Kolbermoor – Die Staatsanwaltschaft warf einer 65-jährigen Frau aus Kolbermoor vor, sie habe in den Jahren 2020 bis 2023 Gelder von verschiedenen Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) für fremde Kosten und ihre eigenen Bedürfnisse missbraucht. Von Ostermünchen bis Raubling soll sie in 80 Fällen Gelder ihrer Klienten missbraucht haben, wodurch eine Schadenssumme von insgesamt 150000 Euro entstanden sei.
Möglich sei dies, weil keinerlei Kenntnisse oder Bonitäten nachgewiesen werden müssen. Praktisch jedermann könne als „Hausverwalter“ einer WEG agieren. Problematisch sei dies für kleinere Eigentümergemeinschaften, weil renommierte Unternehmen in dieser Branche meist nur bereit sind, Objekte ab einer rentierlichen Größenordnung zu übernehmen.
Die Angeklagte hatte ihre Tätigkeit folgerichtig als „Kleingewerbe“ gemeldet. Um ein zum Leben ausreichendes Einkommen zu erzielen, musste sie eine nötige Anzahl an Objekten betreuen. Da sie ohnehin nicht viel Geld und zudem noch mehrere persönliche Probleme und Schicksalsschläge hatte, verlor sie völlig den Überblick und stopfte diverse Finanzlöcher mit dem Geld ihrer Kunden.
Geständnis und
Reue vor Gericht
Weil sie alle anfallenden Zahlungen über ihr persönliches Konto abwickelte, sei ihre finanzielle Situation für sie wohl tatsächlich unüberschaubar geworden. So wurden irgendwann Handwerkerrechnungen nicht mehr bezahlt, die Rechnungen für Heizölkosten blieben offen, bis schließlich eine WEG Einblick in ein Kontoblatt verlangte und dies auch von der Bank bekam.
Dabei stellten sie fest, dass ihr Rücklagenkonto nahezu leergeräumt war, ohne dass ein Nachweis für erklärbare Aufwendungen zu erkennen war. Nachdem eine nachvollziehbare Erklärung durch die Angeklagte ausgeblieben war, erfolgte eine Anzeige wegen Untreue bei der Polizei. Deren Ermittlungen ergaben, dass es sich hier um mehrere „betreute“ Wohneinheiten handelte, die nahezu alle über fehlende Transparenz und fehlende Gelder beziehungsweise unbezahlte Rechnungen klagten.
Vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richterin Dr. Deborah Fries war die Angeklagte umfassend geständig. Sie beklagte, dass widrige Umstände, persönliche Schwierigkeiten und eigene gesundheitliche Probleme ihre Situation derart kompliziert hätten, dass sie ausgebrannt und hilflos gewesen sei.
Zu keiner Zeit habe sie ihr Fehlverhalten aus Gewinnstreben begangen. Sie sei mit ihrer eigenen Situation und diesen beruflichen Notwendigkeiten einfach überfordert gewesen. Zwischenzeitig habe sie etliche Schulden aus dieser Zeit bereits beglichen, mit anderen Gläubigern Ratenvereinbarungen getroffen und diese auch nach ihren Möglichkeiten bedient. Dazu sei sie neben ihrer Rente noch voll im Berufsleben, um ihre Schulden aus dieser Zeit begleichen zu können.
Weil die Höhe der Rückzahlungen nicht sofort zu belegen war, ordnete das Schöffengericht nach Paragraf 422 Strafprozessordnung die Abtrennung des Verfahrens in der Frage nach der Höhe des Wertersatzes an. Damit soll zunächst ermittelt werden, in welcher Höhe die Angeklagte tatsächlich bereits Wiedergutmachung geleistet hatte.
In seinem Schlussvortrag beklagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Höhe des Schadens und die Dauer und Vielzahl der Untreue-Vergehen. Daneben stimmte er der Angeklagten zu, dass sie mit den Taten keinen böswilligen Gewinn machen wollte. Vielmehr habe es sich bei ihr um Unfähigkeit und Überforderung gehandelt. Dies könne aber nicht straffrei bleiben, denn von Fahrlässigkeit könne hier längst keine Rede mehr sein.
Einzig der Umstand, dass sie erkennbar um Wiedergutmachung bemüht, geständig und ohne jede Vorstrafe sei, mache es möglich, eine Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen. Dazu komme, dass sie nur auf freiem Fuß in der Lage sei, den Schaden wieder gutzumachen. Also beantragte er mit zwei Jahren Haft eine Strafe, die eben gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Pierre Torber, verwies auf die gesundheitliche und psychische Ausnahmesituation, die zu dem Fehlverhalten seiner Mandantin geführt habe. Er hielt eine Haftstrafe von einem Jahr mit Bewährung für ausreichend.
Urteil: Zwei Jahre
Haft auf Bewährung
Das Schöffengericht folgte dem Antrag des Staatsanwalts. Die Angeklagte habe durchaus gezielt und viele Male die ihr anvertrauten Gelder missbraucht, ohne Rücksicht auf die Belastung ihrer Kunden, denen ihre angesparten Rücklagen nun nicht mehr zur Verfügung stünden. Fahrlässigkeit könne darin nicht gesehen werden.
Des Weiteren handle es sich um eine derart hohe Schadenssumme, dass keinesfalls gewiss sein könne, dass die 65-Jährige alle Forderungen begleichen kann. Auch aus diesem Grunde habe das Gericht eine Bewährungsdauer von fünf Jahren bestimmt. Dazu komme noch die Festsetzung der Höhe des Wertersatzes, mit dem ihre Gläubiger befriedigt werden sollen. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig.