Kolbermoor – 150 Jahre galt der Biber in Deutschland als ausgestorben. Doch mittlerweile haben sich wieder mehr als 40000 Exemplare des größten Nagetiers Europas in Deutschland angesiedelt. Unter anderem an der Mangfall, wo aber nicht jeder mit dem tierischen Nachbarn glücklich ist. Wie beispielsweise an der Blumenstraße in Kolbermoor, wo das pelzige Tier mit den großen Nagezähnen nach Angaben der Anwohner immer wieder für Überflutungen des Straßenzugs sorgt. „Der Biber muss weg“, so die klare Forderung von Johann Mittermaier, Anwohner der Blumenstraße. Eine Forderung, die aber nicht jeder Anwohner in dieser Vehemenz unterstützt.
Ortstermin
mit Josef Lausch
Bei einem Ortstermin an der Blumenstraße hatten sich jetzt Josef Lausch, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, sowie der Vorsitzende des FW-Kreisverbandes Rosenheim, Sepp Hofer, mit Anwohnern über die dortigen Probleme ausgetauscht. Bereits Anfang Februar hatte der FW-Kreisverband die Bevölkerung dazu aufgerufen, Biberprobleme zu melden, wodurch letztlich auch der Kontakt zu den Anwohnern der Blumenstraße zustande kam.
Nach Angaben von Mittermaier bestehe das Problem seit gut zehn Jahren, nachdem dort zwischen Mangfall und Blumenstraße ein Deich angelegt worden und der Kaltenbrunnbach verlegt worden war. „Uns ist damals versprochen worden, dass sich die Situation für uns durch die Maßnahmen keinesfalls verschlechtert“, erinnert sich Mittermaier. „Doch die Situation hat sich deutlich verschlechtert.“ Mindestens zweimal im Jahr drücke, beispielsweise bei stärkeren Regenfällen, das Grundwasser hoch und dringe teilweise in die Keller der Anwohner ein.
„Der macht hier einen totalen Saustall.“
Als Hauptursache hat Mittermaier den Biber ausgemacht, der sich dort nach den Umbaumaßnahmen breit gemacht habe. Wie viele Exemplare dort leben, könne allerdings niemand so genau sagen. Wobei die Anzahl der Nager für Mittermaier auch keine Rolle spielt. „Der Biber muss hier weg, und zwar komplett. Dann ist das Problem hier sofort gelöst“, glaubt der Rentner, der dem pelzigen Ufer- und Wasserbewohner kein gutes Zeugnis ausstellt: „Der macht hier einen totalen Saustall.“
Dass der Biber komplett aus der Siedlung verschwinden muss, diese Aussage kann Anwohnerin Monika Miller nicht unterschreiben. Sie ist allerdings der Meinung, dass es „einfach zu viele“ sind. Erst im Winter hatte Miller wieder das Problem, das bei stärkerem Regen das Grundwasser aus dem Schacht neben ihrer auf Kellerhöhe gelegenen Garage gedrückt worden und das Wasser dann in die Garage gelaufen sei. „Wir helfen dann halt immer schnell zusammen und räumen alles aus der Garage raus“, erzählt Miller. Daher sei es auch noch nie zu größeren materiellen Schäden gekommen.
Damit das Wasser zudem nicht von der Garage durch eine dortige Tür ins angrenzende Wohnhaus laufe, habe die Familie selbst konstruierte Schutzwände gebaut, die im Hochwasserfall vor die Tür gesetzt werden. „Unsere Oma im Haus kann die aber beispielsweise nicht mehr aufstellen“, so Miller, „für sie ist das dann schon beängstigend, wenn das Wasser wieder kommt.“ Auch bei länger anhaltenden Regenphasen habe die Familie mittlerweile „ein mulmiges Gefühl.“
Zustände, die nach Meinung der FW-Vertreter Lausch und Hofer untragbar sind. „Ich kenn das Biber-Problem ja aus meiner Heimatgemeinde Halfing“, erzählt Hofer. „Der eigentliche Witz ist ja: Wir geben Millionen für den Hochwasserschutz aus, aber der Biber darf machen, was er will.“ Deshalb habe er sich jetzt als „Kümmerer“ eingeschaltet, so Lausch, der in derartigen Fällen eine Entnahme, also einen Abschuss, des Nagers fordert. „Wir wissen aus Landkreisen wie Garmisch-Partenkirchen und Ebersberg, dass es da schon Spielraum gibt.“ Ihm gehe es auch nicht darum, „den Biber wieder auszurotten, sondern dessen Population zu begrenzen.“
Nach Angaben von Christoph Wiedemann, Leiter der Abteilung Planung und Bau beim Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, ist die Grundwasser-Problematik an der Blumenstraße bekannt. Der Deich sei 2010 zum Schutz der Bürger und der Stadt vor Hochwasser errichtet worden, im Zuge dessen, laut Wiedemann, „zwingend“ auch der Kaltenbrunnbach verlegt werden musste. Dort habe der Biber nach Informationen des Wasserwirtschaftsamts „an einigen Stellen Dämme“ errichtet und staue nun das Wasser des Baches auf.
