„Wir sind froh, dass wir Poldo haben“

von Redaktion

Die Segler des Chiemsee Yacht Club haben in den vergangenen Jahren beachtliche Erfolge eingefahren. Ganz vorne ist da natürlich Tina Lutz, die bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio die Silbermedaille holte. Doch auch die nächste Generation vom Chiemsee ist auf Olympia-Kurs.

Chiemsee – Der Chiemsee Yacht Club (CYC) mischt die internationale Segel-Szene mächtig auf. Maßgeblichen Anteil daran haben die Zwillingspaare Lucas und Moritz Hamm, die jüngst den Europameistertitel in der 29er-Klasse und die U21-Weltmeisterschaft im 49erFX holten, sowie Marie und Antonia Schwarz, die sich im Sommer zur deutschen Meisterschaft segelten. Damit gingen die letzten drei DM-Titel im 29er an den CYC. Trainiert werden die beiden Ausnahme-Teams von Leopold Fricke – zweimaliger deutscher Meister in der olympischen 49er-Klasse, Europameister auf der Asso99 und langjähriges Mitglied der deutschen Segel-Nationalmannschaft. Heute gibt der 40-Jährige seine Erfahrung an die nächste Generation des Chiemsee Yacht Club weiter.

„Wir haben zum Beispiel einmal einen Bastelworkshop gemacht“, erzählt Fricke. „Im 29er muss man viel selbst machen, etwa Leinen spleißen. Da ist echtes Handwerk gefragt.“ Das bestätigen auch die Athleten. „Man bastelt im 29er wirklich viel“, erklärt Moritz Hamm. Neben Technik und Material spielt jedoch auch der Teamgeist eine entscheidende Rolle. „Wir streiten uns schon auch oft“, ergänzt sein Zwillingsbruder Lucas. „Da sind wir froh, dass wir mit Poldo jemanden haben, den wir anrufen können, wenn es mal gar nicht läuft.“

Grundsätzlich sieht Fricke gerade bei Zwillings-Teams große Vorteile. „Am Anfang ist es natürlich etwas Besonderes, Zwillinge zu coachen“, sagt er. „Aber es bringt enorme Vorteile mit sich. Allein schon wegen des hohen logistischen Aufwands im Segelsport.“ Auf dem Chiemsee können die Athletinnen und Athleten nicht ganzjährig trainieren. Denn zwischen November und April gilt die Winterruhe auf dem bayerischen Meer. Während dieser Zeit sind der Chiemsee, Starnberger See und Ammersee international bedeutende Rastplätze für Zugvögel. Die Segler ziehen daher über diese Monate gen Süden und verlagern ihr Trainingsrevier in wärmere Gefilde.

Gerade hier zahlt sich das Segeln mit Geschwistern aus. „Da müssen keine Urlaubspläne aufeinander abgestimmt werden“, erklärt Fricke. „Das macht die Organisation deutlich schlanker.“ Hinzu kommt die kürzere Eingewöhnungszeit: „Wenn sich zwei Opti-Segler neu zusammentun, sind sie zunächst vorsichtig miteinander. Bei Geschwistern ist das anders. Da ist von Beginn an eine Direktheit da.“ Er hat beiden Teams früh klargemacht, dass an dieser Konstellation kein Weg vorbeiführt, weil sie so viele Vorteile bietet. „Und das funktioniert mittlerweile bei beiden sehr gut.“

Die Erfolge geben dem Trainer recht. Die Hamm-Zwillinge können bereits mehrere deutsche Meistertitel, EM-Gold im 29er sowie den U21-Weltmeistertitel im 49erFX vorweisen. Die etwas jüngeren Schwarz-Zwillinge sind auf dem besten Weg, in diese Fußstapfen zu treten. Die Mädchen sind am Chiemsee aufgewachsen und hatten so schon immer eine Nähe zum Segelsport. Mit ihrem Sieg bei der deutschen Meisterschaft in Warnemünde qualifizierten sich Marie und Antonia Schwarz für die Jugend-Weltmeisterschaft in Portugal. Gegen die internationale Konkurrenz reichte es am Ende für den 14. Platz.

„In der Jugendbootsklasse gibt es noch keinen richtigen Bundeskader“, erklärt Fricke. Doch als Teil des Bundesstützpunkts sind die Schwarz-Zwillinge im erweiterten Kader. Die Hamm-Brüder sind sogar schon Teil des Bundeskaders.

Für Trainer Fricke steht beim Segeln vor allem eines im Mittelpunkt: mentale Stärke. „Eine Segelmeisterschaft dauert meist vier oder fünf Tage“, erklärt er. „In der Regel segelt man täglich drei Wettfahrten. Das Besondere ist, dass man über einen sehr langen Zeitraum die Konzentration hochhalten muss und gleichzeitig viel Zeit hat, sich in Diskussionen zu verlieren.“ Entscheidend ist daher, bei aller Intensität stets einen freien Kopf zu bewahren.

Bereits 2024 haben die Hamm-Zwillinge den Schritt von der 29er-Jolle auf die Damen-Variante des olympischen 49er-Bootes (49erFX) gemacht. Ein Umstieg, der sich auch körperlich bemerkbar macht. „Es gibt immer einen gewissen Gewichtskorridor, in den man passen muss. Momentan liegen beide Mannschaften eher am unteren Limit“, erklärt Fricke. Das könne jedoch auch Vorteile haben: „Bei wenig Wind ist man als leichtere Crew im Vorteil. Bei viel Wind muss man dann gezielt trainieren oder im Trainingsprozess schauen, dass sich das Gewicht in die richtige Richtung entwickelt.“

Gerade auf dem Weg in den olympischen Segelsport wird dieser Aspekt immer entscheidender. „Je höher man kommt, desto kleiner wird die Range, in der man sich bewegen darf“, so Fricke. „Im Jugendbereich hat man da noch etwas mehr Spielraum. Auf Topniveau aber wird jedes Detail relevant.“

Bevor es für die Schwarz-Zwillinge auf das größere 49erFX geht, wollen sich die Hamms im kommenden Jahr weiter auf dem 49er beweisen. Bereits in der vergangenen Saison haben es Moritz und Lucas in die Top-Fünf bei der U23-Europameisterschaft geschafft. 2026 steht dann die Weltmeisterschaft auf dem Plan.

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