Kolbermoor – „Halt die Schnauze“, „Ich finde dich“, „Ich weiß, wo du wohnst“: Diese Drohungen sind laut SPD-Stadträtin Dagmar Levin an Bürger gegangen, die sich für den möglichen Bau eines Krematoriums Am Rothbachl einsetzen, über den die Kolbermoorer am Sonntag, 20. Oktober, per Bürgerentscheid abstimmen können. In den vergangenen beiden Wochen haben sich insgesamt zwölf Bürger an die SPD-Frau gewandt und ihr von den Drohungen erzählt, so die Stadträtin gegenüber den OVB-Heimatzeitungen.
Entweder die Bürger haben sie auf offener Straße angesprochen oder sie haben bei der SPD-Frau angerufen. Auch an andere Stadträte hätten sich Befürworter gewandt, die bedroht worden seien. „Leute, die sich beispielsweise in Leserbriefen, sozialen Medien oder bei Veranstaltungen pro Krematorium geäußert haben. Jetzt trauen sie sich nicht mehr, ihre Meinung offen zu sagen.“
Sie hätten Angst, erzählt Levin. „Ich habe ja schon viel erlebt. Aber dieses Ausmaß ist unsäglich.“ Sie selbst wurde nach eigenen Angaben ebenfalls bedroht – telefonisch und per E-Mail. „Wir finden dich“, so lautete beispielsweise der Text einer Mail. Aber ihr geht es nicht um sich. „Ich will nicht als Opfer dastehen. Mir geht es um die Bürger, die bedroht werden.“
Einer von ihnen ist Peter Schmid (Name von der Redaktion geändert). In den sozialen Netzwerken hat er von Anfang an mitdiskutiert. Letzte Woche bekam er über Youtube drei Droh-Mails: „Jedes Haus werde ich suchen in Rosenheim, München und Kolbermoor“ lautete die erste. Minuten später folgte die zweite: „Jede Ecke werde ich suchen, um dich zu finden“. Und die dritte: „Ich werde dich finden.“ Die Mails liegen dem Mangfall-Boten vor. „Mich hat das innerlich schon sehr beschäftigt“, sagt Schmid. Der Grund für die Droh-Mails erklärt er sich mit einer Stellungnahme, die er selbst im Netz abgegeben hatte. Schmid: „Kurz vorher habe ich ein von der Bürgerinitiative ins Netz gestelltes Video kommentiert.“
Die Bürgerinitiative (BI) gegen den Bau eines Krematoriums hat auf dem Onlinekanal Youtube Videos gestellt, in denen Kolbermoorer gegen das Krematorium sprechen. „Ich war einfach anderer Meinung und habe das auch sachlich kundgetan“, sagt Schmid. Kurze Zeit später kamen dann die Droh-Mails.
Und was sagt die Bürgerinitiative dazu? „Wir haben auch von Droh-Mails und Anrufen gehört“, sagt BI-Sprecher Robert König, „und uns aber gleich auf Facebook davon distanziert. Mit uns hat das nichts zu tun“, erklärt er. „Egal, wie man sich positioniert – jeder soll seine Meinung haben.“
Das sieht Bürgermeister Peter Kloo genauso. Er hat diese Vorgehensweisen „bisher in Kolbermoor noch nie so erlebt“, sagt er. Die Diskussion habe mittlerweile eine andere Qualität angenommen – „ich verstehe diese Aggressivität nicht“, so der Bürgermeister. Und im Hinblick auf die Kolbermoorer Plakate der Bürgerinitiative gegen das Krematorium, auf denen steht „Wir sind Kolbermoor“, sagt er: „Das ist nicht Kolbermoor.“ Diese Stadt stehe für „offene Diskussionen und nicht dafür, anderen ihre Meinung zu oktroyieren“. Selbst bedroht wurde der Bürgermeister nicht. Aber auch ihm wurde mehrfach zugetragen, dass Befürworter verbal attackiert worden sind.
Auch Thomas Engmann, Geschäftsführer der EHG Dienstleistungs GmbH, die das Krematorium in Traunstein betreibt und die Einrichtung in Kolbermoor errichten will, wurde bereits über Drohungen berichtet: „Befürworter haben mir bei Führungen erzählt, dass bei ihnen Briefe im Kasten lagen.“ Was stand drin? Engmann: „Wir wissen, wo du wohnst.“ Selbst bedroht wurde Engmann nicht, aber „mehrfach verunglimpft“: „Ich wurde als Lügner bezeichnet und mir wurde vorgeworfen, Straftaten begangen zu haben.“
Stadträtin Levin rät den Bürgern, die Drohungen erhalten haben, sich bei der Polizei zu melden. Bei der Aiblinger Polizei ist bis dato allerdings noch keine Anzeige erstattet worden. Der stellvertretende Dienststellenleiter Bernd Heller rät: „Die Originale vorlegen, dann kann geklärt werden, ob ein tatsächlicher Straftatbestand besteht.“ Kommen Drohungen häufig vor? „Ja“, sagt er – „und schon wegen Kleinigkeiten“. Heller rät aber auch: „Man darf keiner Hysterie verfallen.“
Doch wenn zwölf Kolbermoorer Bürger einer Stadträtin binnen weniger Wochen von Droh-Mails berichten, gehen auch bei Heller die Alarmglocken an. „Das ist viel. Man darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern sollte die Augen offen halten und Anzeige erstatten.“