Ein baulicher Eingriff macht keinen Sinn
Welche Anteile die Biberdämme an der Grundwasserhöhe habe, sei der Behörde aber nicht bekannt. Wiedemann verweist darauf, dass hohe Grundwasserstände in diesem Bereich „nichts Ungewöhnliches“ seien. Die Hochwasserdeiche seien zudem so errichtet worden, „dass sie die normalen Grundwasserverhältnisse nicht nachteilig verändern.“ Wiedemann: „Aus diesem Grund macht ein baulicher Eingriff dort keinen Sinn und ist demnach auch nicht geplant.“
Auch beim Landratsamt Rosenheim, zu der die fürs Thema Biber verantwortliche Untere Naturschutzbehörde gehört, ist nach Angaben von Sprecher Michael Fischer die Problematik an der Kolbermoorer Blumenstraße „seit Dezember 2021 bekannt.“ Die Behörde verweist aber auf die Stadt, die „seit Jahren über eine Genehmigung für dauerhafte Biber-Dammentfernungen in bestimmten Bereichen“ verfüge und befugt sei, „Biber-Dämme abzutragen, soweit diese für die Hochwasser-Thematik relevant sein könnten.“
Nach Angaben von Fischer sei hier die Zusammenarbeit mit der Stadt Kolbermoor auch „vorbildlich“. „Handlungen vor Ort geschehen in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde“, wie der Sprecher des Landratsamtes betont. Dem Wunsch, den Biber von dort zu vertreiben, erteilte die Behörde hingegen eine Absage: „Da hier – aufgrund der schon vorliegenden Genehmigung zur Dammentfernung – die Biber-Problematik eine sehr untergeordnete Rolle spielt, ist eine Biber-Entnahme an dieser Stelle weder nötig noch denkbar.“
Zumal Andreas Meixner, Kolbermoors Stadtbaumeister, nicht die Hand dafür ins Feuer legen würde, dass auch wirklich der Biber für die zeitweiligen Überflutungen an der Blumenstraße verantwortlich ist. „Die Anwohner sagen, es ist der Biber“, so Meixner gegenüber dem Mangfall-Boten. „Aber einen direkten Beweis dafür gibt es nicht.“ Daher sei eine Biber-Entnahme zum derzeitigen Zeitpunkt für die Stadt auch undenkbar.
Mit Feingefühl an
die Sache rangehen
Dennoch habe der Schutz der Bürger für die Stadt natürlich Priorität, weshalb es laut Meixner jüngst an der Problemstelle ein Treffen zwischen Kommune, Unterer Naturschutzbehörde und Wasserwirtschaftsamt gegeben habe. „Es zeichnet sich eine Lösung ab“, so Meixner, der darauf verweist, dass die Dämme zwar entfernt werden, der Biberbau aber nicht beschädigt werden dürfe, weshalb die Kommune dort auch „mit Feingefühl an die Sache“ rangehe.
Den Durchbruch in puncto Überschwemmungsschutz soll jetzt allerdings ein extra angelegter Überlauf bringen, der bereits umgesetzt sei, „damit das Wasser nur noch bis zu einem gewissen Punkt ansteigen kann.“ Meixner: „Nun müssen wir einfach beobachten, ob diese Maßnahme Erfolg hat.“ Und wenn nicht? „Dann werden wir die Anwohner nicht im Regen stehen lassen“, verspricht der Stadtbaumeister, der allerdings auch darauf verweist, dass die genaue Ursachenforschung für die wiederkehrenden Überschwemmungen eine langwierige und aufwendige Sache sein könne. Und wenn sich am Ende dann doch der Biber als Übeltäter herausstellt? Dann sei laut Meixner die Entnahme als letztes Mittel zu diskutieren – „allerdings nur in Absprache mit dem Landratsamt.“