normal, was vorher irgendwie so ein Ausnahmeding war.“ Verkraftet hat sie diese Veränderung aber gut: „Da habe ich auch einen ganz guten Körper, der, wenn es zu intensiv wird, dann so einen Riegel vorschiebt, sodass ich mich da nicht ganz ausbelasten kann. Mein Trainer haut immer noch intensivere und härtere Trainingseinheiten raus. Manchmal habe ich das Gefühl, dass er es immer schafft, uns immer auf so eine neue Art zu testen, damit es irgendwie noch intensiver und dann mental noch schwerer wird.“ Zum besseren Verständnis erklärt sie ihr, wie sie sagt, Lieblingsbeispiel: „Letztes Jahr im Sommer hatten wir dreimal 20 Minuten Schwelle auf dem Rad und es gibt einen 20-Minuten-Schwellentest. Das heißt, ich mache dreimal in einem Training so einen Schwellentest. Dort wird mit der maximal durchhaltbaren Höhe der Schwelle trainiert. Und er fand es total normal. Und dann war die Einheit auch vier Stunden lang. Dieses Jahr habe ich die ganze Zeit auf diese Einheit gewartet – aber sie kam nicht. Zum Glück.“

Die harte Vorbereitung hat aber auch geholfen. Zum DM-Titel kam auch die Qualifikation für die ersten Weltcups in Nordamerika. Über den Weltcup könnte es dann auch zu den Olympischen Spielen gehen. „Ich will mir nicht so viel Druck aufbauen, weil ich halt erst 20 bin. Da gibt es andere in meiner Trainingsgruppe, die wollen das jetzt unbedingt, weil sie danach aufhören. Aber das habe ich ja nicht. Für mich ist das so ein langfristiges Ziel. Aber durch das letzte Jahr habe ich gesehen, dass es geht.“ Zumal es ja nicht nur die Einzelbewerbe gibt: „Wir haben auch das Team Pursuit mit vier Mädchen. Drei laufen und es gibt immer einen Ersatz. Und da haben wir letztes Jahr richtig abgeräumt und sind bei der WM Vierter geworden. Wenn es so läuft wie letztes Jahr, dann qualifiziert sich das Team für Olympia.“ In den Einzelbewerben ist es in Sachen Qualifikation nicht so einfach: „Wir müssen uns erst mal einen Startplatz über die ISU erlaufen. In Deutschland kommt leider noch dazu, dass man zweimal Top-15 in der A-Gruppe sein muss oder einmal Top-8.“ Diese Regelung gefällt Jasch überhaupt nicht: „Eislaufen ist die einzige Sportart, in der man in A- und B-Gruppe unterteilt wird. Und wenn man den A-Gruppen-Startplatz von Anfang an nicht hat, muss man sich den erst einmal mit einer Top-Drei-Platzierung in die A-Gruppe erlaufen.“ Das war ihr zum Auftakt noch nicht gelungen: In Salt Lake City wurde sie Sechste der B-Gruppe, in Calgary landete sie dort nur auf dem 17. Rang. Was aber positiv stimmt: Bei den deutschen Meisterschaften ist Maira Jasch 4:10 Minuten gelaufen – in Nordamerika war sie wesentlich schneller, in Kanada 4:02,16 Minuten, in den USA sogar 4:00,81. „Unter vier Minuten ist eine magische Marke. Eine Zeit von 3:59 ist die Hoffnung“, meinte die für den DEC Inzell startende Sportlerin. Ganz hat sich diese noch nicht erfüllt. In Heerenveen war sie über 5.000 Meter stark gelaufen und belegte den dritten Rang in der B-Gruppe. Ihre Zeit hätte in der A-Gruppe übrigens für den fünften Rang gereicht – das ist mehr als eine Duftmarke!

Maira Jasch gibt alles. Zumal sie ein weiteres Erfolgserlebnis vorweisen kann: einen eigenen Sponsor, noch dazu aus ihrem Heimatort. „Ich bin aus Bad Endorf, die Bundespolizei ist in Bad Endorf und jetzt habe ich auch noch einen Sponsor aus Bad Endorf gefunden“, freut sie sich. Künftig wird sie von Sternstrom unterstützt. „Sponsoren waren für mich immer schwer zu finden, weil Eislaufen sehr klein ist. Ich habe sehr viele Anfragen rausgeschickt“, bekennt Jasch. Den neuen Sponsor verkörpert die Eisschnellläuferin aber perfekt: Die 20-Jährige hat nämlich so viel Schwung, dass man glaubt, sie hat frisch an der Energiequelle aufgetankt…

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