Gibt’s künftig Erbsen statt Weißwurst?

von Redaktion

Interview Obermeister Lohberger erklärt, warum die Metzgerinnung Alarm schlägt

Bad Aibling/Landkreis – Dem Mittelstand reicht‘s: Die Zeiten eines bescheidenen „Jetzt red i“ sind vorbei. „Jetzt sagt der Mittelstand, was zu tun ist“ und fordert ein Ende „falscher Prioritäten“. Beim gestrigen Treffen der Mittelstandsunion des CSU-Kreisverbandes Rosenheim Stadt und Land im Kurhaus Bad Aibling trat auch Hubert Lohberger ans Rednerpult. Im OVB-Interview erklärt der Obermeister der Metzgerinnung Rosenheim-Wasserburg-Bad Aibling, woher „die tiefe Unzufriedenheit in der produzierenden Wirtschaft“ kommt.

Seit dem 8. Januar stehen die Metzger solidarisch an der Seite der Bauern. Jetzt sind sie Teil des politischen Aufstandes des Mittelstandes. Was motiviert sie dazu?

Die Missstände in unserer Gesellschaft sind vielfältig. Nicht von ungefähr sind die Straßen gefüllt mit den Stimmen der Bauern, Handwerker, Fuhrunternehmer und vieler Menschen aus anderen Berufen. Alle erleben das Gleiche: Eine unglaubliche Respektlosigkeit gegenüber ihrer täglichen Hingabe für diese Gesellschaft. Alle haben genug von einer Regierung, die nur ihrer Ideologie folgt und eine Politik der Verbote betreibt. Das ist keine Demokratie mehr. Wir erheben unsere Stimme, damit die Ampel den Menschen in den Mittelpunkt rückt, mit gesundem Menschenverstand regiert und ihrer Verantwortung gegenüber den Leistungsträgern dieser Nation gerecht wird.

In den letzten Monaten gab es einige Wortbrüche der Regierung.

Als im Bundeshaushalt plötzlich ein 60-Milliarden-Loch klaffte, war es mit der Energiepreisbremse schnell vorbei. Sie wurde zwei Monate früher aufgehoben als ursprünglich geplant. Das tut allen weh, vor allem aber dem Nahrungsmittelhandwerk, dem durch die eigene Herstellung der Produkte hohe Energiekosten entstehen. 2022 haben sich tausende Unternehmen auf die Zusage der Bundesregierung verlassen, dass Energie bezahlbar bleibt. Knapp die Hälfte unserer Handwerksmetzgereien hat damals einen Zweijahresvertrag zu absurden Strompreisen abgeschlossen. Dafür wurde in Berlin die Strompreisbremse bis April 2024 versprochen. Doch dieses Versprechen hat die Bundesregierung auf Kosten unserer Familienbetriebe gebrochen und lässt sie im Stich.

Welche weiteren Auswirkungen haben die Haushaltsbeschlüsse auf das Metzger-Handwerk?

Die Haushalts-Sparbeschlüsse der Bundesregierung treffen unsere Metzger von allen Seiten, beispielsweise auch durch die Mehrwertsteuererhöhung für gastronomische Leistungen und die irren Mautregelungen, die die Lieferantenkosten in die Höhe treiben. Die Überlegungen, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie bei sieben Prozent zu belassen, weil sich von der Corona-Krise noch kein Betrieb erholen konnte, waren ganz schnell vom Tisch. Dabei brauchen die Betriebe gerade diese Steuersenkung, um die anderen Kostensteigerungen schultern zu können. Und als wäre das alles nicht genug, kommt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir aus heiterem Himmel wieder mit einer Tierwohlabgabe um die Ecke. Tierwohl steht bei uns ohnehin an erster Stelle. Denn ohne gesunde Tiere gäbe es kein hochqualitatives Fleisch. Diese Abgabe könnte das nächste Bürokratiemonster werden.

Am Ende zahlt der Kunde für alles die Zeche?

Kleine Handwerksbetriebe können die Verteuerungen von Rohstoffen und Energie nicht kompensieren, sondern müssen sie auf ihre Produkte umlegen. Am Ende muss der Kunde die höheren Preise zahlen. Dabei ächzen Unternehmen und private Haushalte unter einer seit Jahrzehnten nicht gekannten Inflation.

Kommt zum Wirtshaussterben jetzt auch das Metzgersterben hinzu?

Es hat schon begonnen. Die Zahl unserer Mitgliedsbetriebe halbiert sich alle zehn Jahre. Deutschlandweit ging seit 2002 die Zahl der eigenständigen Meisterbetriebe im Fleischerhandwerk von 19000 auf 10870 Betriebe zurück. In Rosenheim hatten wir 1961 noch 36 schlachtende Metzger. Jetzt gibt es hier noch vier Metzgereien, unserer Innung gehören noch 38 Mitgliedsbetriebe an.

Warum geben
so viele Metzger auf?

Die Resignation ist groß. Den einen fehlt der Nachwuchs. Andere zwingt ein Investitionsstau zur Aufgabe. Viele Kollegen haben sich aufgearbeitet. Es ist hart, von morgens 4 Uhr bis in den Abend in der Metzgerei zu stehen. Ein Metzger braucht viel Herzblut. Wenn Politik und Bürokratie dann immer neue Hürden aufbauen, überlegt manch einer genau, ob er nicht besser aufhört. Was uns Metzgerbetriebe noch rettet, ist die hohe Kaufkraft in der Region. Und glücklicherweise gibt es noch mutige junge Handwerksmeister, die neue Metzgereien aufmachen.

Die Ampel hat gerade ihre „pflanzenbetonte Ernährungsstrategie“ verabschiedet. Wird es in Zukunft noch Weißwurst, Leberkäse und Schweinshaxn geben? Oder müssen wir uns auf Erbsen einstellen?

Unsere in Bayern gelebte Tradition reicht vom Bauern über den Metzger bis zum Bäcker oder Wirt. Weißwurst, Leberkäse und Schweinshaxn gehören zum bayerischen Lebensgefühl. Dafür kämpfen wir, doch diese Tradition wackelt gewaltig, wenn Berlin nicht einlenkt. Die sogenannte Ernährungsstrategie der Ampel ist für mich eine Ernährungsdoktrin. Sie steht im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit der meisten Menschen, denn weniger als zehn Prozent wollen sich fleischlos ernähren. Auch ist es unverantwortlich, den Leuten einzureden, man könne sich problemlos ohne tierische Produkte ernähren. Worauf es ankommt, ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung, und da sind Lebensmittel tierischen Ursprungs ein wesentlicher Baustein.

Zudem sollte jeder Mensch frei entscheiden dürfen, was er isst. Wichtig ist, dass ihm qualitativ hochwertige Produkte zur Verfügung stehen, und er sich diese auch noch leisten kann. Wenn die Lebensmittel aus der Region kommen, aus guten Tierbeständen stammen und handwerklich verarbeitet sind, dann sind Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung garantiert. Doch wenn unsere Regierung so weitermacht, gibt es bald keinen Landwirt und keinen Metzger mehr. Dann ist es vorbei mit der Regionalität. Dann kommt die Schweinshaxe aus dem Schweinehochhaus in China.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Die Entlastung von Landwirtschaft, Handwerk und Gastronomie. Die Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung. Die Senkung der Bürokratie. Ein Arbeitszeitgesetz, das eine flexible Wochenarbeitszeit ermöglicht, damit junge Eltern Arbeit und Familie besser unter einen Hut bringen können. Faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Und bis zum Jahresende die Unterstützung von Betrieben, die 2022 einen Stromvertrag abgeschlossen haben.

Mit einer Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde bekannt, dass es im Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung kein Fleisch und keine Wurst mehr gibt.

Möglicherweise war das ja der Grund dafür, dass keine gescheiten Gesetze verabschiedet wurden. Aber Spaß beiseite: Inzwischen wird wohl auch dort wieder Fleisch angeboten, weil sich für das vegetarische Kantinen-Konzept kein Betreiber gefunden haben soll, heißt es. Man kann darüber schmunzeln, aber wirklich zum Lachen ist keinem mehr zumute, denn es ist an der Zeit, dass die Stimmen der Metzger, der Bauern, der Handwerker und der Fuhrunternehmer gehört werden. Gemeinsam kämpfen wir für eine Zukunft, in der die Regierung die Realitäten des Wirtschaftslebens versteht und wertschätzt. Deutschland hat Rekord-Steuereinnahmen: knapp eine Billion Euro. Also ein Einnahmeproblem haben wir nicht, sondern ein Ausgabeproblem. Es ist an der Zeit, dass die Regierung die Milliarden nicht gedankenlos in aller Welt verteilt, sondern sich für die ökonomische Realität der Unternehmen und die Lebensbedingungen der Menschen interessiert, die diese Milliarden erwirtschaften. Das Einzige, was in Deutschland blüht, ist die Bürokratie. Über 11000 neue Beamtenstellen wurden unter der Ampel geschaffen. Das verursacht Mehrkosten in Höhe von sieben Milliarden Euro. Zum Vergleich: Für Agrardieselsubvention und Energiepreisbremse wären knapp eine halbe Milliarde Euro nötig. Interview: Kathrin Gerlach