Rosenheim/München – Logischerweise wurde dieses Jubiläum groß gefeiert. Der 37-Jährige beschenkte sich selbst mit einem Heimsieg von Red Bull München gegen den amtierenden deutschen Meister Eisbären Berlin. 227 Tore und 356 Torvorlagen stehen aktuell für ihn zu Buche. In einem großen und am Ende auch sehr emotionalen Video-Interview seines Vereins, das auch auf YouTube zu sehen ist, hat Olympia-Silbermedaillengewinner Hager ausführlich über den Weg vom Rosenheimer Nachwuchsspieler zum 1000-Spiele-Mann in der DEL gesprochen. Patrick Hager über:
…seinen Weg zum Eishockey: „Mein Papa hat auch Profi-Eishockey gespielt, damals in Kassel. Und du schaust ihm natürlich bei den Spielen zu und wirst dann zwangsläufig auf die Schlittschuhe gestellt. Mir hat es unglaublich viel Spaß gemacht und bin seither dabei geblieben. Ich hatte auch großes Glück, dass ich aus einer eishockeybegeisterten Stadt komme, weil wir im Alter von sechs Jahren nach Rosenheim zurückgekommen sind und ich dann dort jede Nachwuchsmannschaft durchlaufen habe.“
…Schule: „Die habe ich ganz zuverlässig gemacht, habe dann in Rosenheim auch noch mein Fachabitur fertiggemacht, als ich schon in der Oberliga gespielt habe. Ich bin nicht durchgefallen, deshalb würde ich schon sagen, dass ich in der Schule ganz fleißig war.“
…das Gifthaferl-Image: „Die Leute, die mich von den Spielen her kennen, legen immer viel von dem, wie ich auf dem Eis wirke, auf die Privatperson um. Es war als Kind auch schon so, dass ich im Sport diesen Ehrgeiz hatte und nie verlieren konnte, aber im normalen Leben weniger Probleme hatte. Ich war da nie in Raufereien verwickelt. Auch jetzt bin ich abseits des Eises sehr entspannt. Viele kennen mich nur vom Eis und da denken die Leute oft: ,Der will mit dem Kopf durch die Wand.‘ Immer an der Grenze und manchmal auch drüber – das zeichnet mein ganzes Leben im Sport aus. Früher war das manchmal auch wild und du triffst falsche Entscheidungen, jetzt bin ich da schon cleverer geworden.“
…den Moment, als sich der Weg zum Profi herauskristallisierte: „Ich habe mir nie so große Gedanken gemacht, ob ich Profi werde oder nicht. Der Spaß am Sport war immer so groß – und dann ist das schrittweise so nach oben gegangen. Ich habe vom Nachwuchs in die erste Mannschaft raufspielen dürfen, dann der Schritt in die erste DEL-Saison – das ist alles wie am Schnürchen gelaufen. Ich habe mich da immer nur aufs Training konzentriert und hatte das Glück, in Rosenheim eine sehr gute Ausbildung genossen zu haben. Aber den einen Moment gibt es nicht, sondern es waren viele Ereignisse. Wenn du zum Beispiel Nachwuchs-Länderspiele spielst, dann bist du einfach bei den Besten dabei.“
…den Weg in den Herrenbereich: „Wenn du aus dem Nachwuchsbereich rauskommst, dann spielst du halt nicht nur gegen deinen Jahrgang oder einen Jahrgang drüber – dann ist einfach das große Haifischbecken da. Es gibt so viele gute und talentierte Spieler, die eigentlich den Schritt hätten schaffen können, ihn aber aus verschiedensten Gründen doch nicht schaffen. Da gehört schon auch das Quäntchen Glück dazu, diese Chance zu bekommen, aber dann auch die Qualität und mentale Stärke, diese Chance zu nutzen. Das war bei mir schon so, dass ich bestätigt habe, dass ich dahin gehöre.“
…Talent und Arbeitsmoral: „Ich glaube schon, dass ich Talent hatte, ich habe mir aber auch ganz viel erarbeiten müssen. Mit zwölf, 13 Jahren war ich in der bayerischen Auswahl nie gesetzt. Deshalb habe ich dann auch im U16-Alter kein einziges Länderspiel gemacht. Ich habe mich letztlich über harte Arbeit und die Nachwuchsliga für die Mannschaft in der U17 qualifiziert und habe dann U18- und U20-Weltmeisterschaften gespielt. Aber es war nicht so, dass ich von vorneweg dabei war. An alle Kids: Es gibt für den Traum viele Wege und jeder muss seinen eigenen gehen! Für mich war es der Weg, rauszufahren und zu kämpfen. Egal, bei welcher Station: Es war immer wieder so, dass du die Ellbogen rausfahren musst, wenn du weiterkommen möchtest.“
…seine Mentoren: „Der größte Dank gilt meinen Eltern. Wenn man selbst mal Kinder hat, dann weiß man, welcher Aufwand und welche Logistik dahinter steckt, um einem das zu ermöglichen. Und in Rosenheim ist da auch gut gearbeitet worden. Wir hatten ehemalige Profispieler als Trainer. In der DNL anfangs noch Gerhard Graf, der noch alte Schule war, wo du aber gelernt hast, mit Gegenwind umzugehen. Und danach mit Tom Schädler zwei wichtige Jahre, wo du dich mit 16, 17 in Richtung Profisport entwickelst. Im Profibereich hat dir auch jeder Trainer etwas mitgegeben. Da kann man keinen hervorheben.“
…sein Idol von damals: „In Rosenheim ist das einfach Mondi Hilger. Der war auch prädestiniert für das, wie ich jetzt spiele. Ein unglaublich giftiger Spieler, der auch Scoring Touch hatte, in der Nationalmannschaft unterwegs war. Das war die Zeit, wo du als kleiner Bub immer im Stadion warst. Danach war Rosenheim ja unterklassig, aber der Mondi ist an Bord geblieben. Und dann hatte ich auch noch das Glück, dass ich mit ihm zusammen spielen durfte – das war eine ganz coole Sache!“
…den Sprung in die DEL: „Das war ein Kampf, ähnlich wie für andere junge Spieler. Ich hatte in Rosenheim in der Oberliga als junger Spieler eine sehr gute Rolle. Und dann kommst du in die DEL und hast nur noch ein paar Wechsel pro Spiel. Es war anfangs nicht so einfach und da war dann zwischendrin auch mal der Anruf, wo du gesagt hast: ,Was soll ich denn noch da?‘ Aber da gab es dann auch die Unterstützung von daheim und von meinem Spielervermittler, die mir gesagt haben: ,Nicht unterkriegen lassen und weiterarbeiten.‘ Letztlich hat es sich dann auch ausgezahlt. Und da muss man auch wieder über Chancen sprechen: Alexander Selivanov hatte damals in Krefeld ein Problem mit der Vereinsführung und wurde dann suspendiert. Und ich habe die Chance bekommen, mit zwei Kanadiern zu spielen, habe mit denen gleich gut harmoniert, auch gleich getroffen und durfte bis Saisonende mit ihnen zusammenspielen. Nach der Saison durfte ich dann unter Uwe Krupp auch meine ersten Länderspiele machen.“
…die Zeit in Krefeld: „Das war sportlich super, um mich zu entwickeln. Meine jetzige Frau ist damals mit raufgezogen, hat dort ihre Lehre gemacht und wir haben das erste Mal für uns alleine gelebt. Wir sind mit unserer jungen Mannschaft auch mal ins Halbfinale gekommen. Und die Derbys gegen Düsseldorf bleiben für immer. Es waren schöne fünf Jahre.“
…der Wechsel nach Ingolstadt: „In der Zeit in Krefeld hatte ich schon Weltmeisterschaften gespielt. Die ganz Großen wie Berlin, Köln oder Mannheim wären für mich noch einen Schritt zu früh gewesen und Ingolstadt war genau das Zwischending. Da hat sich sehr viel in die richtige Richtung bewegt und es war genau der Schritt, den ich damals gebraucht habe.“
…die Meisterschaft 2014 mit Ingolstadt: „Das war super-speziell, wenn du als Neunter anfängst und über Pre-Play-offs bis zum Finale die ganzen Top-Mannschaften rauskegeln musst. Wir haben als Mannschaft eine brutale Entwicklung gemacht. Das war eine richtig gute Mannschaft, aber wir haben das zu Beginn nicht aufs Eis gebracht. Und auf einmal fängt alles irgendwie an zu funktionieren. In den Pre-Play-offs haben wir gegen den amtierenden Meister Berlin das entscheidende Spiel in der Overtime gewonnen – da wärst du mit einem Schuss auch rausgeflogen. Und auf einmal kommst du ins Rollen. Timo Pielmeier im Tor hat sein Level von Spiel zu Spiel gesteigert und war für uns ein wahnsinniger Rückhalt und alle anderen haben auch in den wichtigen Momenten abgeliefert. Und dann reitest du diese Welle, bis wir am Ende den Pokal in der Hand hatten. Das sind Momente, die bleiben.“
…zwei Jahre in Köln: „Wir haben uns als Familie dort sehr wohl gefühlt. Für mich als Spieler war es noch einmal der Schritt mehr. Das Umfeld dort polarisiert mehr als in Ingolstadt. Es gibt viele Spieler, die dem Druck dort nicht standhalten konnten. Dort zu bestehen und zu produzieren, ist schon speziell. Es war eine super-tolle Erfahrung, auch wenn das Ende für mich sehr schwierig war. Abgesehen von den zwei Monaten, wo es drunter und drüber gegangen ist, können wir rückblickend aber nichts Schlechtes über Köln sagen.“
