Kolbermoor –Die Fischerstraße ist eine kleine, idyllische Siedlung. Max Weinhart lebt seit 40 Jahren dort, Familie Beck seit sieben Jahren. Sie lieben ihr Zuhause. Doch seit einem dreiviertel Jahr quält sie die Frage, wie sie künftig zu ihren Häusern kommen sollen. Denn ein Unternehmer aus Kolbermoor, der 2013 ein rund 425 Quadratmeter großes Grundstück direkt an der Straße gekauft hat, will den zwölf Parteien den Zugang über die kleine Straße untersagen.
Ein Detail im Grundbucheintrag
Das Problem ist der Grundbucheintrag: Dort steht, dass die Hausnummern „1 und 14“ Zugang über die kleine Straße zu ihren Häusern haben. „Es müsste aber 1 bis 14 heißen“, sagt Stefanie Beck, die Einblick ins Grundbuch erhalten hatte. Das Wörtchen „und“ wird den Anwohnern jetzt zum Verhängnis – denn der Grundstückseigentümer beruft sich darauf, dass mit den anderen Häusern keine Vereinbarung getroffen ist.
Im Juni 2018 lag der erste Brief des Geschäftsmannes bei Familie Kästner im Briefkasten. Darin bemängelte er, dass die Zufahrt zu der Anlage „ohne rechtliche Grundlage über das in meinem Eigentum befindliche Grundstück“ erfolge. Anders ausgedrückt: Kästners hätten keine Erlaubnis, über das Grundstück zu deren Anwesen zu gelangen. „Er hat dann 10000 Euro von uns gefordert – quasi als Freikauf“, sagt Kästner.
Sukzessive trudelten Briefe mit gleichem Inhalt bei Kästners Nachbarn ein – einige saßen es aus, andere nahmen sich einen Anwalt. „Wir wollten das nicht zahlen, weil es ja nicht sein kann, dass wir für etwas zahlen, was uns zusteht“, sagt Max Weinhart. Über mehrere Schreiben hinweg gingen die Forderungen auf 7500 Euro. Dazu erhöhte der Unternehmer auch verbal den Druck auf einzelne Anwohner. „Er hat uns aufgelauert“, sagt Stefanie Beck gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. „Er steht mit seinem Auto an der Zufahrt und sagt ,Ich lass euch hier bald nicht mehr durch‘.“ Die Folgen bei Familie Beck: „Weinende Kinder, die Angst haben. Weil sie natürlich mitbekommen, was hier los ist.“ Und weiter: „Wie sollen meine Kinder zum Kindergarten und zur Schule kommen? Wie wir zur Arbeit?“
Für die Nachbarn ist die Sache klar. „Das ‚Und‘ muss durch ein ‚Bis‘ ersetzt werden“, sagt Ronald Deinhart. Doch so einfach ist das nicht. Nach Auskunft des Grundbuchamtes, das am Amtsgericht angesiedelt ist, müsse die Änderung gerichtlich erfolgen. „Im Vertrag ist damals vereinbart worden, dass die Flurstücke mit den Nummern ,249/20 mit 249/49‘ betroffen sind. Im Grundbuch wurde dann ,249/20 und 249/49‘ eingetragen“, erklärt Stefan Tillmann, Sprecher des Amtsgerichts Rosenheim. „Die Rechtslage erlaubt also nicht einfach die Korrektur des Grundbuchs. Wenn keine einvernehmliche Lösung gefunden wird, werden sich die Beteiligten vor dem Zivilgericht auseinandersetzen müssen.“ Auf Anfrage bestätigt der Grundstückseigentümer den Kontakt mit den Anwohnern. „Zur Sache kann ich Ihnen sagen, dass das Grundstück bezüglich der streitgegenständlichen Geh- und Fahrt- sowie Leitungsrechten, von mir privat, lastenfrei erworben wurde“, teilte er schriftlich mit. „Den Betroffenen wurde bereits von meiner Seite her mehrfach schon ein Angebot zur gütlichen Regelung unterbreitet. Diesbezüglich stehe ich bereits mit Anwohnern kurz vor einer notariellen Einigung.“
Mittlerweile fordert der Geschäftsmann „4000 Euro zur Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts“. In dem Schreiben seines Anwalts an die Anwohner, das der Redaktion vorliegt, heißt es, dass das Angebot „nicht mehr verhandelbar“ sei. Und weiter: „Sollte auch dieses wohlwollende Angebot meines Mandanten nicht angenommen werden, werde ich für meine Mandantschaft auftragsgemäß von dessen Hausrecht Gebrauch machen und die Untersagung der Nutzung des Grundstücks meines Mandanten aussprechen sowie ein Betretungsverbot erteilen.“ Als Frist hatte er den Anwohnern den heutigen Montag, 1. April, gesetzt.
Keine Hilfe
von der Politik
In ihrer Verzweiflung haben sich die Anwohner auch an Kolbermoors Bürgermeister Peter Kloo gewandt. Der hat nach eigenen Angaben einen derartigen Fall noch nicht erlebt. Weiter will sich Kloo allerdings nicht äußern, denn: Es handele sich schließlich um Privatrecht. Seitens der Politik können die Anwohner also nicht auf Hilfe hoffen. Klein beigeben wollen sie aber trotzdem nicht, wie Stefanie Beck deutlich macht: „Wir halten zusammen und werden nicht zahlen.“