Kolbermoor/Rosenheim – Ein Gastro-Versorger aus Rosenheim ist in großen Schwierigkeiten. Waren die Mitarbeiter seiner Firma in Kolbermoor tatsächlich selbstständig? Sozialversicherer fordern über 300000 Euro Nachzahlung – eine Haftstrafe kann drohen.
Seit 1994 ist der gebürtige Österreicher im Bereich Convenience-Food für die Gastronomie tätig. Hat die Firma selbst gegründet und führt sie erfolgreich bis heute. Weil die Lieferung der Produkte nicht täglich erfolgte, bediente er sich des sporadischen Einsatzes von Studenten, die er auf Mini-Job-Basis beschäftigte. Da diese jedoch während der Semesterferien nicht zur Verfügung standen und darüber hinaus großteils recht unzuverlässig gewesen sein sollen, war er ab 1999 auf der Suche nach einer anderen Lösung.
Zu jener Zeit wurde die Version „Ich-AG“ besonders gefördert. So machte er sich per Inserat auf die Suche nach selbstständigen Ausfahrern. Vor allem, weil zu dieser Zeit wegen des noch nicht so starken Umsatzes keine täglichen Lieferfahrten notwendig waren. Der Arbeitsanfall hätte eine Festanstellung nicht rentierlich gestattet.
Weil diese Mitarbeiter auch selber angaben, für mehrere Unternehmen tätig zu sein, war er sich sicher, eine legale und korrekte Abwicklung gefunden zu haben. Er berichtete, dass er für zwei der Selbstständigen gar deren Statusfeststellungen getätigt hatte und es – laut seines Steuerberaters – für diese auch keinerlei Beanstandungen gegeben hätte. So habe er auch keine Bedenken gehabt, vier weitere Mitarbeiter als Selbstständige gegen Honorar zu beschäftigen.
Als im Jahr 2013 eine Betriebsprüfung der Zollbehörde Unterlagen über einen – inzwischen fest angestellten – Mitarbeiter nachfragten, lud er sie von sich aus ein, sämtliche Alt-Unterlagen in seinem Aktenlager einzusehen. Aus allen Wolken fiel er dann, als er im Nachgang der illegalen Beschäftigung von scheinselbstständigen Mitarbeitern bezichtigt wurde.
Vor dem Schöffengericht schilderte er seine Sicht des Zustandekommens dieser nun erhobenen Vorwürfe. Nach dieser im Jahre 2010 erfolgten Statusfeststellung habe er ausschließlich festangestellte Mitarbeiter beschäftigt. Einen in Vollzeit, alle anderen als angemeldete Minijobber. Diesen gegenüber sei er seither auch vollauf weisungsberechtigt. Dies, und die verstärkte Kontrollmöglichkeit, würde die Mehrkosten der Festanstellung völlig aufwiegen. Unter dem Strich habe er durch die Beschäftigung von Selbstständigen keinerlei Vorteil gehabt.
Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Markus Frank, zitierte eine Ankündigung des Bundesgerichtshofes, in der ein Tatbestandsirrtum als möglich dargestellt wird. Dem zufolge, so der Verteidiger, könne dieses Verfahren durchaus mit einem Freispruch enden.
Die Staatsanwältin und das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Christian Merkel wollten diesem Ansinnen nicht ohne Weiteres nähertreten. Dies erkennend, beharrte der Verteidiger nicht weiter auf einer solchen rechtlichen Würdigung.
Richter und Schöffen
wollen Zeugen hören
Nun schlug er eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 Strafprozessordnung vor, nach dem ein Verfahren wegen Geringfügigkeit gegen eine angemessene Bußgeldzahlung eingestellt werden kann. Richter Merkel und seine Schöffen wollten sich dabei jedoch nicht lediglich auf die Aussagen des Angeklagten verlassen. Aus ihrer Sicht seien dazu wohl eine Reihe von Zeugenaussagen notwendig, die bislang noch gar nicht geladen waren. Um eine korrekte Beweiswürdigung sicherstellen zu können, setzte Richter Merkel das Verfahren vorerst aus, um alle sachrelevanten Zeugen vorzuladen und zu hören. au