…die Unstimmigkeiten in Köln: „Ich habe bis heute keine klare Antwort bekommen, warum das damals so eskaliert ist. Die komplette Vereinsführung hatte seit Weihnachten Bescheid gewusst, wie meine Zukunftsplanung ausschaut. Und auf einmal ist das in den Play-offs eskaliert. Für mich ist es bis jetzt nicht ersichtlich, was da die große Überraschung war, weil intern jeder Bescheid wusste. Und dann habe ich das Geschäft sechs Wochen lang von der anderen Seite kennengelernt. Da reifst du aber selbst noch einmal und merkst, dass das Business auch anders sein kann und nicht jeder ehrlich zu dir ist. Für mich war immer wichtig, Sachen klar und offen anzusprechen, auch wenn es mal unangenehm ist – und bislang bin ich damit immer gut gefahren. Christian Winkler war es dann zu verdanken, dass ich letztlich ein Jahr früher nach München gekommen bin. Und so bin ich 2018 auch Meister geworden.“
…den Titel mit München: „Das war schon eine besondere Mannschaft, die hat in sich so gut funktioniert. Ich hatte nach einer Woche das Gefühl, als ob ich schon zwei Jahre dabei bin. Und so haben wir auch gespielt. Es war eine der spaßigsten Saisons, die ich gespielt habe.“
…das Kapitänsamt: „Du brauchst erst mal den Support von der Organisation und den Teamkollegen. Man braucht nicht immer einen Buchstaben auf dem Trikot, um anzuführen – wenn du aber einen hast, dann ist es umso ersichtlicher, weil du präsenter sein musst, wenn es auch mal nicht so läuft. Das habe ich schon immer gemacht und das war ein Schritt, den ich mir auch zugetraut habe. Es kann viel Spaß machen, wenn alles super läuft. Wenn es nicht so rund läuft, dann kann es auch viel Energie ziehen. Es ist kein einfacher Job.“
…die Meisterschaft als Kapitän: „Das war super-besonders. Wir hatten zuvor so viele Niederlagen einstecken müssen, ein Champions-League-Finale und ein DEL-Finale verloren. Aber wir haben es hinbekommen, uns als Gruppe über drei, vier Jahre doch durchzusetzen. Und als Kapitän als Erster den Pokal zu bekommen, war für mich schon besonders. Daheim, mit der ganzen Familie im Stadion – das sind die schönsten Meisterschaften.“
…1000 DEL-Spiele: „Das ist schon cool. 1000 Spiele schüttelst du nicht einfach so raus. Du musst lange Zeit bereit sein, auf diesem Level zu spielen, und lange körperlich gesund bleiben. Natürlich bin ich auf diese Marke stolz. Das haben in der DEL noch nicht so viele Spieler geschafft, umso schöner ist es, zu diesem Kreis zu gehören. Ich bin froh, dass ich es so lange ausgehalten habe.“
…den Wert dieser Marke: „Jeder, der 1000 Spiele hat, aber ohne Titel ist, würde diese ganzen Spiele für einen Titel hergeben – alles andere würde mich wundern. Andererseits ist es auch ein Lohn für die Arbeit, die du investiert hast. 1000 Spiele bekommst du nicht geschenkt.“
…seine Zukunft: „Ich möchte auf jeden Fall dem Eishockey treu bleiben. Dafür habe ich in diesem Sport viel zu viel Spaß. Es wird sich herausstellen, in welcher Funktion das ist. Ob jetzt noch ein Jahr als Spieler hinzukommt, wird sich auch herausstellen. Im Moment fühle ich mich gut. Dass ich aufhöre und dem Eishockey komplett den Rücken kehre, kann ich mir nicht vorstellen.“
…die Bedeutung der Familie: „Da werde ich gleich emotional. Ohne den Support wäre es nicht möglich, erfolgreich zu spielen. Wir haben uns in der Jugend kennengelernt und sind den gemeinsamen Weg gegangen – von Krefeld an bis jetzt nach Hause. Dafür kann ich mich nur bedanken, weil das sehr viel Verzicht bedeutet, wenn man mit einem Profisportler auf dieser Reise ist. Ich bin unheimlich dankbar, diese Unterstützung zu haben. Ich bin auch unglaublich stolz, welchen Weg die Kinder gehen. Ohne diese Unterstützung wäre der Weg, den wir als Familie gegangen sind, so nicht möglich gewesen.“